Permalink

3

Schicker Bluten

Schatz, es ist schon wieder diese besondere Zeit im Monat…und jetzt mach mir doch bitte einen Tee, und dann lass mich, öh, still leiden. Oder nicht ganz so still, mit dem vibrierenden Tampon, der ab jetzt alles besser machen soll.

Verständlicherweise nur einmal verwendbar, ist das gute Stück mit rund 20 Euro doch deutlich teurer als Ibuprofen und Badewanne. Wer so was braucht? Fragen sich die Macher auf ihrer Facebookseite auch gerade. Medikamenteverweigerinnen ohne Badewanne? Masturbationsverweigerinnen ohne Vibrator, die Angst haben, sich die Hände schmutzig zu machen? Oder doch die Seefahrerbraut, die ohne ihren Piraten ins rote Meer sticht? Auf Erfahrungsberichte bin ich ja, öh, schon echt gespannt.

via Pimpettes

Am 26. September 2012 von Theresa Lachner · Kategorien : Fundstücke


Permalink

1

Fragmentarisierungen

Der pornographische Blick macht es leicht, Menschen unmenschlich zu behandeln, schreibt Ariadne von Schirach in „Der Tanz um die Lust“, ein Buch das, Sie ahnen´s möglicherweise bereits, meiner Meinung nach in jeden guten Haushalt gehört.

Loch, Loch, Nippel, Pimmel, Loch. Um Lust, oder sagen wir mal zumindest Sex, filmisch sichtbar zu machen, bedienen sich Mainstreampornos einer simplen Ästhetik: sie filmen einfach dort drauf, wo man´s nun mal offiziell am besten sehen kann.

Dadurch geht es nicht mehr um die Körper an sich. Oder um die Menschen, die dort Dinge miteinander anstellen. Es geht um: Loch, Loch, Nippel, Pimmel, Loch. Es geht nicht um Gefühle, und um die soll es auch gar nicht gehen. Es geht um diese bestimmte Ästhetik, die da sagt: Loch: stopfen. Es ist ein Konzept für eine Gesellschaft mit großem Abstrahierungswillen, und woher der kommt, ist verständlich: wär ja auch schließlich schön, wenn alles so einfach wär.

Divide et impera, teile und herrsche. je genauer, je feiner der Zugriff, desto besser lässt sich Einfluss nehmen. Etwas wird fragmentarisiert, aus seinem natürlichen Kontext gerissen, unangemessen beleuchtet und dadurch in Bezug zu dem gesetzt, was „normal“ ist. (von Schirach, S.197)

Es ist ein simpler Machtmechanismus, einer, wie von Schirach meint, auch dem Grundprinzip Frauenzeitschrift zugrunde liegt. Frauen werden in Problemzonen fragmentisiert, und können so besser „behandelt“ werden: hier noch etwas Koffein-Roll-On gegen die Tränensäcke, und gegen die Cellulite kann man ja inzwischen auch so viel machen!

Alles soll möglichst fickbar gemacht werden, erotisiert, optimiert. Problemzone Mensch. Und diese Problematisierung, die in einem wesentlich größeren Kontext stattfindet, machen Frauenzeitschriften und Pornos, so von Schirach, besonders deutlich sichtbar.

Wieder einmal stehen wir vor einer selbst geschaffenen Ungeheuerlichkeit zu Zeiten der Industrialisierung vor den unmenschlichen Produktionsbedingungen. Nur ist es diesmal das Leben selbst, das produziert wird.“ (…) „Damit das Leben produziert werden kann, muss es erst einmal auseinander genommen werden, aufgesplittert, sichtbar gemacht, und in jedem kleinsten Teilchen kann dann Bedeutung verliehen werden. Wahrscheinlich hat irgendwann jede Körperfunktion ihre eigene TV-Show. (Von Schirach, S.196, f.)

Und das ist tatsächlich eine der Argumentationslinien, die ich im Zusammenhang mit der ganzen Frauenzeitschriften-sind-doch-total-furchtbar-Debatte sehr klug und wichtig finde. Und ein Problem, dem ich persönlich mit meiner Arbeit, so gut es geht, entgegen wirken möchte.

Denn genau darum geht es meiner Meinung nach: Für Dinge, die man gut findet, leidenschaftlich einzutreten – und laut drüber zu reden. Und Dinge, die man verbesserungswürdig findet, besser zu machen – oder es zumindest versuchen. Und genau das war das Problem der ursprünglichen Debatte: es ging nicht um Inhalte. Um Grauzonen, Differenzierungen, oder die Frage was anders sein sollte. Es wurde nicht unterschieden zwischen Brigitte und Closer oder zwischen Maxi und InStyle. Und genauso wenig, wie es in dieser Debatte tatsächlich um die ging, die eigentlich angesprochen wurden, ging es hier in den entsprechenden Blogkommentaren darum.

Lieber Bildblog, es ist ein zweischneidiges Schwert mit dir. Klar: einerseits ist es ein riesiges Kompliment, von einem der größten deutschsprachigen Blogs als einer von 6 lesenswertesten Artikeln des Tages verlinkt zu werden. Neben Moritz von Uslar oder Sascha Lobo. Nicht als SEXautorin, sondern als Autorin, Punkt. Das ist so ähnlich, wie im Ausland ein normales Gespräch zu führen. Und nicht als erstes gefragt zu werden, wie man sich denn eigentlich hier so fühlt. Als Deutsche und so.

Andererseits tut es nicht viel für mich – außer dem Gefühl, in einer Kneipe zu stehen, meinem Gesprächspartner (in diesem Fall Chefredakteur Herbert , der den TAZ-Artikel für meinen Geschmack ein bisschen zu unreflektiert wiedergekäut hatte) irgendwas über die laute Musik hinweg zuzubrüllen, und plötzlich sind 40.000 Augenpaare auf mich gerichtet, und gar nicht mal so wenige davon schreien: „Das ist nur weil du blond bist, du dreckige Hure Satans! Lies mal „Herr der Ringe“, sonst wird das nie was!“

Und so bin ich mit einer klitzekleinen Verlinkung wahlweise zu akademisch, zu dumm, zu geisteswissenschaftlich, zu arbeitslos, zu karrieregeil, zu arrogant, zu knackig, zu überheblich – wie die Exen vom Dings – Bitch, Please!

Und an den Klicks und Interaktionen merkt man, das kaum einer der Kommentatoren, die da am Werk sind, auch nur einen einzigen anderen Artikel von mir gelesen haben kann – geschweige denn, dass sie die eigentliche Thematik (oder die Website, auf der sie sind – sich im Blog eines Erotikmagazins darüber ereifern, dass überhaupt Sex geredet werden muss? Ja.) besonders interessiert. Aber anscheinend ist das auch gar nicht so wichtig.

Denn der aufgebrachte Bildblog-Pöbel jagt gern mit brennenden Mistgabeln durchs virtuelle Dorf, und versucht angestrengt, irgendwo hinzuhacken, wo´s weh tut. Ein Scheißestürmchen der Entrüstung, das nichts, aber auch gar nichts mit den „normalen“ Lesern hier im Blog zu tun. Denn bei dem, was hier passiert, geht es kein bisschen darum, wer ich bin oder was ich mache – und die, die da kommentieren, sind meist die letzten, die das eigentliche Thema überhaupt persönlich betrifft.

Ja, es übersteigt zugegebenermaßen mein Vorstellungsvermögen, dass sich jemand tatsächlich extra eine spezielle Spam-Mailadresse mit „Feigenblatt“ im Namen zulegt, um so richtig geil anonym ins Internet kacken zu können.

Ich weiß nicht genau, wie traurig, einsam, verzweifelt oder gelangweilt jemand ist, der hobbymäßig Kommentare schreibt, die länger sind als der ursprüngliche Artikel selbst. Und mir fehlt auch ehrlich gesagt die Freizeit, es wirklich nachvollziehen zu wollen: warum Menschen versuchen, aufgrund eines Freitagmittag zwischen acht anderen Baustellen hingerotzten Disskommentars an meinen heißgeliebten Chefredakteur und einem immerhin 5 Jahre alten Thumbnailbild von mir, versuchen Rückschlüsse auf mich und mein Wesen zu ziehen, um möglichst gut zutreten zu können.

Eh klar: lovers wanna love, haters wanna hate, und Trolls trollen halt in der Gegend rum – nichtsdestoweniger ist und bleibt es ein äußerst merkwürdiges Gefühl, wenn wildfremde Menschen beginnen, an irgendeinem Teil von einem zerren zu wollen, auch wenn sie dabei so offensichtlich ins Leere greifen, dass ich stellenweise laut lachen musste – als „zu dünn und erfolgreich“ um die Probleme anderer Leute wahrzunehmen, hat mich bis jetzt komischerweise noch nie jemand bezeichnet…

So oder so zeigt es eins: Fragmentarisierung ist eine zutiefst menschliche Angewohnheit – die auch vom anonymisierten Trollpulk des Weltnetzes begeistert aufgegriffen wird. Und das, obwohl die hier kommentierenden „diese furchtbaren Frauenzeitschriften“ ja eh nie lesen würden? Hm.

Es ist ein Mechanismus, an den man sich, als – Ihgitt, Journalist! – früher oder später gewöhnen sollte. Und noch mehr, wenn man als solcher versucht, über Sex, Pornographie oder gar Intimität zu schreiben.

Einigermaßen pervers wird es nämlich, wenn die Realität beginnt, das Internet zu imitieren.

Es ist der Bekannte, der die gute Freundin fragt, ob ich „in echt“ eigentlich auch „so offenherzig“ wäre, wie´s in meinem Blog immer wirkt. Der nackte Typ im Bett neben mir, der dann angenehm überrascht ist, weil er sich das mit mir prinzipiell anders vorgestellt hatte. Abgestumpfter. „Wo du doch immer so viel über Sex schreibst, und alles.“ Es ist ein generelles „Ich sag dir jetzt mal, was eigentlich dein gottverdammtes Problem ist“ aus den Mündern Halbbekannter, das aus einem Mangel an Distanziertheit resultiert, den ich inzwischen nicht mehr allein auf mein ach-so-offenes Wesen zurückführen kann. Es ist das klassisches Kolumnistenproblem: zu denken, man würde denjenigen, der da schreibt, gut kennen.

Ich hab keine Ahnung, bei wem alles das Kopfkino angeht, wenn ich schreibe, dass „Shades of Grey“ kein authentisches BDSM ist: Jawoll, und am Wochenende peitsche ich androgyne Jungfrauen in Latexmaske quer durch mein Wohnzimmer.

Meine Reaktion darauf ist immer dieselbe, und ich schätze, das liegt daran, dass es einfach die Standardreaktion aufs Kategorisiertwerden ist: Befremden. Da steht niemand so sehr drauf. Komisch komisch.

Im privaten Umfeld sind solche Reaktionen ein einigermaßen zuverlässiger Bullshit-Indikator. Ich hab es tendenziell lieber, wenn Leute mich fragen, warum ich wie bin, anstatt es mir ungefragt zu erklären. Und das ist auch im Weltnetz nicht anders.

Natürlich ist das Jammern auf hohem Niveau. Klar macht es Spaß, mit diesem ganzen Sexkolumnistendingsdasein zu spielen und darüber Witze zu machen.
Und die unvermittelt offenen Gespräche, die mir dieser Status ermöglicht, sei es hier im Blog, auf Facebook oder auf irgendwelchen Parties in irgendwelchen Küchen oder irgendwelchen Betten, möchte ich auf keinen Fall missen. Ich hab immer viel zurückbekommen, Menschen von neuen Seiten kennen gelernt, viel gesehen, viel verstanden. Ich erlebe sehr viel Offenheit und Begeisterung für das, was ich tue.

Und dennoch bin ich froh darüber, dass die meisten von euch weder wissen, welcher Song jetzt gerade bei mir im Itunes läuft, noch, wie viele Cellulitedellen ich so am Arsch habe. Dass es Teile von mir gibt, die noch niemand fragmentarisiert hat, auch nicht ich selbst. Denn, wieder von Schirach, Fragmentarisierung bedeutet auch, dass die einzelnen Teile nicht mehr von einem übergeordneten Ganzen organisiert werden. Es kommt zu Künstlichkeit. (S.198)

Und ich kann und will nicht bei jedem Stück Text(fragment), das ich hier hinrotze, darüber nachdenken, wie viele Leute daran Anstoß nehmen (könnten/wollen), und warum. Ich kann nicht bei jedem Mal, wenn ich WordPress öffne, den Anspruch an mich selbst haben, die Weltformel zu entwickeln. Weil keiner vorhersehen kann, wann was von wie vielen (und welchen) Leuten gelesen werden wird. Und weil ich für die Weltformel dann doch tatsächlich einigermaßen unterbezahlt bin.

Ich will in einer Kneipe stehen und über die Musik hinwegschreien können.

Ansonsten kann ich mich nämlich auch gleich auf dieses Volontariat in der Pressestelle beim Amt für Denkmalpflege der Stadt Dings bewerben, und mir ab sofort nur noch auf meine Beamtengehaltsklasse einen runterholen – für Verheiratete gibt´s sogar einen Hunderter mehr, can you fucking believe it?

So oder so ist zerstückelt werden eine äußerst merkwürdige Angelegenheit. Herbert hat die Kommentarfunktion zum Zeitschriftenartikel mit der Argumentation geschlossen, dass ich mich durch „meine persönliche Betroffenheit angreifbar“ gemacht hätte. Und das stimmt, wenn auch nur zum Teil. Denn angreifbar macht mich nicht die Tatsache, dass Frauenzeitschriften mir für meine Weisheiten gutes Geld zahlen, oder was ich studiert habe, oder wie „knackig“ oder „dünn“ (haha, tschuldigung, aber: haha) ich bin.

Angreifbar macht mich, dass ich versuche, bei dem was ich schreibe, Haltung zu bewahren, und vor mir selbst und allen anderen einigermaßen aufrichtig zu sein. Mit Namen. Und Bild. Angreifbar macht mich mein Bedürfnis nach Konstruktivität. Weil Ironie immer leichter ist.

Am 30. Juli 2012 von Theresa Lachner · Kategorien : Gedanken


Permalink

off

Häppchenweise – jetzt mit noch mehr Feigenblatt

Das Feigenblatt ist ja bekanntlich der Ort, an dem die ganz großen Stars gemacht werden. Und wer von euch das letzte Heft gekauft oder ab und an hier im Blog mitgelesen hat, erinnert sich sicher an die bezaubernde, hinreißende, mutige großartige Franzi, die mit ihrem Diplomarbeitsprojekt „Meine Lust mach ich mir selbst“ nicht nur sich selbst, sondern auch allen anderen, die es wissen wollen, ganz großartige Einsichten beschert. Ob Bondage, Crossdessing oder halbnackt im Feigenblatt posieren – Franzi hat die Eier(stöcke), die Dinge einfach zu machen, bei denen unsereins sich „wär schon cool“ denkt und wieder zurück vor den Fernseher kriecht. So war es fast klar, dass sie Häppchenweise für eine gute Idee halten würde – dass sie jetzt auch im Film mitspielt, macht mich natürlich stolz wie sonstwas. Ein Grund mehr, dem Crowdfunding-Projekt euer gesammeltes Taschengeld zu vermachen – einmal spenden bitte, HIER!

Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Häppchenweise sucht noch nach einem hübschen Mann, der eher auf Jungs steht.

*************************************************

häppchenweise. Ein postpornografisches Filmprojekt. (www.haeppchenweise.net)

!!!! Wir suchen noch einen männlichen bi- oder homosexuellen Protagonisten !!!

Es wird nur einen Drehtag geben (25.08.), einen Abend, leckeres Essen und 5 weitere bezaubernde Menschen. Wenn du zwischen 20 und 35 bist, dich mit der kleinen Philosophie auf unserer Internetseite identifizieren kannst, dann mach mit!

Wenn Du Interesse hast, sende uns einfach ein paar Infos über dich und 2-3 Fotos an folgende Mailadresse: mail@haeppchenweise.net


Permalink

28

Würgereiz beim Zeitschriftenbashing

Standarddebatte in der Feigenblatt-Redaktion.

Chefredakteur Braun so: „Boah Frauenzeitschriften sind sowas von scheiße, lest das bloß nicht, das frisst ja eure Gehirnzellen auf.“
Rezensionista Resi: „Naja dann ist es ja schon erstaunlich, dass ich es anscheinend trotzdem hinkriege, ein geisteswissenschaftliches Doppelstudium abzuschließen.“

Und das, OBWOHL ich Frauenzeitschriften lese. Und zwar nicht zu knapp. Und es kommt noch schlimmer: ich SCHREIBE sogar für manche von ihnen. Und nicht nur deswegen finde ich den gerade vielerorts für den heiligen Gral befundenen TAZ-Artikel Faschismus auf Hochglanzpapier einigermaßen öde. Denn ja: wenn es wieder mal darum geht, wer so für allseits beliebte Reizvokabeln wie „den Beauty-Wahn“, „die Pornografisierung“ oder „die Teenie-Magersucht“ et al. verantwortlich ist, zeigt es sich schnell mit dem Finger auf dünne Models auf glänzenden Seiten. Dass vielleicht ein bisschen mehr dahinter stecken könnte, als Magazine, die zu kaufen, geschweige denn zu lesen, nun wahrlich ja niemand gezwungen wird, und auch genug MENSCHEN sich manchmal einfach nur so ganz gepflegt beschissen fühlen (wollen), wird da leicht unter den Tisch fallen gelassen. Darüber könnte man jetzt ´ne Diplomarbeit schreiben (was- oh Moment- ich auch gerade tue) – einen von hundert trilliarden anderen Gründen gibt es hier.

Ich hab besagte zitierte Jolie vor ein paar Wochen auch gelesen (zum Spaß! Im Schwimmbad! Mit Pommes!), und musste beim Thema „Was uns Sorgen macht“ ebenfalls laut auflachen. Der ansonsten stark ironisierte Blowjob-Guide allerdings, über den man sich nun ja so wunderbar echauffieren kann, ist beispielsweise von Birgit Querengässer geschrieben. Der wunderbaren, smarten und zutiefst zynischen Frau Querengässer, deren satirischen Sexratgeber „Die Feine Art des Vögelns“ ich bedenkenlos zum Standardwerk für jeden koital ambitionierten Haushalt erheben würde, und die selbstredend auch ihren Blowjob-Guide nicht ohne Augenzwinkern verfasst hat.

Solche Feinheiten überlesen sich natürlich leicht in der Metadebatte, in der es wie so oft nur darum geht, dass sich jemand mit-aufregt, weil sich mal wieder jemand aufregt. Alle anderen, die die kritische und eloquente Auseinandersetzung mit dem zeitnössischen Medienprodukt suchen, kann ich an dieser Stelle in richtung englischsprachige Blogs verweisen. Allen voran The Vagenda, aber auch Feministing, Jezebel oder Nerve tragen Tag für Tag so viel Reflektierteres zu dieser Debatte bei, als das eben beschriebene „Wer das liest ist doof“.

Denn nein, Frauenzeitschriften sind nicht per se doof und blöd und gemein und scheiße, es gibt da sehr große Unterschiede und Abstufungen, ja, es gibt eine ganze Riege von unglaublich talentierten Autorinnen, die neben Büchern und Artikeln für „echte“ „seriöse“ Tageszeitungen und „echte“ „okaye“ Blogs auch für so „blöde“ Frauenzeitschriften schreiben. Meike Winnemuth anyone? Susanne Kaloff? Kerstin Weng? Äh….ich?

Denn was beim generalisierenden Meta-Rummotzen gern ignoriert wird: die Aussage „Frauenzeitschriften sind voll blöd“ ist eine zutiefst gegenderte. Auch darüber könnte man zumindest eine Bachelorarbeit schreiben, oh, moment, richtig: hab ich ja längst gemacht. Ein Einser, übrigens – und das, obwohl ich mir das Zeug reinziehe, seit ich 15 bin. Und, oh Wunder, mich manchmal trotzdem noch über andere Themen unterhalten kann als frisch lackierte Fingernägel. So, über was wollen wir als nächstes streiten – Männerzeitschriften vielleicht?


Permalink

4

Würgereiz beim Blowjob-Ratgeber

taz-ArtikelIch habe Frauenzeitschriften immer schon für frauenverachtend gehalten. Aber schließlich bin ich nicht Zielgruppe, und deshalb mag ich mir da kein qualifiziertes Urteil anmaßen. Margarete Stokowski tut das allerdings in ihrem taz-Artikel „Faschismus auf Hochglanzpapier“ – und die Beispiele, die sie zitiert, haben es in sich:

In der Juni-Ausgabe findet sich ein „Blowjob-Guide“ (…) „Pornostar“ Mia Magma erklärt: „Viele Männer stehen darauf, wenn es einem die Tränen in die Augen treibt.“

Dasselbe Heft erklärt unter dem Titel „Was uns erschreckt“, dass ein Viertel der deutschen Frauen mit unrasierten Beinen und unlackierten Fußnägeln herumläuft.

Ich frage mich manchmal, ob es einen spezifisch weiblichen Selbstqual-Gruppenzwang gibt, der Frauen dazu bringt, unbequeme Schuhe zu tragen, sich die Beinhaare auszureißen, obwohl sie nur lange Hosen tragen, und grundsätzlich die Schuld bei sich selbst zu suchen. Was auch die verblüffend verbreitete Lust an sexuellen Unterwerfungsfantasien erklären würde. Aber wie gesagt, das ist ja nicht mein Problem.

Am 20. Juli 2012 von Herbert Braun · Kategorien : Fundstücke


Permalink

8

50 Shades of What the Fuck

Sind jetzt dann bitte bald sämtliche gierigen Sommerlöcher gestopft?

Ist „50 Shades of Grey“ das neue Urheberrechtsgesetz? So langsam, scheint es, gibt es wirklich niemanden mehr, der sich dazu noch nicht in irgendeiner Form geäußert hat – und besonders gern scheinen das die zu tun (und da nehme ich auch meinen hochverehrten Vorgesetzten, seines Zeichens Feigenblatt – Chefredakteur Herbert Braun nicht aus), die das Buch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nicht mal gelesen haben.

Und auch mir erscheint es inzwischen fast ein bisschen zu banal und inzwischen hinfällig hier einfach nur eine Kritik des Buches abzuliefern. Denn dass es unterirdisch mies geschrieben ist und die Hauptpersonen ab Seite eins so sehr nerven, dass auch ich beim Lesen mehrfach kurz davor war, wahlweise mein Tablet oder den Kopf gegen die Wand zu schlagen, dürfte ebenso zum Allgemeinplatz geworden sein wie die generelle „Kunst oder Wichsvorlage“-Debatte darüber, was „erotische“ „Literatur“ „darf“, „kann“ oder „muss“. (Oder um´s in den Worten der Grazia zu sagen: Sind Pornos das neue Pilates? (Wenn ja, solltet ihr mal mein Powerhouse sehen. Nicht. ))

Warum ist genau das jetzt nur so irre erfolgreich? Heißt das, dass die Frauen jetzt reihum alle ein bisschen mehr vermöbelt werden wollen? Wenn Analverkehr der Blowjob der Nullerjahre und den Achtzigern ihr Dreier war, stehen dann die Zehnerjahre gänzlich im Zeichen von Zuckerbrot und Peitsche? Arschversohlen gegen die Krise, wir hatten ja nix, aber immerhin Schmerzen dabei? Wenn sich also „die Frauen“ wie so gern überall heraufbeschworen, „ihre Lust“ „zurückerobern“, ist es also das, wie sie´s dann haben wollen?

So wird sich an wirklich jeder Straßenecke ausführlich aufgeregt über das für und wider, ja und nein, von sexueller Befreiung und dem Drang nach Unterwerfung geredet, BDSM als konsequent-moderner Beziehungsform, und einem gesamtgesellschaftlichen Anspruch, es wird gelästert, ob „man das jetzt muss“, seiner Frau ein Tschibo-Hundegeschirr umschnallen weil die anders nicht mehr kann, es wird sich wieder über das Geläster aufgeregt, weil derjenige BDSM wohl einfach nur nicht verstanden hat, und so geht es eigentlich nur noch höchst peripher um das Buch selbst.

Dabei übersehen tragischerweise dann auch die meisten den für jegliche sinnvolle Auseinandersetzung wesentlichen Punkt: mit einer authentischen BDSM-Beziehung hat „50 Shades of Grey“ schätzungsweise genauso viel zu tun wie Kochschokolade mit Tartufo.

Denn der Spaß beim BDSM besteht im Rollenspiel, nicht im konstanten Eindreschen auf immer dieselben Rollen, die dann im Bett nur noch vertieft werden. Denn Hauptfigur Anastasia ist nicht einfach nur „Sub“ – sie ist das fleischgewordene, personifizierte Opferweib.

Mit 21 noch Jungfrau, stolpert sie selbstbewusstseinsfrei von einem Fettnäpfchen ins nächste, um von ihrem „Dom“ künftig permanent ordentlich runtergeputzt zu werden – dieser befiehlt der ganz offenkundig magersüchtigen Ana (bin ich hier eigentlich die einzige, die die Referenz sieht? Und was ist mit Christians überbordend fröhlicher Schwester Mia, die in Frankreich Köchin wird?) nach kurzem hin und her nicht nur, wann sie was zu essen hat, sondern legt auch klare Regeln für Kleidung, Verhütungsmethode und „sauber“ gewaxter Intimzone vor.

Und genau da liegt vielleicht der perverse Reiz der Beziehung, der Grund, warum das als „Mommy Porn“ verschriene Werk genau bei denen so erfolgreich ist: endlich ist da mal einer, der sich kümmert. Der einem das täglich – lästige Einerlei der weiblichen Existenz abnimmt, und endlich mal sagt, was zu tun ist.

Dass er dafür Privatdetektive engagiert, ihr ungefragt durchs halbe Land nachreist, ihr verbietet zu masturbieren und sie mit einer elektronischen Fußfessel namens Macbook und Blackberry zur Dauerkonversation zwingt – drauf geschissen.

Denn Ana ist unser Frauenzeitschriften – Ich: Auslage in Arbeit. Man kann sich mit ihr identifizieren, weil klar, was peinliches ist mir auch schon mal passiert. Und sie lebt die Erfüllung unseres wildesten Pubertätstraums: Oh, der Typ aus der Oberstufe ist echt superkrass – und dann will er auf einmal was von mir!!!!!! Und dann behauptet er zwar, dass es nur um das Eine geht – und plötzlich – liebt er mich doch!!!!

Anas Beziehungsverhalten ist „He´s just not that into you“ rückwärts – sie benimmt sich einfach mal per Telekommunikation wie ein retardiertes Kleinkind, und anstatt nie wieder zurückzurufen, sitzt der Übermann plötzlich besorgt auf ihrer Bettkante. Und das ist die eigentliche Fantasie, die E.L. James hier erfüllt.

Denn der in „50 Shades of Grey“ dargestellte Sex ist weder irre aufregend noch besonders schockierend – höchstens schockierend blöde. Oder wie Petra Joy es formuliert hat: Es ist […] ein extrem rückständiges, antifeministisches Buch. Die Figur des jungen Unternehmers, der als Kind missbraucht wurde und jetzt nur SM-Sex praktizieren will, unterstützt eine höchst konservative These: dass alle Menschen, die mit SM-Sex experimentieren, irgendwie psychisch geschädigt sind. Schockierend daran finde ich nicht den soften SM-Sex, sondern das unreflektierte Wiederkäuen veralteter Rollenklischees.

Gut gebrüllt, Petra! Diverse amerikanische Experten können das übrigens bestätigen und das Klischee von der finster-missbrauchten Prügelsubkultur ebenfalls wissenschaftlich widerlegen.

Ein befreiendes Buch? Nicht so sehr. Wenn Erotik dort anfängt, wo man tatsächlich nicht nur seinen Körper entblößt, sondern auch sein eigenes sexuelles Begehren offenbart, ist bei Pro-Ana (so oder so) nicht mehr viel zu finden. Denn ihre Sexualität ist keine selbstgewählte. Es ist die Sexualität einer verstörten Zwölfjährigen, die alles tun würde, um ihrem in jeder Hinsicht überlegenem Schatzi zu gefallen. Es ist eine selbstverschuldete Unmündigkeit, in die sich Anastasia begibt, und eine Absage an unser verwirrendes lautes Leben, das sie (und alle die sich ein bisschen zu sehr mit ihr identifizieren können) fälschlicherweise als Befreiung abfeiern.

Schon klar: Selbstbestimmung ist kein Zuckerschlecken. Aber wenn das hier unsere sexuelle Revolution sein soll, will ich lieber weiterhin Angst vorm Fliegen haben.


Permalink

4

Weltbild: Wir hassen die Bücher, die wir verkaufen

Madonna (c) redfloor/stock.xchng (Ausschnitt)Bitte haben Sie Mitleid mit den Moraltheologen des Buchhandelskonzerns Weltbild/Hugendubel: Sie leben in schwierigen Zeiten.
Da gibt es dieses Buch, über das alle reden, das aber „dem Welt- und Menschenbild [widerspricht], von dem wir uns als Buchhändler leiten lassen“. Deshalb möchte das Unternehmen, das der katholischen Kirche gehört, den Soft-SM-Roman „Shades of Grey“ lieber nicht verkaufen.

Obwohl, halt, warten Sie. Wäre es nicht unethisch, dem Volk seine Wünsche zu verweigern? Womöglich würden die verirrten Schäfchen ihre Bettlektüre woanders kaufen. Und so hat man wenigstens die Gelegenheit, den eigenen Kunden noch eins mitzugeben. Stellen Sie sich die folgende Passage bitte mit der Stimme vor, die beim Schulmädchen-Report die Off-Kommentare („die zügellose Jugend von heute …“) einsprach:

„Wir sehen das Buch als sehr problematisch an. Und wir erfahren, dass diese Einschätzung von vielen Leserinnen und Lesern (…) geteilt wird (…). Einige Zitate mögen belegen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Buch unverzichtbar ist.“

Bestellen Sie jetzt hier (und schämen Sie sich, Sie Perverser).


Permalink

off

Schlaflos in Hannover

Verehrte Hannoveranerinnen!

Sollte es bei Ihnen daheim in nächster Zeit ein stark erhöhtes Verkehrsaufkommen geben, hat ihr Liebster wahrscheinlich die Neue Presse gelesen.

Hey, keine Ursache. Schlafen Sie gut! Dankesschreiben und -Geschenke bitte an die Redaktionsadresse. Am Liebsten sind mir Champagnertrüffel.

Bussi,
Ihre freie Journalistin
für Erotisches


Permalink

off

Sexgequatsche öffentlich-rechtlich

Was passiert, wenn sich die „Frau mit Penetrationshintergrund“ Paula Lambert vollbekleidet in ein Bett legt, und bei lecker Weinchen jeweils zwei besonders ausgewählte Herren der Schöpfung getrennt voneinander zu „sexy Themen“ befragt? Laut ZDF Kultur folgendes:

Moderator Nilz Bokelberg bekennt sich zum „zweckgebundenen Schauen von Pornos“. Der Arthouse-Porno-Regisseur RP Kahl findet es schwierig, Sex im Film darzustellen.

Das klingt dann unter anderem so:

Analverkehr? Steh ich nich so drauf, sag ich jetz mal so, also ganz ehrlich.
– Ih ne, hab ich auch noch nie gemacht. Stell ich mir aber auch unsexy vor, also für beide jetzt. Ich brauch doch meinen Platz!

Ho ho ho ho ho. Lieber schnell das Thema wechseln und stattdessen eine Biolek-Anekdote über lecker Weinchen auftischen. Oder mal eben einen Porno nacherzählen, am Besten, ohne den Titel zu nennen oder gar eine (ZDF-gerechte) Sequenz einzublenden, damit der Zuschauer sich ein Bild davon machen könnte, was den Interviewten nach Eigenaussage so wuschig macht. Oder wie das VIVA-Ausnahmetalent selbst bescheinigt:

Spannender wirds leider nicht.

Ja, schade eigentlich. Man kann eben auch alles ein bisschen zerreden.

Im Bett mit Paula, Sonntags 22 Uhr auf ZDF Kultur, wer sich die erste Folge dennoch ansehen will, kann das hier in der ZDF – Mediathek tun.

Am 10. Juli 2012 von Theresa Lachner · Kategorien : Kulturtipps