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Häppchenweise – jetzt mit noch mehr Feigenblatt

Das Feigenblatt ist ja bekanntlich der Ort, an dem die ganz großen Stars gemacht werden. Und wer von euch das letzte Heft gekauft oder ab und an hier im Blog mitgelesen hat, erinnert sich sicher an die bezaubernde, hinreißende, mutige großartige Franzi, die mit ihrem Diplomarbeitsprojekt „Meine Lust mach ich mir selbst“ nicht nur sich selbst, sondern auch allen anderen, die es wissen wollen, ganz großartige Einsichten beschert. Ob Bondage, Crossdessing oder halbnackt im Feigenblatt posieren – Franzi hat die Eier(stöcke), die Dinge einfach zu machen, bei denen unsereins sich „wär schon cool“ denkt und wieder zurück vor den Fernseher kriecht. So war es fast klar, dass sie Häppchenweise für eine gute Idee halten würde – dass sie jetzt auch im Film mitspielt, macht mich natürlich stolz wie sonstwas. Ein Grund mehr, dem Crowdfunding-Projekt euer gesammeltes Taschengeld zu vermachen – einmal spenden bitte, HIER!

Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Häppchenweise sucht noch nach einem hübschen Mann, der eher auf Jungs steht.

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häppchenweise. Ein postpornografisches Filmprojekt. (www.haeppchenweise.net)

!!!! Wir suchen noch einen männlichen bi- oder homosexuellen Protagonisten !!!

Es wird nur einen Drehtag geben (25.08.), einen Abend, leckeres Essen und 5 weitere bezaubernde Menschen. Wenn du zwischen 20 und 35 bist, dich mit der kleinen Philosophie auf unserer Internetseite identifizieren kannst, dann mach mit!

Wenn Du Interesse hast, sende uns einfach ein paar Infos über dich und 2-3 Fotos an folgende Mailadresse: mail@haeppchenweise.net


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Würgereiz beim Zeitschriftenbashing

Standarddebatte in der Feigenblatt-Redaktion.

Chefredakteur Braun so: „Boah Frauenzeitschriften sind sowas von scheiße, lest das bloß nicht, das frisst ja eure Gehirnzellen auf.“
Rezensionista Resi: „Naja dann ist es ja schon erstaunlich, dass ich es anscheinend trotzdem hinkriege, ein geisteswissenschaftliches Doppelstudium abzuschließen.“

Und das, OBWOHL ich Frauenzeitschriften lese. Und zwar nicht zu knapp. Und es kommt noch schlimmer: ich SCHREIBE sogar für manche von ihnen. Und nicht nur deswegen finde ich den gerade vielerorts für den heiligen Gral befundenen TAZ-Artikel Faschismus auf Hochglanzpapier einigermaßen öde. Denn ja: wenn es wieder mal darum geht, wer so für allseits beliebte Reizvokabeln wie „den Beauty-Wahn“, „die Pornografisierung“ oder „die Teenie-Magersucht“ et al. verantwortlich ist, zeigt es sich schnell mit dem Finger auf dünne Models auf glänzenden Seiten. Dass vielleicht ein bisschen mehr dahinter stecken könnte, als Magazine, die zu kaufen, geschweige denn zu lesen, nun wahrlich ja niemand gezwungen wird, und auch genug MENSCHEN sich manchmal einfach nur so ganz gepflegt beschissen fühlen (wollen), wird da leicht unter den Tisch fallen gelassen. Darüber könnte man jetzt ´ne Diplomarbeit schreiben (was- oh Moment- ich auch gerade tue) – einen von hundert trilliarden anderen Gründen gibt es hier.

Ich hab besagte zitierte Jolie vor ein paar Wochen auch gelesen (zum Spaß! Im Schwimmbad! Mit Pommes!), und musste beim Thema „Was uns Sorgen macht“ ebenfalls laut auflachen. Der ansonsten stark ironisierte Blowjob-Guide allerdings, über den man sich nun ja so wunderbar echauffieren kann, ist beispielsweise von Birgit Querengässer geschrieben. Der wunderbaren, smarten und zutiefst zynischen Frau Querengässer, deren satirischen Sexratgeber „Die Feine Art des Vögelns“ ich bedenkenlos zum Standardwerk für jeden koital ambitionierten Haushalt erheben würde, und die selbstredend auch ihren Blowjob-Guide nicht ohne Augenzwinkern verfasst hat.

Solche Feinheiten überlesen sich natürlich leicht in der Metadebatte, in der es wie so oft nur darum geht, dass sich jemand mit-aufregt, weil sich mal wieder jemand aufregt. Alle anderen, die die kritische und eloquente Auseinandersetzung mit dem zeitnössischen Medienprodukt suchen, kann ich an dieser Stelle in richtung englischsprachige Blogs verweisen. Allen voran The Vagenda, aber auch Feministing, Jezebel oder Nerve tragen Tag für Tag so viel Reflektierteres zu dieser Debatte bei, als das eben beschriebene „Wer das liest ist doof“.

Denn nein, Frauenzeitschriften sind nicht per se doof und blöd und gemein und scheiße, es gibt da sehr große Unterschiede und Abstufungen, ja, es gibt eine ganze Riege von unglaublich talentierten Autorinnen, die neben Büchern und Artikeln für „echte“ „seriöse“ Tageszeitungen und „echte“ „okaye“ Blogs auch für so „blöde“ Frauenzeitschriften schreiben. Meike Winnemuth anyone? Susanne Kaloff? Kerstin Weng? Äh….ich?

Denn was beim generalisierenden Meta-Rummotzen gern ignoriert wird: die Aussage „Frauenzeitschriften sind voll blöd“ ist eine zutiefst gegenderte. Auch darüber könnte man zumindest eine Bachelorarbeit schreiben, oh, moment, richtig: hab ich ja längst gemacht. Ein Einser, übrigens – und das, obwohl ich mir das Zeug reinziehe, seit ich 15 bin. Und, oh Wunder, mich manchmal trotzdem noch über andere Themen unterhalten kann als frisch lackierte Fingernägel. So, über was wollen wir als nächstes streiten – Männerzeitschriften vielleicht?


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Würgereiz beim Blowjob-Ratgeber

taz-ArtikelIch habe Frauenzeitschriften immer schon für frauenverachtend gehalten. Aber schließlich bin ich nicht Zielgruppe, und deshalb mag ich mir da kein qualifiziertes Urteil anmaßen. Margarete Stokowski tut das allerdings in ihrem taz-Artikel „Faschismus auf Hochglanzpapier“ – und die Beispiele, die sie zitiert, haben es in sich:

In der Juni-Ausgabe findet sich ein „Blowjob-Guide“ (…) „Pornostar“ Mia Magma erklärt: „Viele Männer stehen darauf, wenn es einem die Tränen in die Augen treibt.“

Dasselbe Heft erklärt unter dem Titel „Was uns erschreckt“, dass ein Viertel der deutschen Frauen mit unrasierten Beinen und unlackierten Fußnägeln herumläuft.

Ich frage mich manchmal, ob es einen spezifisch weiblichen Selbstqual-Gruppenzwang gibt, der Frauen dazu bringt, unbequeme Schuhe zu tragen, sich die Beinhaare auszureißen, obwohl sie nur lange Hosen tragen, und grundsätzlich die Schuld bei sich selbst zu suchen. Was auch die verblüffend verbreitete Lust an sexuellen Unterwerfungsfantasien erklären würde. Aber wie gesagt, das ist ja nicht mein Problem.

Am 20. Juli 2012 von Herbert Braun · Kategorien : Fundstücke


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50 Shades of What the Fuck

Sind jetzt dann bitte bald sämtliche gierigen Sommerlöcher gestopft?

Ist „50 Shades of Grey“ das neue Urheberrechtsgesetz? So langsam, scheint es, gibt es wirklich niemanden mehr, der sich dazu noch nicht in irgendeiner Form geäußert hat – und besonders gern scheinen das die zu tun (und da nehme ich auch meinen hochverehrten Vorgesetzten, seines Zeichens Feigenblatt – Chefredakteur Herbert Braun nicht aus), die das Buch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nicht mal gelesen haben.

Und auch mir erscheint es inzwischen fast ein bisschen zu banal und inzwischen hinfällig hier einfach nur eine Kritik des Buches abzuliefern. Denn dass es unterirdisch mies geschrieben ist und die Hauptpersonen ab Seite eins so sehr nerven, dass auch ich beim Lesen mehrfach kurz davor war, wahlweise mein Tablet oder den Kopf gegen die Wand zu schlagen, dürfte ebenso zum Allgemeinplatz geworden sein wie die generelle „Kunst oder Wichsvorlage“-Debatte darüber, was „erotische“ „Literatur“ „darf“, „kann“ oder „muss“. (Oder um´s in den Worten der Grazia zu sagen: Sind Pornos das neue Pilates? (Wenn ja, solltet ihr mal mein Powerhouse sehen. Nicht. ))

Warum ist genau das jetzt nur so irre erfolgreich? Heißt das, dass die Frauen jetzt reihum alle ein bisschen mehr vermöbelt werden wollen? Wenn Analverkehr der Blowjob der Nullerjahre und den Achtzigern ihr Dreier war, stehen dann die Zehnerjahre gänzlich im Zeichen von Zuckerbrot und Peitsche? Arschversohlen gegen die Krise, wir hatten ja nix, aber immerhin Schmerzen dabei? Wenn sich also „die Frauen“ wie so gern überall heraufbeschworen, „ihre Lust“ „zurückerobern“, ist es also das, wie sie´s dann haben wollen?

So wird sich an wirklich jeder Straßenecke ausführlich aufgeregt über das für und wider, ja und nein, von sexueller Befreiung und dem Drang nach Unterwerfung geredet, BDSM als konsequent-moderner Beziehungsform, und einem gesamtgesellschaftlichen Anspruch, es wird gelästert, ob „man das jetzt muss“, seiner Frau ein Tschibo-Hundegeschirr umschnallen weil die anders nicht mehr kann, es wird sich wieder über das Geläster aufgeregt, weil derjenige BDSM wohl einfach nur nicht verstanden hat, und so geht es eigentlich nur noch höchst peripher um das Buch selbst.

Dabei übersehen tragischerweise dann auch die meisten den für jegliche sinnvolle Auseinandersetzung wesentlichen Punkt: mit einer authentischen BDSM-Beziehung hat „50 Shades of Grey“ schätzungsweise genauso viel zu tun wie Kochschokolade mit Tartufo.

Denn der Spaß beim BDSM besteht im Rollenspiel, nicht im konstanten Eindreschen auf immer dieselben Rollen, die dann im Bett nur noch vertieft werden. Denn Hauptfigur Anastasia ist nicht einfach nur „Sub“ – sie ist das fleischgewordene, personifizierte Opferweib.

Mit 21 noch Jungfrau, stolpert sie selbstbewusstseinsfrei von einem Fettnäpfchen ins nächste, um von ihrem „Dom“ künftig permanent ordentlich runtergeputzt zu werden – dieser befiehlt der ganz offenkundig magersüchtigen Ana (bin ich hier eigentlich die einzige, die die Referenz sieht? Und was ist mit Christians überbordend fröhlicher Schwester Mia, die in Frankreich Köchin wird?) nach kurzem hin und her nicht nur, wann sie was zu essen hat, sondern legt auch klare Regeln für Kleidung, Verhütungsmethode und „sauber“ gewaxter Intimzone vor.

Und genau da liegt vielleicht der perverse Reiz der Beziehung, der Grund, warum das als „Mommy Porn“ verschriene Werk genau bei denen so erfolgreich ist: endlich ist da mal einer, der sich kümmert. Der einem das täglich – lästige Einerlei der weiblichen Existenz abnimmt, und endlich mal sagt, was zu tun ist.

Dass er dafür Privatdetektive engagiert, ihr ungefragt durchs halbe Land nachreist, ihr verbietet zu masturbieren und sie mit einer elektronischen Fußfessel namens Macbook und Blackberry zur Dauerkonversation zwingt – drauf geschissen.

Denn Ana ist unser Frauenzeitschriften – Ich: Auslage in Arbeit. Man kann sich mit ihr identifizieren, weil klar, was peinliches ist mir auch schon mal passiert. Und sie lebt die Erfüllung unseres wildesten Pubertätstraums: Oh, der Typ aus der Oberstufe ist echt superkrass – und dann will er auf einmal was von mir!!!!!! Und dann behauptet er zwar, dass es nur um das Eine geht – und plötzlich – liebt er mich doch!!!!

Anas Beziehungsverhalten ist „He´s just not that into you“ rückwärts – sie benimmt sich einfach mal per Telekommunikation wie ein retardiertes Kleinkind, und anstatt nie wieder zurückzurufen, sitzt der Übermann plötzlich besorgt auf ihrer Bettkante. Und das ist die eigentliche Fantasie, die E.L. James hier erfüllt.

Denn der in „50 Shades of Grey“ dargestellte Sex ist weder irre aufregend noch besonders schockierend – höchstens schockierend blöde. Oder wie Petra Joy es formuliert hat: Es ist […] ein extrem rückständiges, antifeministisches Buch. Die Figur des jungen Unternehmers, der als Kind missbraucht wurde und jetzt nur SM-Sex praktizieren will, unterstützt eine höchst konservative These: dass alle Menschen, die mit SM-Sex experimentieren, irgendwie psychisch geschädigt sind. Schockierend daran finde ich nicht den soften SM-Sex, sondern das unreflektierte Wiederkäuen veralteter Rollenklischees.

Gut gebrüllt, Petra! Diverse amerikanische Experten können das übrigens bestätigen und das Klischee von der finster-missbrauchten Prügelsubkultur ebenfalls wissenschaftlich widerlegen.

Ein befreiendes Buch? Nicht so sehr. Wenn Erotik dort anfängt, wo man tatsächlich nicht nur seinen Körper entblößt, sondern auch sein eigenes sexuelles Begehren offenbart, ist bei Pro-Ana (so oder so) nicht mehr viel zu finden. Denn ihre Sexualität ist keine selbstgewählte. Es ist die Sexualität einer verstörten Zwölfjährigen, die alles tun würde, um ihrem in jeder Hinsicht überlegenem Schatzi zu gefallen. Es ist eine selbstverschuldete Unmündigkeit, in die sich Anastasia begibt, und eine Absage an unser verwirrendes lautes Leben, das sie (und alle die sich ein bisschen zu sehr mit ihr identifizieren können) fälschlicherweise als Befreiung abfeiern.

Schon klar: Selbstbestimmung ist kein Zuckerschlecken. Aber wenn das hier unsere sexuelle Revolution sein soll, will ich lieber weiterhin Angst vorm Fliegen haben.


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Weltbild: Wir hassen die Bücher, die wir verkaufen

Madonna (c) redfloor/stock.xchng (Ausschnitt)Bitte haben Sie Mitleid mit den Moraltheologen des Buchhandelskonzerns Weltbild/Hugendubel: Sie leben in schwierigen Zeiten.
Da gibt es dieses Buch, über das alle reden, das aber „dem Welt- und Menschenbild [widerspricht], von dem wir uns als Buchhändler leiten lassen“. Deshalb möchte das Unternehmen, das der katholischen Kirche gehört, den Soft-SM-Roman „Shades of Grey“ lieber nicht verkaufen.

Obwohl, halt, warten Sie. Wäre es nicht unethisch, dem Volk seine Wünsche zu verweigern? Womöglich würden die verirrten Schäfchen ihre Bettlektüre woanders kaufen. Und so hat man wenigstens die Gelegenheit, den eigenen Kunden noch eins mitzugeben. Stellen Sie sich die folgende Passage bitte mit der Stimme vor, die beim Schulmädchen-Report die Off-Kommentare („die zügellose Jugend von heute …“) einsprach:

„Wir sehen das Buch als sehr problematisch an. Und wir erfahren, dass diese Einschätzung von vielen Leserinnen und Lesern (…) geteilt wird (…). Einige Zitate mögen belegen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Buch unverzichtbar ist.“

Bestellen Sie jetzt hier (und schämen Sie sich, Sie Perverser).


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Schlaflos in Hannover

Verehrte Hannoveranerinnen!

Sollte es bei Ihnen daheim in nächster Zeit ein stark erhöhtes Verkehrsaufkommen geben, hat ihr Liebster wahrscheinlich die Neue Presse gelesen.

Hey, keine Ursache. Schlafen Sie gut! Dankesschreiben und -Geschenke bitte an die Redaktionsadresse. Am Liebsten sind mir Champagnertrüffel.

Bussi,
Ihre freie Journalistin
für Erotisches


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Sexgequatsche öffentlich-rechtlich

Was passiert, wenn sich die „Frau mit Penetrationshintergrund“ Paula Lambert vollbekleidet in ein Bett legt, und bei lecker Weinchen jeweils zwei besonders ausgewählte Herren der Schöpfung getrennt voneinander zu „sexy Themen“ befragt? Laut ZDF Kultur folgendes:

Moderator Nilz Bokelberg bekennt sich zum „zweckgebundenen Schauen von Pornos“. Der Arthouse-Porno-Regisseur RP Kahl findet es schwierig, Sex im Film darzustellen.

Das klingt dann unter anderem so:

Analverkehr? Steh ich nich so drauf, sag ich jetz mal so, also ganz ehrlich.
– Ih ne, hab ich auch noch nie gemacht. Stell ich mir aber auch unsexy vor, also für beide jetzt. Ich brauch doch meinen Platz!

Ho ho ho ho ho. Lieber schnell das Thema wechseln und stattdessen eine Biolek-Anekdote über lecker Weinchen auftischen. Oder mal eben einen Porno nacherzählen, am Besten, ohne den Titel zu nennen oder gar eine (ZDF-gerechte) Sequenz einzublenden, damit der Zuschauer sich ein Bild davon machen könnte, was den Interviewten nach Eigenaussage so wuschig macht. Oder wie das VIVA-Ausnahmetalent selbst bescheinigt:

Spannender wirds leider nicht.

Ja, schade eigentlich. Man kann eben auch alles ein bisschen zerreden.

Im Bett mit Paula, Sonntags 22 Uhr auf ZDF Kultur, wer sich die erste Folge dennoch ansehen will, kann das hier in der ZDF – Mediathek tun.

Am 10. Juli 2012 von Theresa Lachner · Kategorien : Kulturtipps


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Vögel- und jugendfrei

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat sich eine Bestseller-Autorin vorgenommen: Sophie Andreskys „Vögelfrei“ stand zur Debatte. Der Pornoanwalt hat das Sitzungsprotokoll veröffentlicht. Interessante Lektüre.
Eine 12-köpfige Jury, der unter anderem Jugendhelfer und Kirchenvertreter angehören, diskutierte darüber, ob der Roman pornografisch (also schwer jugendgefährdend) oder einfach jugendgefährdend sei. Dabei gab man sich Mühe – das Protokoll ist immerhin zehn Seiten lang.
Zuerst kam der Beschuldigte zu Wort. In seiner Verteidigung behauptet der Verlag (Heyne / Random House) allen Ernstes, Erotikliteratur sei eine „Männerdomäne“ (das war sie vielleicht vor dreißig Jahren), der Andresky eine „eigene weibliche Perspektive“ entgegensetze. Anders gesagt: männliche Sexfantasie bäh, weibliche Sexfantasie toll. Gegen die Einschätzung als Pornografie spreche, dass die Protagonistin in den sexuellen Ausschweifungen keine Erfüllung findet – vielleicht ist das die Erklärung, warum Sex in der deutschen Belletristik meistens so deprimierend ist. Oh, auf Seite 5 wird aus unserer Rezension zitiert! Nebenbei erfahren wir, dass Heyne stattliche 100.000 Exemplare des Romans unter die Leute gebracht hat.
Letztlich stufte die BPjM das Buch trotz seiner durchaus derben und stimulierend gemeinten Stellen nicht als pornografisch ein, weil es auch eine ernstzunehmende Handlung mit Zwischenmenschlichkeit und Reflexionen enthält. Da weder die Hauptfigur noch ihre zahlreichen Beschäler als bloße Sexobjekte dargestellt sind, liegt auch keine einfache Jugendgefährdung vor. „Das Gremium hat insbesondere die Kapitel ‚Leo‘ und ‚Gemma‘ länger diskutiert, weil darin u.a. sadomasochistische Handlungen beschrieben werden“, doch zum Glück empfindet die Hauptfigur diese „nicht als schön“.
Jugendgefährdend ist „Vögelfrei“ nicht, aber jugendbeeinträchtigend – was die Prüfstelle allerdings nichts angeht: „Insbesondere obliegt es daher im Bereich der Printmedien Eltern und anderen Erziehenden, solche Inhalte entsprechenden Altersgruppen nicht zugänglich zu machen.“ Tatsächlich: Auf Jugendliche, die nur Online-Pornos kennen, könnte so ein Roman verstörend wirken.