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Porn Film Festival 2011, Tag 3

Schwangerschaft und Sex ist vielleicht nicht direkt ein Tabuthema, aber doch ein klein bisschen anrüchig. Die Darstellerin, Filmemacherin und neuerdings auch Mutter Madison Young hat für „Pregnant with Desire“ mit vier schwangeren Frauen über ihr verändertes Lustempfinden gesprochen und sie beim Ausleben desselben beobachtet. Nach zwei lesbischen Paaren und einer einzelnen Frau endete der Film mit einem ebenso schrägen wie süßen Hetero-Paar, die von ihren Milch-Spielchen hingerissen waren. Dabei kam es auch zu meinem persönlichen Dialog des Jahres.

Er (kniet hinter ihr und penetriert sie).
Sie: „Fuck me.“
Er (hat nicht recht zugehört): „What?“
Sie: „FUCK ME!“

Anja versuchte danach, Rosa von Praunheims „Die Jungs vom Bahnhof Zoo“ anzuschauen, eine Dokumentation über Stricher. Weil der Saal voll war und der Film schon angefangen hatte, ließ sie es dann aber bleiben. Soll gut gewesen sein.

Ich hatte mich für ein Double Feature von Jincey Lumpkin entschieden, eine lesbische Pornografin aus New York, die mit mir offenbar eine Vorliebe für weiße Overknees teilt. Der Vorfilm aus ihrer „Taxi“-Reihe überzeugte mich, dass ich nie Sex in einem Taxi haben möchte – sah ziemlich unbequem aus. Interessiert hatte mich „Therapy“, bei dem Frauen auf der Therapeutenliege fiktiv über ihre Beziehungsprobleme und Sexfantasien erzählen. Eine nette Idee und schauspielerisch erstaunlich gut umgesetzt, aber leider laufen die Episoden immer nach dem gleichen Schema ab: Bizarr angezogene Frau erzählt, zieht sich aus und masturbiert. Auch technisch lief nicht alles rund (zu Beginn war das Mikro offenbar auf die Klimaanlage ausgerichtet, es brummte unerträglich). Als Serie von Kurzfilmen gut, als Langfilm nicht.

Nach einer Verschnaufpause ging es zurück in die sogenannte Goldene Ära. Willem van Batenburg drehte in den 70er-Jahren ein paar kurze Filme für den Super-8-Markt und später zwei in Spielfilmlänge. „Pruimenblosem“ von 1982 hatte alles, was den Retro-Freund begeistert: eine „Handlung“ um eine egoistische, sexbesessene Frau, einen Soundtrack zwischen Bilitis und Pink Floyd, viel Haar an Oberlippe, Achseln und Intimzone und miserabel gespielte weibliche Orgasmen. Bonus-Features: eine Verfolgungsjagd und die holländischen Dialoge („lekker“), die man einfach nicht recht ernst nehmen kann. Was im Vergleich zu heutigen Pornos auffällt, ist eine gewisse Verspieltheit. Batenburg und seine Hauptdarstellerin Diana de Koning erzählten ein bisschen von damals – Geschichten von gesprengte Budgets, Produzenten, die alle Einnahmen einsacken, und von stadtbekannten Gangstern geborgte Autos.

So, ein, zwei Filme stehen noch für den letzten Tag (heute) auf der Liste – gleich gehts wieder los Richtung Kottbusser Damm.


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Die Liebe und der Mega-Orgasmus. Ein Filmabend

Am Sonntag haben wir als Vorschau aufs PornFilmFestival zwei Filme von Jennifer Lyon Bell gezeigt, einer unserer Lieblings-Filmemacherinnen. Bei der Podiumsdiskussion kamen ein paar interessante Fragen auf. Jennifer erwähnte zum Beispiel, dass sie bei ihrem Spielfilm „Matinee“ die Sexszene nochmal drehen musste. Sie war zwar echt (so echt, wie eine Liebesszene vor der Kamera sein kann), sah aber nicht so aus – auch das kann also beim Filmen passieren.
Eine Frage bezog sich auf den Aufbau von „Skin like Sun“, der aus zwei aufeinanderfolgende Sexszenen eines Paares besteht. Ist das nicht pornomäßig, die Szenen einfach aneinanderzureihen? Im Gegenteil, meinte Jennifer: Anders als die Porno-Sehgewohnheiten suggerieren, ist das Liebesspiel in der Wirklichkeit meistens keine gerade Linie von null auf hundert, die notwendigerweise beim Mega-Orgasmus aufhört. Es gibt Unterbrechungen, es gibt ein Vorher und ein Nachher, und vielleicht gibt es ein zweites oder ein drittes Mal, wenn beide noch Lust aufeinander (und viel Zeit) haben.
Ich finde ja, man sollte „Skin like Sun“ Vierzehnjährigen in der Schule zeigen: „Liebe Kinder, so sieht Sex aus, wenn sich zwei Menschen wirklich gern haben. Vergesst die ganze Scheiße, die ihr auf YouPorn seht.“ Aber es dauert wahrscheinlich noch fünfzig Jahre, bis wir so weit sind.
Die lebendige Podiumsdiskussion und die anschließenden Gespräche im Foyer weckten bei uns die Vorfreude aufs PornFilmFestival. Dessen Leiter Jürgen Brüning brachte das eben fertig gewordene Programm mit. Wer sich für Sexualität und Film interessiert und in der Nähe von Berlin lebt (oder immer schon mal hinfahren wollte), sollte also unbedingt den 26. bis 30. Oktober im Kalender anstreichen. Ich kenne keinen Ort, wo man so viele angenehm schräge Menschen in entspannter Atmosphäre trifft wie dort. Aber wie immer lässt sich das Festival nur mit Selbstausbeutung finanzieren – jedes Mal könnte also das letzte Mal sein.


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Vormittags im Pornokino

Wir sind gerade schwer im Festival-Fieber – anders lässt es sich nicht erklären, warum wir Samstag Vormittag früh aufstehen, quer durch die Stadt fahren, um ins Kino zu gehen … „Malice in Lalaland“ ist eine mit fiesem Humor inszenierte Geschichte, bei der (M)Alice mit Hilfe eines ziemlich krank aussehenden Kaninchens aus einer psychiatrischen Klinik entkommt und in einem ziemlich versauten Wunderland herumstreift. Mit seinen wirklich witzigen und gut umgesetzten Ideen hätte er einer der Redaktionslieblinge werden können, wenn nicht die Fantasie bei den von Metal-Musik begleiteten Sexszenen aufgehört hätte – es war halt doch nur ein Mainstream-Porno, wenn auch ein außergewöhnlich guter. Erstaunlich, dass die Menschheit noch nicht ausgestorben ist, denn Männer können bekanntlich nur über dem Gesicht einer Frau zum Orgasmus kommen.

Nachdem Anja großspurig verkündet hat, dass es hier noch Filmtipps geben wird, muss ich wohl liefern. Es hat sich ein bisschen Festival-Müdigkeit eingeschlichen, aber schaun wir mal: Theresa empfiehlt den Vortrag über die amerikanische Swingerszene, während sich die geistig in der Vergangenheit hängen Gebliebenen (wie ich zum Beispiel) eher für das Trash-Porno-Musical „Misty Beethoven! The Musical“ interessieren werden (beides um 14 Uhr). Und schließlich läuft zur gleichen Zeit auch noch „Max and the City“, was ein ziemlich guter Schwulenfilm sein soll (produziert hat ihn die Firma des Festival-Gründers Jürgen Brüning, Wurstfilm).

Nicht alles ist Spaß hier, und bei „Die Entgleisten“ (16:30 Uhr) geht es um ein sehr ernstes Thema: Missbrauch.

Was zur Hölle sind „transgressive sexuelle Fantasien“? Laut Programmheft treffen sie in „Carnal Fluidity“ (18:30) auf „gebrochene, verzerrte Alptraumbilder“. Könnte interessant werden, könnte auch totaler Mist sein – hm.

Um 22:30 stellt das Festival die Britin Anna Span als „Filmmaker in Focus“ vor. Und nachts um 0:15 Uhr wird es bei den Kurzfilmen „Fetish: Expect the Unexpected“ nochmal ziemlich absurd, wenn die Bilder vom einstürzenden World Trade Center oder Schallplatten von Beethoven (schon wieder Beethoven!) als Anturner fungieren.

Vielleicht gehen wir aber auch nach Hause und sehen uns ein paar Märchenfilme an.