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Münchner Sittenbuch: Liebe, Laster und Affären

Callgirl-Skandale, Morde aus Lust und Eifersucht, Playboys und immer wieder Zensur und öffentliche Entrüstung: Die Geschichten, die Karl Stankiewitz aus seiner Heimatstadt erzählt, sind nicht nur für Münchner spannend. Dabei schöpft er vor allem aus seinem langen Berufsleben als Journalist – vom Verbot einer unzüchtigen Ballettinszenierung 1948 bis zum Sedlmayr-Mord 1990. Anfangs- und Schlusskapitel ziehen den Bogen vom ersten Bordell Münchens 1437 bis zur Gegenwart.
Die zeitgenössischen Berichte kommen ohne die im Boulevardjournalismus so gern eingenommene moralisierende Heuchelei aus; Stankiewitz nimmt eindeutig Partei für Liberalität. Die manchmal ohne Vorwissen etwas undurchsichtigen Affären weisen weit über das Lokalgeschichtliche oder das bloß Interessante hinaus: Sie zeichnen München im Widerstreit zwischen Lebensfreude und provinzieller Sittenstrenge.
„Damals schlimm, heute lächerlich“, überschreibt Oswalt Kolle sein Vorwort. Das ist keine Altersmilde – Stankiewitz dokumentiert unnachsichtig die grausame Prüderie der guten alten Zeit.

Am 7. Oktober 2007 von Herbert Braun · Kategorien : Sachbücher


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Werner Bartens, Sebastian Herrmann: Alles über das Eine

Zwei Wissenschaftsredakteure der Süddeutschen Zeitung haben nach dem Vorbild von „Schotts Sammelsurien“ Wissenswertes, Überflüssiges und Seltsames rund um Sex und Liebe zusammengetragen. Bildungslücken schließen die Erklärungen von Szene-Begriffen und Abkürzungen, nach denen man sich noch nie zu fragen getraut hat. So erfahren die Leser, was sich hinter einem „Feeder“ verbirgt, der eine „BBW“ sucht. Das Kapitel „Was eine gute Ehefrau ausmacht“ vermittelt praktische Ratschläge für die Partnerschaft, damit die Ehe länger hält als die zwischen Britney Spears und ihrem Jugendfreund Jason Alexander, die nach rekordverdächtigen 55 Stunden geschieden wurde.
Neidisch dürften die männlichen Leser die Liste ihrer Geschlechtsgenossen studieren, die angeblich mit mehr als 10.000 Frauen geschlafen haben. Dazu zählt die Porno-Legende John Holmes, der zu seinen besten Zeiten täglich 1,9 Frauen beglücken musste. Und so findet jeder in diesem sinnfreien Kuriositätenkabinett Kurzweil oder Anregungen für den nächsten Party-Small-Talk.

Am 7. Juli 2007 von Caroline Pritzel · Kategorien : Sachbücher


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Helen Fisher: Warum wir lieben

Zugegeben: Der Kauf des Buchs entsprang heftigstem Liebeskummer. Zu wissen, warum es ausgerechnet diese Frau sein musste, könnte ein Trost sein, eine Hilfe zur Bewältigung des Schmerzes. Und genau so kam es auch. Ohne Anspruch auf absolute Wahrheit erklärt die Anthropologin Helen Fisher anhand ihrer neurologischen Studien, was uns dazu veranlassen könnte, genau diese eine Person körperlich und – streng getrennt – gefühlsmäßig so sehr zu begehren. Immer wieder leitet sie Themen mit wunderbaren Zitaten aus Liebeslyrik und -prosa ein und bricht damit den naturwissenschaftlichen Duktus, der ohnehin nicht ihre Sache ist. Im zweiten Teil des Buches beschreibt die Forscherin plausibel, welche Urtriebe in uns wüten, wenn uns das geliebte Scheusal für immer den Rücken zudreht.
Es tut gut zu lesen, dass dieses grausame Gefühlschaos deterministische Züge trägt. Wir sind Nutznießer, aber auch Opfer unserer Hormone, lautet die Botschaft. Beeindruckend: Fisher legt schlüssig dar, warum das Gegenteil von Liebe nicht etwa Hass, sondern nur Gleichgültigkeit sein kann.

Am 7. April 2007 von Herbert Braun · Kategorien : Sachbücher


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Miriam Pobitzer: De bello phallico

Voller Irrtümer und tragischer Missverständnisse steckt die Geschichte des Wissens über Sexualität – die der weiblichen noch mehr als die der männlichen. Zu Beginn Ihres Buches entwirft die Südtiroler Sexualwissenschaftlerin anhand steinzeitlicher Fruchtbarkeitsgöttinnen und Phallussymbole die gewagte Utopie einer lustvollen, matriarchalischen Vorzeit. Mehr Substanz gewinnt die These von der verlorenen (weiblichen) Lust, wenn Pobitzer Fundstücke und Texte der Antike analysiert. Dem Mittelalter diagnostiziert die Autorin ein Auseinanderdriften männlicher und weiblicher Sexualität. Auf diesen Ursprung führen ausführliche Kapitel Hexenverfolgung, Masturbationsverbot und Hysterie zurück. Kurze Abschnitte über Volkslieder und Badeanstalten stehen für die immer wieder durchbrechende Sinnenfreude.
Auch wenn manches Detail zum Widerspruch auffordert: „De bello phallico“ führt kenntnisreich durch die Geschichte der Lust – und macht damit die Vorbedingungen der eigenen Sexualität deutlich.

Am 7. April 2007 von Herbert Braun · Kategorien : Sachbücher


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Christine Janson: Single-Frauen dürfen viele Frösche küssen

Nicht noch ein Ratgeber für Single-Frauen – der Titel des Ratgebers von Christine Janson klingt beliebig. Doch beim Lesen stellt sich schnell heraus, dass die Autorin originell zu Werk geht und aus einem großen persönlichen Erfahrungsvorrat schöpfen kann. Den größten Teil des Buchs nehmen praktische Tipps ein, die konkrete Ratschläge für Wohlbefinden, Partnersuche und Sex (auch mit sich selbst) bieten. Durchsetzt sind sie mit Trostpflastern, Notprogrammen – etwa gegen die Idealisierung von Beziehungen und Ex-Partnern – und Übungen, zum Beispiel ein Date mit sich selbst zu planen.
Seinen Charme liebenswerter Ehrlichkeit bezieht das Buch nicht zuletzt aus den eingestreuten Erfahrungsberichten über Irrwege und Glücksgriffe der Autorin. Abschweifungen gehören bei diesem persönlichen Stil freilich dazu: Nicht jede Leserin wird mit dem Tipp etwas anfangen können, sich zur Shiatsu-Therapeutin umschulen zu lassen. Allerdings bleiben jede Menge wertvolle Anleitungen, wie man das Leben mit sich selbst schöner machen kann – die übrigens auch Nicht-Single-Frauen zur Beschäftigung mit sich selbst inspirieren.

Am 7. Januar 2007 von Anja Braun · Kategorien : Sachbücher


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David Schnarch: Die Psychologie sexueller Leidenschaft

Der amerikanische Therapeut mit dem eigenwilligen Namen hat mit seinen pointierten Thesen für einiges Aufsehen gesorgt: Paare sollen nicht miteinander verschmelzen, sondern sich differenzieren. Intimität ist nicht gleichbedeutend mit kuscheliger Harmonie. Viele Paare finden erst nach Jahrzehnten des Zusammenlebens zu ihrer erotischen Erfüllung. Sex ist nicht einfach nur ein natürlicher, biologischer Vorgang. Und gegen Lustlosigkeit im Ehebett helfen keine Tricks und Techniken.
Schnarchs Leistung ist es, Paar- und Sexualtherapie miteinander zu verheiraten. Sein mit ausführlich geschilderten Fallbeispielen durchsetztes, voluminöses Buch ist kein allwissender Ratgeber, das Patentlösungen für jede noch so aussichtslose Lage anbietet. Das Buch verlangt aufmerksame und kritische Leser, die Grundkoordinaten ihres Lebens überdenken wollen. Auch wenn der gesunde Menschenverstand oft Beifall klatscht, gibt es hier keine Binsenweisheiten. Schnarch überrascht, provoziert und fordert: „Vertrauen Sie mir nicht“ – vertrauen Sie sich selbst.

Am 7. Oktober 2006 von Herbert Braun · Kategorien : Sachbücher


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Jean Sincero: Lust auf Sie

Während die weitaus meisten Männer nach der Pubertät Blicke zum anderen Ufer scheuen, sind Frauen hier experimentierfreudiger. Jen Sinceros Ratgeber wendet sich an heterosexuelle Frauen, die es einmal mit Ihresgleichen versuchen wollen.
Die nebenberufliche Comedy-Künstlerin formuliert direkt („Möse“ und „Arsch“) und nimmt jeden Gag mit – was manchmal nervt, aber oft lustig ist, etwa wenn sie das erregte weibliche Geschlecht „vergnügter Hamster“ nennt oder sehr unverkrampft zu Safer Sex rät. Hat man sich an diesen Girlie-mäßigen Schreibstil gewöhnt, entpuppt sich „Lust auf sie“ als ausgesprochen kompetenter und auch einfühlsamer Ratgeber, der von Körperkunde über Sextechniken bis hin zur Rückkehr (oder auch nicht) ins Heteroleben alle Aspekte lesbischer Experimente abdeckt. Sincero stützt sich auf medizinische und psychologische Tipps und vor allem auf die Erfahrungen Dutzender befragter Frauen. Auch Männer können hier herausfinden, was Frauen wirklich Spaß macht. Der Anhang mit Büchern, (Web-) Adressen und Filmen ist an deutschsprachige Leser angepasst.

Am 1. Juli 2006 von Herbert Braun · Kategorien : Sachbücher


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Anna Alter/Perrine Cherchève: Der sudanesische Schmetterling

Zwei Redakteurinnen einer französischen Frauenzeitschrift haben anhand von Forschungsergebnissen, Zitaten und Anekdoten die Geschichte des Liebeslebens vom Australopithecus bis zur Gegenwart gesammelt. Ziel war keine wissenschaftliche Übung, sondern ein äußerst gebildetes und unterhaltsames Brevier. Der flockig-leichte, pointenreiche Schreibstil sucht stets nach ironischen und geistreichen Wendungen, manchmal auch ein wenig auf Kosten der Sache. Unangenehm fällt nur auf, dass die Autorinnen fast ausschließlich französische Quellen kennen, wenn es um die europäische Beischlafkultur geht.
Die Autorinnen dröseln das Thema nach den Spielarten der körperlichen Liebe auf; so geht es in den ersten beiden Kapiteln um den uralten Streit zwischen tierischer a-tergo-Stellung und der gerade noch erlaubten Missionierung der Gemahlin. Zur Sprache kommen auch Themen wie Homosexualität und Masturbation – Letzteres ein eindrucksvoller Beleg für gesellschaftlichen Wahnsinn, der erst mit der Aufklärung voll einsetzte und an dem Ärzte mehr mitwirkten als Geistliche.

Am 1. Juli 2006 von Herbert Braun · Kategorien : Sachbücher


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Bianca Krause/Christoph Brandhurst: Ich nenne es „da unten“

„Frauen erzählen über ihre Vagina, die Lust und den Sex“, lautet der Untertitel dieses Taschenbuchs. Wer Günther Hunolds Schmuddel-Klassiker „Schulmädchen-Report“ kennt, wird sich sofort daran erinnert fühlen: Intime Sex-Geständnisse, von denen der Leser rote Ohren bekommt, teils saftige, teils schauderhafte Geschichten: etwa über das schüchterne Mädchen, das von ihrem ersten Freund vergewaltigt wurde und heute nur bei brutalen SM-Misshandlungen auf ihre Kosten kommt; die dauergeile Hausfrau und Hobbyhure; oder die frigide Hausfrau und dreifache Mutter.
Ebenso wie der „Schulmädchen-Report“ kommt dieses Buch im Mäntelchen der seriösen Sexualforschung daher, scheint aber eher als gedrucktes Aphrodisiakum gemeint. So stellt sich die Frage, ob die bislang vor allem in der Fetisch-Szene aufgefallenen Autoren die Interviews nicht zumindest kräftig nachgewürzt haben, zumal sie auch nichts über ihre Quellen und Methoden erzählen. Immerhin: Die sexuelle Fantasie wird angeregt. Wenn die Geschichten erfunden sind, sind sie nicht schlecht erfunden.

Am 1. Juli 2006 von Herbert Braun · Kategorien : Sachbücher


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Verena Böning/Achim Wüsthof: Sexpedition

Ja, natürlich: Sie wissen schon alles über Sex. In „Sexpedition“ werden Sie kaum etwas finden, was nicht schon in drei Dutzend anderen Sexratgebern steht. Trotzdem: Angenehm unaufgeregt räumt der Arzt Dr. Wüsthof mit einschlägigen Mythen, Komplexen, Selbstbetrug und Lügen auf. Er verpackt medizinisches und psychologisches Wissen in lesbare Texte und gibt Ratschläge für die Praxis.
Fragen an den Leser und Aussagen von Männern und Frauen zwischen 15 und 35 helfen, Standpunkt zu beziehen. An diese Altersgruppe richtet sich das Buch auch, das sich trotz seiner knalligen Optik nicht als Teenager-Aufklärungsbuch versteht. Denn Gestalterin Verena Böning hat aus dem vollen geschöpft: Zeichnungen, Sprechblasen und runde, bunte Grafiken erinnern an Internet-Animationen. Keine Seite gleicht der anderen, der Textsatz illustriert das Thema. Die Fotos wählen gern ungewöhnliche Ausschnitte; nur das (allerdings hübsche) Cover lässt davon wenig erkennen. Fazit: eine unterhaltsame Theorie-Lektion für (laut Klappentext) „Anfänger und Fortgeschrittene“.

Am 1. März 2006 von Herbert Braun · Kategorien : Sachbücher