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Die Welt, der Sex und das Weltbild

Die Tageszeitung „Die Welt“ befeuert gerade einen Streit, der sich um das Unternehmen Weltbild in den letzten Jahren hochgeschaukelt hat. Weltbild, angeblich der größte deutsche Buchhändler (meiner Meinung nach sind Amazon und Thalia größer, aber was soll’s), gehört zu 100 Prozent der katholischen Kirche, benimmt sich aber nicht so. Trotz seines Namens tritt das Unternehmen als ganz normaler Versand- und Ladenbuchhändler mit ganz normalem Programm auf – mit den Worten der „Welt“ ausgedrückt, verkauft Weltbild auch „Sexbücher, Gewaltverherrlichung, Esoterik, Magie und Satanismus“.

Ich mag Weltbild nicht und es liegt mir eigentlich fern, dieses Unternehmen zu verteidigen. Der Vorwurf der Bigotterie ist weiß Gott (um im Bild zu bleiben) nicht neu. Aber interessant finde ich die Stoßrichtung der Kritik. Schießt der „Welt“-Artikel gegen Esoterik-Helfer, die Weltbild verkauft? Gegen blutrünstige Thriller? Gegen gewissenlose Unternehmer-Ratgeber?

Nein. Der Welt-Artikel trägt den Titel „Katholische Kirche macht mit Pornos ein Vermögen“.

Der sogenannte Weltbild-Skandal (der, um das nochmal zu wiederholen, seit Jahren jedem bekannt sein konnte) stellt Geld und Moral gegeneinander auf. Gemeint ist damit: Porno-Schund versus katholische Kirche. Moral, das schließt erotische und pornografische Romane aus – das ist so selbstverständlich, dass der Artikel das nicht weiter erwähnt.

Die Anti-Weltbild-Kampagne hat sich vor allem gegen die Bücher von Blue Panther eingeschossen (Disclaimer: das ist ein ehemaliger Werbekunde von uns). Das ist nicht die Art von Büchern, auf die ich persönlich stehe, aber ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, die es mir schwermacht, solche Romane zu kaufen. Ich glaube, ich werde nie verstehen, warum es gesellschaftlich eklig ist, über Sex zu fantasieren, aber völlig okay, wenn man zum Beispiel lustige Mord-Komödien veröffentlicht. Die „Welt“ versteigt sich sogar zu der Behauptung, Blue Panther habe wegen seiner schmutzigen Bücher nicht einmal einen Stand auf der Frankfurter Buchmesse bekommen – Halle 4.1, Stand B141, ihr Recherche-Profis.

Nicht vergessen: Der Artikel kommt von Springer, dem Fachverlag für Bigotterie. Der Verlag, der „Wir sind Papst“ erfunden hat und ein paar Seiten weiter die Callgirl-Telefonnummern auflistet (ich finde Prostitution problematischer als Pornografie). Der Verlag, der jede schmutzige Sexgeschichte groß aufbläst und einen legendären Vatikan-Korrespondenten hat.

Gern hätte ich geschrieben: Wenn Die Welt auf das Weltbild einschlägt, kann es nur Gewinner geben. Aber ich fürchte, am Ende wird der Streit mal wieder auf dem Rücken der Kunst- und Meinungsfreiheit und der perversen Schmutz-Leser (also Sie und ich) ausgetragen. Ich hoffe wenigstens, dass Blue Panther von der Gratis-PR profitiert.


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Porn Film Festival 2011, Tag 1

Wie überlebt man 12 Stunden Pornokonsum am Stück? Gute Vorbereitung ist alles. Nebst ein paar prophylaktischen Besuchen im örtlichen Yogastudio zum Training von Rücken- und Gesäßmuskulatur empfiehlt sich nach wie vor der Erwerb von kleinformatigen Lebensmitteln, die spontan inhaliert werden können, wenn zwischen den Screenings, die man eigentlich alle sehen will, mal wieder keine Zeit bleibt, aus dem Kino zu rennen um einen Döner zu verstoffwechseln.

Auch sonst ist ein starker Magen manchmal von Vorteil, etwa wenn Plastikeinhörner Penisspitzen penetrieren bis es blutet, wie in GANG BANG BARBIE (mir egal ob das echt war oder nicht! Aua! Bäh!), oder ein ausgestopfter Fuchs mit einer Jelly-Vagina upgegradet wird (so gesehen in STUFFED).

So oder so ist das Porn Film Festival für uns Freaks sozusagen das Osterhasenchristkind im Latexkrankenschwesternkostüm, und wieder hier zu sein, fühlt sich an wie ein queeres Klassentreffen der Absonderlichkeiten – absonderlich nicht nur, weil sich tatsächlich alle freuen, einander wiederzusehen.

Es wird sich geküsst, in tausend Sprachen gleichzeitig geplappert. „Have Fun“, schreit es über den Gang, „Have Fetish“, kommt der Schmalspurwitz zurück. Im ersten Panel gibt es nämlich die Qual der Wahl zwischen „Fun Porn“ und „Fetish Porn“, bei mir fällt sie auf letzteres, und ich werde nicht enttäuscht. Neben eingangs erwähntem Pussyfuchs gab es viel zu sehen, vom schwulen SM-Kurzfilm „SPRING“, der sogar vom British Film Council gefördert worden war, über Manon des Gryeux „AUTO FUCK“ (man muss es fast selbst gesehen haben), bis hin zur Badewannen-Pieselnummer von Roy Raz. Besonders berührt hat mich „EGG“, und das liegt nicht nur daran, dass Sadie Lune und Kay Garnellen während der Vorstellung ein ebensolches durch die Kinoreihen reichen ließen. Eine Ode an Sexualität und Fruchtbarkeit, in glitschigen Close-ups mit Sigur Ros-Soundtrack und zwei ungewöhnlichen Hauptdarsteller/innen. „Well, I kind of like food in general“, so Sadie Lunes trockene Erklärung für die Zweckendfremdung.

Überhaupt ist es immer wieder toll, die Filmemacher, die oft auch Protagonisten sind, nach den Screenings persönlich kennenlernen zu können – nicht nur, um über Beweg- und Hintergründe sprechen zu können, sondern auch, weil man schon weiß, wie sie untenrum aussehen, was meistens ebenso lustig wie merkwürdig ist.

Im anschließenden „Female Porn“- Kurzfilmpanel gabs dann eine kleine Überraschung aus den eigenen Reihen: die Eheleute Braun auf Großleinwand, und das im Kurzfilm „Cum Different- Frauen machen´s anders“, den Katharina Szmidt größtenteils auf dem letztjährigen Festival gedreht hat. Da hat sie unter anderem auch die Feigenblatt- Chefetage zu guter und schlechter Pornographie befragt, ich erinnere mich an Ausdrücke wie „Stanzmaschinen“ aus dem Munde des Herrn Vorgesetzten, ein Must See also!
Weiters toll war „KAKTUS“, eine schräge Liebesgeschichte um eine Frau mit Vergewaltigungsfantasien und ihren dafür engagierten Callboy.

„VACATION“, der neue Film von Zach Clark, der letztes Jahr mit „Modern Love is Automatic“ das Festival eröffnet hat, kann mit dem Erstling nicht ganz mithalten, ist als eine Art lesbisches Sex and The City Noir am Strand jedoch dennoch sehr sehenswert.

„Hat dir was so gut gefallen, dass du einen Ständer bekommen hast?“ tuschelt es neben mir auf französisch vor Kinoeinlass. „Alter, den hab ich ungefähr seit heute morgen um elf“. Beim kollektiven Kicheranfall der süßen Jungs zucken wohl auch meine Mundwinkel verräterisch. „Ah, tu comprends?“ Romain und Hédi sind mit „ROSAMOUR“ hier, der in der Shorts Film Competition läuft. Zu sehen gibt es ihre beiden absurd beweglichen Bäuche in Halbtotale, die in einer Art Tanz miteinander zu kommunizieren scheinen. Verspielt, zärtlich, ein bisschen merkwürdig – ich bin begeistert, nicht nur von den Jungs.

Auch Maria vom Toytool Committee hat mir beim Quatschen im Kino von ihrem Kurzfilm L´AMOUR ET LA VIOLONCE erzählt. „You have to see it, it´s beautiful!“ – Wir sehen ein lesbisches Paar beim Schmusen vor einer Leinwand, auf die ein Boxkampf projiziert ist. Maria soll Recht behalten.

RP Kahl folgt mit MIRIAM offensichtlich unserem Ruf nach mehr männlichen Masturbationsszenen und legt mutig gleich selbst Hand an. Löblich, löblich – auch wenn es angesichts der vielen Schwänze, die an diesem Kinotag gerubbelt wurden, noch etwas mehr braucht, um – zumindest mich – endgültig vom Hocker zu reißen.

Travis Mathew´s IN THEIR ROOM, BERLIN zum Beispiel. Sein Teaserfilm I WANT YOUR LOVE war ja mein Highlight letztes Jahr, dass er nun als „Filmmaker in Focus“ portraitiert wurde, freut mich deshalb natürlich besonders. Semidokumentarisch zeigt Mathesw hübsche schwule Männer in ihren eigenen vier Wänden und zeichnet so ein bittersüß – berührendes Bild vom Leben und Lieben in der Großstadt, der Suche nach Intimität und Vertrautheit, oder doch einfach mal Sex. „Das sollte man Schulkindern zeigen!“ meint ein Typ im Publikum.

Nicht nur die würden an so einem Tag viel neues sehen – das Porn Film Festival steht auch 2011 für neue Perspektiven auf eigentlich althergebrachtes, ungewöhnliche Zugänge zu ungewöhnlichen Themen, und einen schwirrenden Kopf voll wilder, neuer Eindrücke.


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Ein mutiges Leben

Gestern wäre sie 92 Jahre alt geworden: Aufklärungsikone Beate Uhse.

Vom kürzlich ausgestrahlten ZDF-Film waren wir ja kollektiv nicht ganz so begeistert – wer ihn verpasst hat und trotzdem mehr über die Erfinderin der Sexshops wissen will, hat jetzt im Beate Uhse Erotik-Museum Berlin die Möglichkeit dazu. Die Retrospektive „Beate Uhse – ein mutiges Leben“ zeigt die wichtigsten Stationen im Leben einer ungewöhnlichen Frau, von der Kindheit in Ostpreußen, ihrem Traum vom Fliegen und schließlich der Flucht nach Flensburg. Deutschland liegt in Trümmern, und niemand will so recht ans Kinderkriegen denken, und so zeigt Beate, die die Methode von ihrer Mutter, einer der ersten Ärztinnen Deutschlands gelernt hat, anderen Frauen, wie man natürlich verhütet. Die daraus entstehende „Schrift X“ ist der Grundstein für den ersten Sexshop der Welt.

Im Laufe ihres Lebens wird sie rund 2.000 mal wegen sittlicher Verstöße angezeigt, und das sowohl von Feministinnen als auch von Sittenwächtern. Doch auch ihr Privatleben skizziert die Ausstellung nach: Zweimal verheiratet, einmal verwitwet, geschieden, neunfache Großmutter und Ur-Oma: Frau Uhse konnte auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Das Erotische Museum war ihr Herzenswusch, und auch über diese Retrospektive hätte sie sich sicherlich gefreut. Bis auf weiteres zu sehen im Berliner Erotik Museum, täglich von 9 bis 24 Uhr geöffnet.


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Eine ganz heiße Nummer

Sex und Bayern gehören ja bekanntlich zusammen wie Brezn und Weißwurscht, das hat Marcus H. Rosenmüller mit „Sommer in Orange“ gerade erst wieder souverän demonstriert, und Markus Goller legt mit seiner Sexhotlinesaga gerade ganz fulminant nach.

Ich bin jedenfalls fast gestorben vor Lachen, was in einer Pressevorführung mit drei anderen Kritikern durchaus ein bisschen peinlich sein kann. Ab 27.10. (Deutschland) bzw 3.11. (Österreich) im Kino – unbedingt anschauen, oder gleich eine Wallfahrt durch Bayerns schönste Orte unternehmen: Hier die Route von Kissing nach Petting, Blasen und Fucking:

Der Weg über Kissing, Petting und Blasen nach Fucking dauert ... on Twitpic


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Uhse verpilchert

Ich habe ein bisschen schlechtes Gewissen, weil wir Ihnen hier und im letzten Feigenblatt geraten haben, den heute Abend ausgestrahlten Uhse-Film nicht zu verpassen. Es gehört schon eine gewisse Kunstfertigkeit dazu, wie das ZDF mit so hochkarätigen Schauspielern, einer liebevollen Ausstattung und vor allem mit einer so wichtigen, bei aller Unglaublichkeit wahren Geschichte am Ende nur einen besseren Rosamunde-Pilcher-Film hinbekommen hat, in Flensburg statt in Cornwall. Eine alberne Rahmenhandlung („Ich weiß so wenig über dich“, und sie erzählt ihr Leben) führte durch eine Geschichte, in der immer sofort klar war, ob einer gut oder böse ist, und der Schmalz-Soundtrack geigte die Emotionen dazu herbei.
War der Spielfilm Vintage-ZDF, näherte sich die anschließende Dokumentation eher RTL an (hui, eine Dildo-Party!). Dem Respekt für Frau Uhse selbst hat das keinen Abbruch getan – im Gegenteil. Sie wie auch ihr Stiefsohn, der Orion-Gründer Dirk Rotermund, beeindruckten in den Interviews mit ihrem bodenständigen, kämpferischen Optimismus. Trotzdem: schade um das Thema.


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Schönste Ferienerlebnisse, Teil 2

Wissen Sie, was ein Camel Toe ist? Nein? Zum Glück gibt´s Wikipedia: Cameltoe oder auch Camel Toe (englisch wörtlich für „Kamelzehe“) bezeichnet in der amerikanischen Umgangssprache die Verformung der Kleidung im Schritt einer Frau, die bei sehr eng getragener Kleidung auftreten kann und einem „W“ gleicht
Danke.

Eine Problemzone, die vor allem die britische Frau beschäftigen dürfte, verwechselt sie doch gern Leggins oder auch Strumpfhosen mit einer reellen, tageslichttauglichen Unterleibsbekleidung. So ist es kaum verwunderlich, dass uns diese Anzeige auf dem Mädchenklo eines Londoner Pubs begegnete:

Optisch irgendwo zwischen Slipeinlage und den Plastikschabern die bei Enthaarungscreme dabei sind, hat man so wieder ein Teil, das man vor dem One Night Stand besser unauffällig in eine dunkle Ecke werfen sollte…oder lieber gleich was anständiges anziehen, dann gibt´s auch keinen Scheidenpilz!


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First Date Hell

Umso schlimmer das Date, desto mehr hat man zu erzählen – oder zu lachen. Und warum nicht andere daran teilhaben lassen? Rhodri Marsden sammelt Tweets von gescheiterten, peinlichen und skurrilen Dates:

„Met a bloke for what was supposed to be lunch. He told me he didn’t like what I was wearing and said I should go home and change.“

„One of my recent worst was when I went back to the guy’s place & he put ‚Top Gun‘ on & recited it word for word. With ‚accents‘.“

„Guy came to get me in his new Porsche. Before I got in, he put a towel on my seat because `girls can sometimes be sweaty down there´.“

via: www.firstdatehell.com


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Extra Wiggle Room

„Das ist nicht unsere Zielgruppe“, war American Apparels knappe Antwort auf die Frage, warum man denn den Schulmädchenuniform-Faltenrock nicht in Größe L produzieren könne.

Das Unternehmen, das nebst dem ein oder anderen Mitarbeiter-Missbrauchsskandal auch für seine interessanten Anstellungskriterien bekannt ist, hat offensichtlich keinerlei Interesse daran, sein Hipstergewand an die normalgewichtige Frau zu bringen – L entspräche einer deutschen 40/42, die Durchschnittskleidergröße in den USA.

Zumindest bis jetzt: vor kurzem rief das Unternehmen mit großem Brimborium auf seiner Website dazu auf, sich als Übergrößemodel zu bewerben, für, tadaaah: Kleidung in Größe 40/42! Allein die Exotik, die „die neue Übergröße“ umweht, wirkt eher beleidigend – doch auch beim Werbetext wurde sich gehörig im Tonfall vergriffen. So ist beispielsweise von „extra wiggle room“ die Rede, zu Deutsch: „mehr Platz zum Rumschwabbeln“, dazu gibt es ein mehr oder weniger erniedrigendes Kandidatinnenranking – von „not quite“ bis „XLent“.

Der 24jährigen Nancy Upton aus Virginia war die grausige Misswahl dann schließlich zu blöde: kurzerhand ließ sie sich von ihre Freundin in eindeutigen Posen ablichten: mit Essensbergen und einer Badewanne voll Ranchdressing: Ihr hätte einfach der herablassende Tonfall missfallen, mit dem American Apparel quasi den dicken Kindern erlaubt, auch mal mitzuspielen, erzählt sie im Interview mit Jezebel: And then, as corny as it sounds, it just occurred to me that based on their „Hey, come on, fatties, we want you to play, too“ tone, wouldn’t it be kind of brilliant to respond in a, „Thanks for letting me play, just let me try put down the pizza, first“ similar mocking tone. From there, I realized I knew a great photographer, I had a free couple of hours on Sunday and a little extra money in my pocket to drop on some ranch dressing and a chicken.Ich muss sagen, ich bin verliebt – und den Votern auf der AA-Homepage scheint es ähnlich zu gehen: ironischerweise hat Nancy mit ihrem kleinen Stunt nicht nur die Blogosphäre aufgemischt, sondern sich auch im PlusSizeModelcontest auf Platz 1 positioniert.
In ein paar Tagen wird die Siegerin offiziell bekanntgegeben – Nancy wird sich allerdings weigern, schreibt sie in ihrem Blog.

via: Tristan Taormino und Jezebel