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Porn Film Festival 2012, Tag – oh, ein Eichhörnchen!

Zack, auch schon wieder eine Woche her, dass das Porn Film Festival in Berlin zu Ende gegangen ist – und nicht nur bei mir hat sich Montagabend ein klein wenig Melancholie breit gemacht. Nach fünf Tagen freier Liebe mit schönen klugen Menschen ist das Runterkommen bei RTL Extra zum Thema „Gibt es bei Schwulen eigentlich immer einen Mann und eine Frau?“ mit Ross Anthony, der davon berichtet, „so eine typische Zicke“ zu sein, schon einigermaßen hart. Denn wenn es auf diesem Festival eins zu lernen gibt, dann, dass man seine sämtlichen endgültigen Ideen von Sexualität am Besten gleich flott über den Haufen schmeißen sollte. Falls es tatsächlich eine Art Gaydar gibt – hier funktioniert er nicht mehr. Scheißegal, ob sich die tätowierte gepiercte Frau gerade auf Großleinwand von einer Anderen den halben Unterarm in die Mumu hat stecken lassen und sich darüber ganz offensichtlich freut – im nächsten Moment knutscht sie dann doch mit ihrem Kumpel aus der Kinoreihe vor uns rum. Und hat der nicht eigentlich ziemlich schwul gewirkt? Und warum, genau, war das gleich wieder wichtig?
An einem Ort, an dem jeder einfach Mensch sein kann, passiert viel – und das nicht nur auf der Leinwand.

Bei mir stand Samstagabend Anne G. Sabos Buchpräsentation „After Pornified – How women are transforming pornography and why it really matters“ auf dem Programm. Die ehemalige Unidozentin, jetzt freie Autorin, Sexbloggerin und Mutter beschreibt in ihrem Buch mit dem einigermaßen selbsterklärenden Titel den Wandel in der Filmindustrie zu einer selbstbestimmteren (weiblichen) Sexualität – vor allem die Saufgeschichten mit der im Publikum anwesenden Creme de la Creme des FemPorn, Jennifer Lyon Bell und Erika Lust, trugen sehr zur allgemeinen Unterhaltung bei. Eine der Publikumsfragen von einem sich offensichtlich seiner schlimmen männlichen Sexualität schämenden Mannes, ob es denn nicht auch gute Pornos von männlichen Regisseuren gebe, konnte natürlich mit „Ja“ und „Tony Comstock“ beantwortet werden – den habe sie aus ihrer Aufzählung im Buch allerdings rausgelassen, meint Sabo. „You know, it seemed so cool, just us girls being in there!“, und ich so: äh? Ein bisschen schade, dann doch, nicht wahr? Wo sich so ziemlich jede halbwegs reflektierte Abhandlung zum Thema Pornofizierung damit auseinander setzt, dass weibliche Emanzipation nicht ausreicht, dass wir alle neue Bilder finden müssen, und dass nicht nur die durchgenagelte Silikonblondine Feierabend haben sollte, sondern auch der Muskelpenis ein nachhaltig ungutes Bild in den Köpfen unserer Männer hinterlässt. Dass wir neue Männer brauchen, die mehr sind als ihr Schwanz, weil nicht nur Frauen in Pornos extrem reduziert werden. Und egal ob das jetzt „cool“ ist, dass „wir Mädels“ uns mit diesem Thema auseinandersetzen – es reicht einfach nicht. Noch lange nicht. Und positiver Sexismus hilft da leider auch nicht weiter.

Anschließend gab´s bei mir Mondomanila. Wann immer Jochen einen Film als „radikal“ und „experimentell“ ankündigt, ist ansich schon Vorsicht geboten, und die Beschreibung als „urbanes Horroszenario auf Acid: punkig, anarchisch, lustvoll destruktiv“ war definitiv keine Untertreibung. Auf jeden Fall spannende…Ästhetik. Ne?

Generell mein Festivalhighlight in diesem Jahr: die Dokumentationen. Nebst dem zuvor angepriesenen Heaven/Hell hat mich besonders (A)sexual sehr berührt, und das, wie ich zu meiner eigenen Schande zugeben muss, tatsächlich auch aufgrund seines Zirkuscharakters.

Wo immer man sonst über Asexualität liest, werden verschwommene Gesichter gezeigt, die sich kunstvoll hinter großen Kaffeetassen oder Schattenrissen verbergen. Hier sprechen stinknormale Menschen ganz offen über ihre Veranlagung zum Nicht-Trieb. Dass sich die große Utopie der (sex-)freien offenen Netzwerkliebe im erweiterten Freundeskreis, von der David Jay, der charismatischste Protagonist geträumt hat, schlussendlich doch nicht durchsetzen lässt, weil sein Umfeld tiefe zwischenmenschliche Bindungen eben doch nicht ohne Sexualität definieren kann, lässt den Zuschauer fragend zurück. Ein nachhaltig beeindruckender Film.

Vom Kurzfilmpanel Masturbation Porn bleibt mir besonders Sadie Lune & Kay Garnellen´s Skypemelodram „Baby you´re frozen“ in Erinnerung. Jeder, der schon mal versucht hat, vor Sehnsucht in einen Bildschirm reinzukriechen oder einen Tobsuchtsanfall hatte, wenn der Bildschirm einfriert, kann nachvollziehen, was hier passiert:

Sexuality is increasingly lived through virtual formats. “Baby youre frozen” is a intensely personal and explicit look at the relationship between virtuality and intimacy; how virtual means facilitate connections of the heart and sex across great distances and time zones, but hinders feelings of closeness through digital obstacles. A raw and real portrayal of coping strategies for long-distance love in the 21st century where Skype sex is the best we get, but making love to a screen never satisfies the need for in-person physical intimacy with all of our senses.

Oh yes. Der Filmmaker in Focus -Abend war der großartigen Gala Vanting aus Australien gewidmet, die an Projekten wie Ishotmyself, Ifeelmyself oder dem Klassiker Beautiful Agony beteiligt war.
Ihr eigenes Projekt Sensate Films steht ganz im Zeichen von Slow Porn, und ich bin so was von dafür. Gebt der Frau all euer Geld, schaut euch ihre wunderschönen Filme an. Jetzt. Sofort. Und googelt mal Gentlemen Handling. Die Antwort auf all unsere Fragen. Nur besser.

Am Sonntag war ich, wie jeder vernünftige Mensch, extrem verkatert und Ovidie´s Infidélité hat´s tatsächlich auf keinem Auge besser gemacht. Nachdem ich zum ungefähr vierten Mal in diesem Setting aus unsympathischen Menschen beim unsympathischen Geschlechtsverkehr unsanft wieder aus dem Schlaf gerissen wurde, fand ich vollendete Verstörung bei W.R.Mysteries of the Organism.

Die – so hoffe ich im Nachhinein – auch nüchtern einigermaßen unverständliche Handlung (Jugoslawisches Kommunismusbumsen in den 1970ern zu Ehren von Wilhelm Reich? Something, something?) hat zumindest bei meinem Nebensitzer zu einem wahren Erguss an Anmerkungen und Notizen in seinem klugen kleinen Filmkritikerbüchlein geführt. Wenn du das hier liest, melde dich! Mich würde dann ja doch fast interessieren, wie´s ausgegangen ist.

Ich für meinen Teil war danach zumindest wieder wach genug für Cherry – die „mainstreamigste“ Produktion des Festivals mit James Franco (schon wieder!) und Heather Graham in Nebenrollen beschreibt in angenehm unsensationalistischen Bildern den Aufstieg eines hübschen Mädchens von „nur mal ein paar Bilder machen“ über Festisch-Lesbenszenen zu Uh!Penetration vor der Kamera. Diese erschien nach 5 Tagen rein-raus als fast unrealistisch missionarisch-bieder – doch schließlich wird hier weder die Geschichte vom gefallenen Mädchen erzählt, noch die vom großen, geilen Geld in der großen geilen Pornoindustrie. Es ist, was es ist, und im Gegensatz zu so vielen Geschichten von der Frau und dem Sex wird hier auf den klassisch-pseudomoralistischen Schluss verzichtet und es muss niemand für das ganze Rumgeficke seinen „gerechten“ Tod finden. Gute Sache in einem ansonsten größtenteils höhepunktsarmen (haha, ja, echt) Film.

Es ist, was es ist – das gilt auch fürs Porn Film Festival. Für viele von uns ist es eines der Highlights des Jahres – zum Beispiel für meinen Freund A., der beim Spanischen Kinderfernsehen arbeitet und in seiner Freizeit heimlich Sexfilme dreht und der Meinung ist, wir sollten das alle tun. Für R., die in Budapest nach einem nicht-phallischen Dildo sucht und im „alternativen“ Sexshop in Kreuzberg mit der Aussage, sie solle wiederkommen, wenn sie ihre Schwanzphobie überwunden hat, abgewimmelt wird. Für meine wunderbare F., der das alles eigentlich viel zuviel ist.
Und natürlich für mich, die ich gerade meine Diplomarbeit zu diesem ganzen leidigen Thema abgebe und mich jetzt erstmal in die große weite Welt aufmachen werde.
Für weniger Bildschirm und mehr so mit Anfassen.
Macht es gut meine Lieben, bleibt schön und wild, und auf bald!


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Porn Film Festival 2012, Tag 1 1/2

„Also Sex sells ja anscheinend, wa, so voll hab ich das Kino hier jedenfalls noch nie gesehn!“ konstatiert das neunmalkluge Hipsterkind in der Reihe vor mir, und tatsächlich: alles ist schön, alles ist wie immer, die Kinos voll und die Stimmung ausgelassen pubertär.

Für mich beginnt das in diesem Jahr besonders exquisite Programm mit Heaven/Hell, einer Doku über die tschechische BDSM-Szene. Die funktioniert ähnlich gut wie im vergangenen Jahr D/S – ich weiß nicht, ob dokumentierte Hobbysadomasochisten einfach eine gewisse Grundunterhaltsamkeit mit sich bringen, oder es diese besonders zärtlich-provinziellen Bilder sind, die einen nicht mehr loslassen. Wenn tschechische Tristesse auf Pony-Play trifft und sich ein neugieriges Kleinkind im Einkaufszentrum mit dem Computernerd in voller Pferdverkleidungsmontur anfreundet, bleibt jedenfalls kein Auge trocken.

Anschließend lief der – vermutlich nicht nur von mir – heiß erwartetste Spielfilm des Festivals überhaupt: I Want Your Love von Travis Mathews, der vor zwei Jahren mit seinem gleichnamigen Kurzfilm reihenweise Herzen gebrochen und den sofortigen Wunsch auf Reinkarnation in der Schwulenszene San Franciscos ausgelöst hat, liefert auch in der Langversion State-of-the-Art Hipsterporno in haarig-hyperrealistischen Bildern – lediglich ein paar der Dialoge außerhalb der diversen Betten schwächeln ein bisschen, aber Jesse Metzgers Welpencharme überstrahlt einfach alles – so sehr, dass Regisseur Mathews auch nicht persönlich anwesend sein konnte, weil Hollywood geklingelt hat und er gerade mit James Franco dreht. Big up!

Wie immer durchwachsen, äh, vielfältig: die Short Film Competition.

Mit Sao Paolo als Geliebter nivelliert „Love with the City“ zwischen Objektophilie und narzisstischer Flashergirl-Befriedigung und die masturbatorischen Kirchenszenen lassen Pussy Riot nach Ganztagskindergarten aussehen.

Antonio da Silvas „Bankers“ könnte eigentlich auch „Wankers“ heißen, denn genau das passiert, in seinem schier endlosen Versteckte-Kamera-Wackelfilmchen, das man zunächst geneigt ist, als relativ billigen Trick abzutun. Au contraire, der Regisseur hat sich tatsächlich in einem Londoner Restaurant im Financial District versteckt, und die titelgebenden Besucher beim mittäglichen Druckablassen gefilmt. Langweiliger Film, tolle Idee, eventuell hab ich jetzt auch die Pointe schon ausgeplaudert.

Unbedingt sehenswert dafür: Home vom spanischen Toytool Committee. Zwei Mädels aus Valencia, die es sich auf wunderschönen Möbeln wunderschön machen. Tatsächlich der einzige Beitrag der Short Film Competition, der auch zur Anregung, nicht nur zur Subversion oder Unterhaltung konzipiert ist – ich lasse mich diesbezüglich aber auch jederzeit von Pinocciofetischisten in wilde Debatten verwickeln, wenns sein muss.

Schon jetzt der heimliche Sieger der Herzen: Jan Soldat mit seinem Berlinalebeitrag „Zucht und Ordnung“, in dem er zwei brummelige schwule Berliner beim BDSM vor Gelsenkirchener Barock portraitiert. Wie der lebensgroße Porzellan-Collie stummer Zeitzeuge von zweckentfremdeten Wäscheklammern und Elektrofliegenklatschen wird, und immer mal wieder einer aufs Klo muss, weil nackig halt auch die Füße so schnell kalt werden, ist in seiner Poesie wirklich kaum in Worte zu fassen.

Erstes Highlight von Tag 2: Cabaret Desire, der neue Film von Erika Lust. In ihrem vierten Film vereint Frau Lust gekonnt Storytelling mit saftigen Sexszenen und mischt ein paar feministische Botschaften unter. „Fuck everything to be labeled and classified“, damn right, Erika! Besonders positiv fällt ihre Abkehr von den allzu hochglanzigen Darstellern auf. Auch für den schmächtigen Intellektuellen, die dralle Blonde und das ein oder andere Hämatom ist in Cabaret Desire Platz, und macht das ganze wesentlich greifbarer – auch wenn man natürlich meckern könnte und anmerken, dass sich die Sexszenen im Ablauf wenig unterscheiden. Aber wie die charismatische Frau Lust im anschließenden Publikumsgespräch erzählt: es entstammt alles ihrer Fantasie. Und genau das macht Pornofilmkritik auch so schwierig: klar kann man an der Technik rummäkeln – aber an Fantasien?

Die Gedanken sind frei und viele der Filme werden in den kommenden Tagen wiederholt
– ich freue mich erstmal auf die „After Pornified“-Lesung um 8 und den Filmmaker in Focus Abend mit Mor Vital. Kommt auch, freut euch mit!


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Feigenblatt auf der…April, April

Lügen ist der größte Spaß, den ein Mädchen haben kann, ohne sich auszuziehen – wobei sich danach quälend langsam entblättern zu lassen wirklich auch nicht schadet, würd ich jetzt mal so in den Raum stellen.

April, April, Lovers – am Wochenende gab´s gar keine Erotikmesse in München. Aber falls ihr mal ein gutes Date haben wollt, empfehle ich einen Typen, der auf Fotos wahlweise aussieht wie Walter White oder ein kasachischer Folterbaron – respektive eine Oide, die auch mit dem kurz ausgeborgten Guppyzüchter-Award 1999 spontan ihre (eh schon seit Jahren einstudierte) Pullitzerpreisverleihungsdankesrede inklusive ergriffenem Blick runterspulen kann. Vielleicht kommt diese Ergriffenheit auch aus der tief verankerten Überzeugung, dass wir einen Serious Entertainment X-Rated – Award für die wahrheitsgetreueste Darstellung sexueller Lust , wenn es ihn denn tatsächlich gäbe, über alle Maßen verdient hätten – also meistens zumindest…

Denn preisgekrönte Muschis gab es tatsächlich jede Menge am Samstag – nur halt anders, irgendwie.

heisse-mieze

In Echt waren Assistent Benjamin und ich übrigens auf der Heimtiermesse – und selber überrascht, wie sehr sich Sextoys und Hundekauknochen manchmal ähneln können…

Das hier befüllt man übrigens mit Leckerlis und rollt es dann rum, oder so – wir mussten es selber erst googeln. Und don´t try this at home – außer zum Aquariumklimawandel.

 

 

 

 

 

Ansonsten bekommt man auch auf einer Heimtiermesse alles für die fröhliche Schwanzjagd – und auch dieses Hundebeutewurfdingsda ließe sich garantiert noch irgendwie kreativ weiterverwenden. Hiermit macht man die Miezen scharf, true story.

 

Und die Moral von der Geschicht?

 

 

 

 

Sex ist überall. Und wir sind alle Tiere. Manche von uns sind halt domestizierter als andere.


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Feigenblatt auf der Erotikmesse München

München und Erotik sind ja normalerweise keine Begriffe, die man unmittelbar miteinander verknüpfen würde. Dass das auch anders geht, zeigte sich dieses Wochenende auf der Münchner Erotikmesse, zu der das Feigenblatt exklusiv eingeladen war.

Neben innovativem Spielzeug hebt sich die Messe besonders durch ihren bislang einzigartigen Nasszonenbereich hervor. Zunächst jedoch sahen mein charmanter Assistent Benjamin und ich uns in der Soft-SM-Area um.

Dieser Federbausch beispielsweise erweist sich auch in härteren Spielarten als durchaus robust, ebenso wie diese hochwertig verarbeiteten Lederaccessoires.

 

 

 

 

 

 

 

 

Alle, die mit Teabagging mehr verbinden als Earl Grey oder Gunpowder, werden den Monster Ball lieben lernen:

 

 

 

 

Ob dieser Lateinamerika-Export unseren Freunden von SelfDelve ernsthaft Konkurrenz machen wird, wagen wir allerdings zu bezweifeln:

 

 

 

 

 

 

Bringen diese Unterdruckpumpen eigentlich wirklich was? Sachdienliche Hinweise werden entgegen genommen:

 

 

 

 

Mit diesem Gagball hat Assistent Benjamin den Mund allerdings etwas zu voll genommen.

 

 

 

 

War es in Wirklichkeit nicht Gräfenberg, der den G-Punkt fand, sondern Gallileo? Der Explorer verspricht jedenfalls die Entdeckung ungeahnter Höhepunkte.

Um die Ecke gedacht haben auch die Entwickler des Elbow: die Weiterentwicklung eines klassischen Fleshlight soll eine leichte Biegung zur Maximierung der weiblichen Lust antrainieren. Assistent Benjamin bleibt da allerdings skeptisch.

Dann allerdings kam für das Feigenblatt der ganz große Augenblick: es gab viele Fische im Teich in der Jagd um den Hauptgewinn, den Preis für die wahrheitsgetreueste Darstellung sexueller Lust, doch nur einer konnte gewinnen:

Das Feigenblatt ist der Gewinner des S.E.X. (Serious Entertainment X-Rated) – Awards 2012! Wir freuen uns über diese riesige Ehre und feiern den Sieg nun bei einem guten Glas Wein (und diversen Rezensionsexemplaren) hier in München – wo man anscheinend doch Wert auf stilvolle Erotik zu legen scheint….


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Porn Film Festival 2011, Tag 3

Schwangerschaft und Sex ist vielleicht nicht direkt ein Tabuthema, aber doch ein klein bisschen anrüchig. Die Darstellerin, Filmemacherin und neuerdings auch Mutter Madison Young hat für „Pregnant with Desire“ mit vier schwangeren Frauen über ihr verändertes Lustempfinden gesprochen und sie beim Ausleben desselben beobachtet. Nach zwei lesbischen Paaren und einer einzelnen Frau endete der Film mit einem ebenso schrägen wie süßen Hetero-Paar, die von ihren Milch-Spielchen hingerissen waren. Dabei kam es auch zu meinem persönlichen Dialog des Jahres.

Er (kniet hinter ihr und penetriert sie).
Sie: „Fuck me.“
Er (hat nicht recht zugehört): „What?“
Sie: „FUCK ME!“

Anja versuchte danach, Rosa von Praunheims „Die Jungs vom Bahnhof Zoo“ anzuschauen, eine Dokumentation über Stricher. Weil der Saal voll war und der Film schon angefangen hatte, ließ sie es dann aber bleiben. Soll gut gewesen sein.

Ich hatte mich für ein Double Feature von Jincey Lumpkin entschieden, eine lesbische Pornografin aus New York, die mit mir offenbar eine Vorliebe für weiße Overknees teilt. Der Vorfilm aus ihrer „Taxi“-Reihe überzeugte mich, dass ich nie Sex in einem Taxi haben möchte – sah ziemlich unbequem aus. Interessiert hatte mich „Therapy“, bei dem Frauen auf der Therapeutenliege fiktiv über ihre Beziehungsprobleme und Sexfantasien erzählen. Eine nette Idee und schauspielerisch erstaunlich gut umgesetzt, aber leider laufen die Episoden immer nach dem gleichen Schema ab: Bizarr angezogene Frau erzählt, zieht sich aus und masturbiert. Auch technisch lief nicht alles rund (zu Beginn war das Mikro offenbar auf die Klimaanlage ausgerichtet, es brummte unerträglich). Als Serie von Kurzfilmen gut, als Langfilm nicht.

Nach einer Verschnaufpause ging es zurück in die sogenannte Goldene Ära. Willem van Batenburg drehte in den 70er-Jahren ein paar kurze Filme für den Super-8-Markt und später zwei in Spielfilmlänge. „Pruimenblosem“ von 1982 hatte alles, was den Retro-Freund begeistert: eine „Handlung“ um eine egoistische, sexbesessene Frau, einen Soundtrack zwischen Bilitis und Pink Floyd, viel Haar an Oberlippe, Achseln und Intimzone und miserabel gespielte weibliche Orgasmen. Bonus-Features: eine Verfolgungsjagd und die holländischen Dialoge („lekker“), die man einfach nicht recht ernst nehmen kann. Was im Vergleich zu heutigen Pornos auffällt, ist eine gewisse Verspieltheit. Batenburg und seine Hauptdarstellerin Diana de Koning erzählten ein bisschen von damals – Geschichten von gesprengte Budgets, Produzenten, die alle Einnahmen einsacken, und von stadtbekannten Gangstern geborgte Autos.

So, ein, zwei Filme stehen noch für den letzten Tag (heute) auf der Liste – gleich gehts wieder los Richtung Kottbusser Damm.


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Porn Film Festival 2011, Tag 2

Der zweite Tag des Pornfilmfestivals begann für mich gleich mit einem Highlight: in seinem Dokumentarfilm „Run Run it’s him“ blickt der Kanadier Matthew Pollack auf seine lange Karriere als Porn-Addict zurück, dabei spricht er sogar mit seinen (Ex-)Freundinnen darüber und zeigt ihnen Tapes mit seinen Lieblingsszenen. Der Film hat mich berührt, weil es bei Matthew eben nicht beim klischeehaften einsamen Wichsen vorm Bildschirm bleibt, sondern er seine Sucht öffentlich thematisiert und sogar etwas Kreatives aus seinem Pornokomsum macht. Der Film ist garniert mit wunderbaren Filmsplittern der 70er und frühen 80er, was mich gleich zu meinem nächsten Termin bringt: Beim Vortrag „Die läufige Leinwand“ zeigte Christian Kessler, Autor des gleichnamigen Buches, Schätze aus seiner Sammlung amerikanischer Pornoklassiker. Die waren so lustig, wild, skurril und phantasievoll gemacht, dass es schwer vorstellbar ist, mit welch lieblosen Produktionen wir heute abgespeist werden – die auf dem Festival gezeigten Filme sind da natürlich die Ausnahme.
Einen der Lieblinge von Christian Kessler, Alice in Wonderland, gab es noch am gleichen Abend zu sehen, die Vorstellung war allerdings schon seit Donnerstag Abend ausverkauft. Da ich den Film aber bereits kenne, teile ich die Begeisterung, aber sehen Sie selbst:

Leider verließ mich danach mein Sitzvermögen, Kollegin Theresa hatte aber mehr Ausdauer und ich werde ihre Eindrücke asap nachreichen. Für alle, die noch nie da waren: Das Festival läuft noch zwei Tage und für die Vor- und Nachmittagsvorstellungen gibt es meist auch noch Karten. Es lohnt sich aber auch, einfach so im Moviemento vorbeizuschauen, die bunte Atmosphäre in der Lounge zu genießen und sich davon zu überzeugen, wie wenig das Publikum hier mit den geifernden Windjackenträgern auf der Venus zu tun hat. Das hätte übrigens auch Christiane Ketteler tun sollen, die sich im Jungle-World-Special Die alte Leier mit der Lust über Sinn und Unsinn von feministischen Porno und der öffentlichen Aufführung von Pornos auslässt – dies allerdings nur anhand ihrer Recherche im Programmheft.


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Die Liebe und der Mega-Orgasmus. Ein Filmabend

Am Sonntag haben wir als Vorschau aufs PornFilmFestival zwei Filme von Jennifer Lyon Bell gezeigt, einer unserer Lieblings-Filmemacherinnen. Bei der Podiumsdiskussion kamen ein paar interessante Fragen auf. Jennifer erwähnte zum Beispiel, dass sie bei ihrem Spielfilm „Matinee“ die Sexszene nochmal drehen musste. Sie war zwar echt (so echt, wie eine Liebesszene vor der Kamera sein kann), sah aber nicht so aus – auch das kann also beim Filmen passieren.
Eine Frage bezog sich auf den Aufbau von „Skin like Sun“, der aus zwei aufeinanderfolgende Sexszenen eines Paares besteht. Ist das nicht pornomäßig, die Szenen einfach aneinanderzureihen? Im Gegenteil, meinte Jennifer: Anders als die Porno-Sehgewohnheiten suggerieren, ist das Liebesspiel in der Wirklichkeit meistens keine gerade Linie von null auf hundert, die notwendigerweise beim Mega-Orgasmus aufhört. Es gibt Unterbrechungen, es gibt ein Vorher und ein Nachher, und vielleicht gibt es ein zweites oder ein drittes Mal, wenn beide noch Lust aufeinander (und viel Zeit) haben.
Ich finde ja, man sollte „Skin like Sun“ Vierzehnjährigen in der Schule zeigen: „Liebe Kinder, so sieht Sex aus, wenn sich zwei Menschen wirklich gern haben. Vergesst die ganze Scheiße, die ihr auf YouPorn seht.“ Aber es dauert wahrscheinlich noch fünfzig Jahre, bis wir so weit sind.
Die lebendige Podiumsdiskussion und die anschließenden Gespräche im Foyer weckten bei uns die Vorfreude aufs PornFilmFestival. Dessen Leiter Jürgen Brüning brachte das eben fertig gewordene Programm mit. Wer sich für Sexualität und Film interessiert und in der Nähe von Berlin lebt (oder immer schon mal hinfahren wollte), sollte also unbedingt den 26. bis 30. Oktober im Kalender anstreichen. Ich kenne keinen Ort, wo man so viele angenehm schräge Menschen in entspannter Atmosphäre trifft wie dort. Aber wie immer lässt sich das Festival nur mit Selbstausbeutung finanzieren – jedes Mal könnte also das letzte Mal sein.


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Verbalerotik goes Burlesque

Schöne Reizwäsche und vielfältige Lovetoys finden Berliner und Touristen seit dem vergangenen Herbst am Hackeschen Markt. Dort verteilt sich der Fun Factory Store großzügig über zwei Etagen und trumpft obendrein mit einem schicken Design auf – entworfen von Karim Rashid.

Lesung mit Sandy BeachGestern Abend (18. August) lockte der Shop mit einem zusätzlichen Augenschmaus und Hörgenuss in den Loungebereich: Sandy Beach las einige explizite Textpassagen aus dem erotischen Roman „Fuck your Friends“ von Sophie Andresky vor.
Mit ihrer lockeren und koketten Art erntete sie ein paar Lacher und beflügelte die Fantasie. Die Autorin selbst präsentiert sich übrigens nie in der Öffentlichkeit und bleibt damit ein verborgenes Mysterium.

Gern hätten wir Sandy Beach auch noch tanzen gesehen, aber der Körper streikte – sie hatte sich ihren Zeh gebrochen (autsch!), sodass ein anderes Mitglied von „The Teaserettes“ in die Welt von Burlesque entführte. Spätestens jetzt kamen auch die männlichen Gäste ganz auf ihre Kosten.

Tänzerin von "The Teaserettes"Nur schade, dass diese Show sehr sehr kurz war. Beim nächsten Mal kann es gerne etwas mehr sein. Und da sich der Loungebereich als gemütlicher Veranstaltungsort für Erotisches anbietet, wird es sicherlich ein nächstes Mal geben.

www.funfactory-store.com


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Vormittags im Pornokino

Wir sind gerade schwer im Festival-Fieber – anders lässt es sich nicht erklären, warum wir Samstag Vormittag früh aufstehen, quer durch die Stadt fahren, um ins Kino zu gehen … „Malice in Lalaland“ ist eine mit fiesem Humor inszenierte Geschichte, bei der (M)Alice mit Hilfe eines ziemlich krank aussehenden Kaninchens aus einer psychiatrischen Klinik entkommt und in einem ziemlich versauten Wunderland herumstreift. Mit seinen wirklich witzigen und gut umgesetzten Ideen hätte er einer der Redaktionslieblinge werden können, wenn nicht die Fantasie bei den von Metal-Musik begleiteten Sexszenen aufgehört hätte – es war halt doch nur ein Mainstream-Porno, wenn auch ein außergewöhnlich guter. Erstaunlich, dass die Menschheit noch nicht ausgestorben ist, denn Männer können bekanntlich nur über dem Gesicht einer Frau zum Orgasmus kommen.

Nachdem Anja großspurig verkündet hat, dass es hier noch Filmtipps geben wird, muss ich wohl liefern. Es hat sich ein bisschen Festival-Müdigkeit eingeschlichen, aber schaun wir mal: Theresa empfiehlt den Vortrag über die amerikanische Swingerszene, während sich die geistig in der Vergangenheit hängen Gebliebenen (wie ich zum Beispiel) eher für das Trash-Porno-Musical „Misty Beethoven! The Musical“ interessieren werden (beides um 14 Uhr). Und schließlich läuft zur gleichen Zeit auch noch „Max and the City“, was ein ziemlich guter Schwulenfilm sein soll (produziert hat ihn die Firma des Festival-Gründers Jürgen Brüning, Wurstfilm).

Nicht alles ist Spaß hier, und bei „Die Entgleisten“ (16:30 Uhr) geht es um ein sehr ernstes Thema: Missbrauch.

Was zur Hölle sind „transgressive sexuelle Fantasien“? Laut Programmheft treffen sie in „Carnal Fluidity“ (18:30) auf „gebrochene, verzerrte Alptraumbilder“. Könnte interessant werden, könnte auch totaler Mist sein – hm.

Um 22:30 stellt das Festival die Britin Anna Span als „Filmmaker in Focus“ vor. Und nachts um 0:15 Uhr wird es bei den Kurzfilmen „Fetish: Expect the Unexpected“ nochmal ziemlich absurd, wenn die Bilder vom einstürzenden World Trade Center oder Schallplatten von Beethoven (schon wieder Beethoven!) als Anturner fungieren.

Vielleicht gehen wir aber auch nach Hause und sehen uns ein paar Märchenfilme an.