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Liebe machen – im Öffentlich-Rechtlichen!

Der MDR hat zusammen mit dem kleinen Bruder SWR eine fünfteilige Aufklärungsserie zum Buch „Make Love“ produziert – wir hatten den empfehlenswerten Ratgeber in Heft 28 vorgestellt.

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Mit Klick auf das Bild können Sie sich den Trailer anschauen.

Letzte Woche durfte ich bei einer Pressevorführung die erste Folge ansehen und die Frau dahinter, Ann-Marlene Henning, kennenlernen. In der ersten Episode des Mehrteilers geht es um ein junges Paar, das seit 10 Jahren glücklich zusammenlebt, aber kaum noch Sex hat. Zusammen mit der Sexualtherapeutin gehen sie der Ursache auf den Grund und erfahren Neues über die Beziehungsdynamik, aber auch über weibliche und männliche Lustzonen und wie man sie erweckt. Die Sendung ist gut, zeigt echte Menschen und ihre Probleme, ganz ohne Sensationslust und Pseudowitz. Die Theraupeutin ist einfühlsam und angenehm tabulos, ohne Schamgrenzen zu verletzen. Das Wagnis, im Fernsehen offen über Sexualiät zu sprechen, scheint aufzugehen – wenn der Jugendschutz mitspielt.

Aber warum findet erst jetzt ein öffentlich-rechtlicher Sender den Mut, sich diesem wichtigen Thema in angemessener Form anzunehmen? Jahrzehnte nach Oswalt Kolle fand das Thema – bis auf wenige Ausnahmen – nur noch in den Schmuddelformaten der Privaten seinen Platz. Das Produktionsteam der renommierten Dokumentarfilmer Gebrüder Beetz fand dann auch, dass ein filmischer Umgang mit Sexualiät gewöhnungsbedürftig und Neuland war. Neuland? – haben die alle keinen Sex?

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 Es ist traurig, dass das Zeigen und Reden über „ganz normalen“ Sex zu etwas Außergewöhnlichem geworden ist. Besonders für Heranwachsende muss es schwierig sein, die eigenen sexuellen Bedürfnisse vernünftig einzuordnen, wenn Shades of Grey und Swingerclub-Reportagen die scheinbare Realität abbilden. Insofern finde ich das hier schonmal einen guten  Anfang – und gönne dem MDR das eine oder andere Skandälchen, damit die Quoten stimmen.

Start der Serie ist am Sonntag, 3. November umd 22:20 im MDR. Hier sind die Sendetermine und Wiederholungen für alle Episoden.

  • Folge 1: Was ist guter Sex
    Sonntag, 3. November, 22:20, MDRWiederholung am Mittwoch, 6. November um 22 Uhr im SWR.
  • Folge 2: Wie sag‘ ichs meinem Kind?
    Sonntag, 10. November, 22:20, MDR
    Wiederholung am Mittwoch, 13. November um 22:15 Uhr im SWR.
  • Folge 3: Liebe allein oder zu zweit
    Sonntag, 17. November, 22:20, MDR
    Wiederholung am Mittwoch, 20. November um 22 Uhr im SWR.
  • Folge 4: Wenn unten nicht macht, was oben will
    Sonntag, 24. November, 22:20 Uhr, MDR
    Wiederholung am Mittwoch, 27. November um 22 Uhr im SWR.
  • Folge 5: Sex ist Kommunikation
    Sonntag, 1. Dezember, 22:20 Uhr, MDR
    Wiederholung am Mittwoch, 4. Dezember um 22 Uhr im SWR.

Die Dokuserie wird crossmedial begleitet – im Radio und im Web. Das gesamte Programm und Hintergrundinformationen sind ab 3 November abrufbar unter www.make-love.de.

Am 30. Oktober 2013 von Anja Braun · Kategorien : Kulturtipps


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Sexgequatsche öffentlich-rechtlich

Was passiert, wenn sich die „Frau mit Penetrationshintergrund“ Paula Lambert vollbekleidet in ein Bett legt, und bei lecker Weinchen jeweils zwei besonders ausgewählte Herren der Schöpfung getrennt voneinander zu „sexy Themen“ befragt? Laut ZDF Kultur folgendes:

Moderator Nilz Bokelberg bekennt sich zum „zweckgebundenen Schauen von Pornos“. Der Arthouse-Porno-Regisseur RP Kahl findet es schwierig, Sex im Film darzustellen.

Das klingt dann unter anderem so:

Analverkehr? Steh ich nich so drauf, sag ich jetz mal so, also ganz ehrlich.
– Ih ne, hab ich auch noch nie gemacht. Stell ich mir aber auch unsexy vor, also für beide jetzt. Ich brauch doch meinen Platz!

Ho ho ho ho ho. Lieber schnell das Thema wechseln und stattdessen eine Biolek-Anekdote über lecker Weinchen auftischen. Oder mal eben einen Porno nacherzählen, am Besten, ohne den Titel zu nennen oder gar eine (ZDF-gerechte) Sequenz einzublenden, damit der Zuschauer sich ein Bild davon machen könnte, was den Interviewten nach Eigenaussage so wuschig macht. Oder wie das VIVA-Ausnahmetalent selbst bescheinigt:

Spannender wirds leider nicht.

Ja, schade eigentlich. Man kann eben auch alles ein bisschen zerreden.

Im Bett mit Paula, Sonntags 22 Uhr auf ZDF Kultur, wer sich die erste Folge dennoch ansehen will, kann das hier in der ZDF – Mediathek tun.

Am 10. Juli 2012 von Theresa Lachner · Kategorien : Kulturtipps


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Girl on Girls

Jede Generation bekommt die Carrie Bradshaw, die sie verdient.

Und wahrscheinlich ist nicht nur mir vergangenen Sonntag ein kleines bisschen Restalkohol hochgekommen, als das Original in Sex and the City 2, inzwischen auf den Großteil seiner Gesichtsmimik verzichtend (wahrscheinlich, um weiterhin von Mr.Big konsequent „Kleines“ genannt werden zu können) in sekündlich wechselnden Outfits desorientiert durch die arabische Wüste gestolpert ist, um ihre „strong female voice“ ausgerechnet in einem muslimischem Buchclub wiederzufinden, in dem gerade ein Wechseljahrsbeschwerden-Bestseller diskutiert wird. In Louis Vuitton unter dem Niquab, selbstredend.

Denn auch, wenn es bestimmt ein paar Jahre ganz gut geklappt hat, uns einzureden, Female Emowerment und all sowas würde am Besten auf arschteuren Zwölf-Zentimeter-Absätzen funktionieren und kann, genau wie Sex, als frei verfügbare Ware in der Boutique umme Ecke konsumiert werden, auch wenn wir vermutlich alle tatsächlich etwas unverblümter über das mit dem Reinstecken plaudern als vor fünfzehn Jahren, wenn Single Girls weltweit sich jetzt nicht mehr für ihren Sexualtrieb schämen, sondern vermutlich eher dafür, dass sie ihn nicht 24/7 mit komplett Fremden ausleben, auch wenn vielleicht dieser und die meisten Texte da weiter unten hier nicht stehen würden, hätte ich das Zeug nicht ab meinem vierzehnten Lebensjahr verschlungen wie eine Ersatzreligion (und, hust, sogar meine Facharbeit im Englischleistungskurs darüber geschrieben) – Sex and the City hat sich selbst abgeschafft.

Denn diese Serie über Frauen, die zum Großteil von schwulen Männern geschrieben wurde und so eine konsumorientierte, mächtige Weiblichkeit in verknöcherten Designerkörpern feiern wollte, ist uns allen viel zu sehr in Fleisch und Blut übergegangen. Frauen, die in hohen Hacken beim obligatorischen Cosmopolitan über Ficken und Schuhe reden? Come on! Wir alle haben die Realität ein paar mal zu oft dabei ertappt, wie sie daran scheitert, die Kunst zu imitieren. Weil Castrop-Rauxel nicht New York ist. Und Deichmann nicht Manolo Blahnik.

Zum Glück hat HBO eine neue Allzweckwaffe gefunden: Lena Dunham. Die 25-Jährige spielt nicht nur die Hauptrolle in Girls, sondern hat die Serie auch geschrieben und von Loser-Comedy-König Judd Apatow produzieren lassen.

Hanna Horvath ist die Sorte Frau, die sich so konsequent selbst sabotiert, dass man sie gleichzeitig lieben und hassen muss – weil sie einem so viel näher steht, mit ihren bekloppten Männergeschichten und ihren prekären Lebensverhältnissen. Besonders glamourös ist das natürlich nicht. Aber das ist die Realität ja generell eher selten.

Ach ja: diverse Jungsfreunde haben mich gefragt, warum sie, „also als Mann jetzt“, sich das ansehen sollten. Mit dem Titel und den ganzen Frauen die da dauernd reden und alles. Gegenfrage: Wer feiert denn seit fünf Staffeln Mad MEN mit euch Altherrenwitze und Christina Hendricks Hüften ab? Wer versucht, (vergeblich, zugegebenermaßen) bei Boardwalk Empire nicht einzunicken, wenn mittelschirche Typen heimlich Schnaps verticken und sich gegenseitig abschießen, während ihre Frauen entweder erzkatholisch oder sexuell aktiv, und somit sowieso geisteskrank sind? Äh, genau. Wie war noch gleich die Frage?


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SHAME

Zugegebenermaßen bin ich da ja vielleicht mal wieder die grundsätzlich falsche Ansprechpartnerin: die Faszination Fassbender hat sich mir noch nie ganz erschlossen. Dieser Missing Link der Evolution zwischen Jürgen Milski und Ewan McGregor ließ mich von Anfang an kalt, und daran ändert sich auch jetzt nichts.

Auch wenn er den kleinen Michl auf Großleinwand vor mir hin- und herschwenkt und sein Gesicht knietief im Popo seiner Thaimasssasch-Expertin vergräbt, regt sich da bei mir genau: nix. Aber ich glaube, das soll so.

Denn Brandon, Fassbenders Charakter im vielgepriesenen SHAME, ist keiner, der einem ans Herz wächst oder irgendwann doch noch sympathisch wird. Er ist ein Getriebener, ein hochzivilisiertes Tier auf der ständigen Jagd nach Frischfleisch. Ein American Psycho der Generation Youporn, der fickt, anstatt zu morden und nicht ausbrechen kann aus seinem Kreislauf aus Sex und Leere.

Geil ist das auf keinem Auge, weder für den Zuschauer, noch für ihn: der petit mort bringt keinerlei Erlösung, sein Gesichtsausdruck ist derselbe verkrampft-verbissene, mit dem Fassbender schon Jane Eyre rumgekriegt hat – und dennoch ist es gerade dieses minimalistische Spiel, das in Kombination mit den ruhigen Bildern so nachhaltig zu verstören weiß.

Es gibt keine Wandlung oder Läuterung in SHAME, was bleibt, sind Fragen: Ist dieser Brandon so ein Arschloch, weil er sexsüchtig ist, oder ist er sexsüchtig, weil er so ein Arschloch ist? Was soll das überhaupt sein, Sexsucht? Ist es mehr als ein überstrapazierter, diffuser Begriff, der für alles mögliche herhalten muss, wie etwa das gute alte BURNOUT? Eine billige Ausrede für die Woods und Schwarzeneggers dieser Welt, oder doch eine ernstzunehmende Krankheit? Und wenn ja, wo verläuft die Grenze zwischen gesund und pervers?

A nymphomaniac is a woman who has more sex than you do heißt es ironisch im Kinsey-Report, ein Psychiater von der Harvard Medical School definiert als „sexabhängig“, Menschen, die über einen Zeitraum von sechs Monaten wöchentlich mindestens sieben Orgasmen haben und sich täglich ein bis zwei Stunden mit solchen Aktivitäten beschäftigen. (Weiß übrigens alles Wikipedia)

Neue Erkenntnisse also gleich null. Sieben Orgasmen pro Woche hat glaub ich so ziemlich jeder Typ, mit dem ich in den letzten 17 Jahren über Selbstbefriedigung geredet habe, und unsere allseits beliebte und vielzitierte Statistik zeigt da ja ganz ähnliches.

Ihr Schweine! Schaut euch SHAME im Kino an. Dann fühlt ihr euch wieder romantisch und wunderbar normal.

Allein wegen Carey Mulligan, die langsam aber sicher zur tollsten Frau der Welt wird.

SHAME, in Österreich ab 09.März im Kino, in Deutschland bereits angelaufen.

Am 7. März 2012 von Theresa Lachner · Kategorien : Kulturtipps