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Vögel- und jugendfrei

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat sich eine Bestseller-Autorin vorgenommen: Sophie Andreskys „Vögelfrei“ stand zur Debatte. Der Pornoanwalt hat das Sitzungsprotokoll veröffentlicht. Interessante Lektüre.
Eine 12-köpfige Jury, der unter anderem Jugendhelfer und Kirchenvertreter angehören, diskutierte darüber, ob der Roman pornografisch (also schwer jugendgefährdend) oder einfach jugendgefährdend sei. Dabei gab man sich Mühe – das Protokoll ist immerhin zehn Seiten lang.
Zuerst kam der Beschuldigte zu Wort. In seiner Verteidigung behauptet der Verlag (Heyne / Random House) allen Ernstes, Erotikliteratur sei eine „Männerdomäne“ (das war sie vielleicht vor dreißig Jahren), der Andresky eine „eigene weibliche Perspektive“ entgegensetze. Anders gesagt: männliche Sexfantasie bäh, weibliche Sexfantasie toll. Gegen die Einschätzung als Pornografie spreche, dass die Protagonistin in den sexuellen Ausschweifungen keine Erfüllung findet – vielleicht ist das die Erklärung, warum Sex in der deutschen Belletristik meistens so deprimierend ist. Oh, auf Seite 5 wird aus unserer Rezension zitiert! Nebenbei erfahren wir, dass Heyne stattliche 100.000 Exemplare des Romans unter die Leute gebracht hat.
Letztlich stufte die BPjM das Buch trotz seiner durchaus derben und stimulierend gemeinten Stellen nicht als pornografisch ein, weil es auch eine ernstzunehmende Handlung mit Zwischenmenschlichkeit und Reflexionen enthält. Da weder die Hauptfigur noch ihre zahlreichen Beschäler als bloße Sexobjekte dargestellt sind, liegt auch keine einfache Jugendgefährdung vor. „Das Gremium hat insbesondere die Kapitel ‚Leo‘ und ‚Gemma‘ länger diskutiert, weil darin u.a. sadomasochistische Handlungen beschrieben werden“, doch zum Glück empfindet die Hauptfigur diese „nicht als schön“.
Jugendgefährdend ist „Vögelfrei“ nicht, aber jugendbeeinträchtigend – was die Prüfstelle allerdings nichts angeht: „Insbesondere obliegt es daher im Bereich der Printmedien Eltern und anderen Erziehenden, solche Inhalte entsprechenden Altersgruppen nicht zugänglich zu machen.“ Tatsächlich: Auf Jugendliche, die nur Online-Pornos kennen, könnte so ein Roman verstörend wirken.


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Häppchenweise guter Sex

Kinders, was hab ich mich heut schon gefreut. Während vor mittlerweile rund einem Jahr Jungregisseur Sergej Moya mit seinem Projekt Hotel Desire Crowdfunding-Geschichte schrieb, macht sich nun eine unerschrockene kluge Frau daran, das Wesen unserer Sexualität zu ergründen. Regisseurin Maike Brochhaus ist hauptberuflich Lehrbeauftragte der Kunstwissenschaft und promoviert gerade über BruceLaBruce, ihr postpornographisches Experiment Häppchenweise finden auch unsere Homies vom Porn Film Festival Berlin spitze und wir schließen uns da ganz umgehend an. Das Konzept ist schnell erklärt:

Sechs Menschen, ein Raum, ein Abend, ein Essen, viel Sinnliches und vieles zu Entdecken. Ein Film der zeigt wie Körper und Gemüter sich begegnen können, wenn man sie nur lässt …

Aber bitte, seh´n Sie selbst!

Nom nom nom. Die flotte Rothaarige aus der Badewanne wurde inzwischen zwar von der Liebe befallen und wird ihre Stiefelettchen nur noch privat beim Plantschen tragen, doch auch der Rest vom Cast kann sich ja wirklich sehen lassen. Hohe Schnauzerdichte! I like! So, und nun noch ein bisschen Theorie:

PostPorn ist gleichsam Nutzung und Verwerfung von Industriestandards. Nutzbar ist sicherlich die technischmediale Weiterentwicklung, die Demokratisierung der Verbreitungswege und Gewinnung darstellerischer Freiheit durch und über das Internet. Industriestandards meinen aber auch beschränkte Bilder von Körperlichkeit und Sexualität, die sich über viele Jahre hinweg zu einem weiten, ebenfalls schwer definierbaren Feld der Mainstreampornografie gefestigt haben. Postpornografische Darstellungsformen positionieren sich dazu bewusst als Gegenentwürfe und emanzipieren sich über eine standardisierte Darstellungslogik.

Jawollja. Hieß bei Sergej Moya letztes Jahr noch PorNeographie, im Filmsonderheft lief das ganze unter Indie Porn, und ich bin mir sicher, dass auch Franzi dazu noch etwa 200 gute Bezeichnungen einfallen würden. So viel lässt sich wahrscheinlich schon jetzt vorhersagen: es wird gut, es wird klug, es wird neu, es wird anders. Und wahrscheinlich wird uns allen auch ein bisschen heiß dabei.

Damit die gute Idee auch klappt, braucht Frau Brochhaus nun unser Geld. Im Gegenzug dafür können wir uns, je nach Höhe des Spendenbeitrags, mehr oder weniger ins Geschehen einmischen, etwa eine Flaschendreh-Frage für den Film ausdenken, eine Requisite vom Set bekommen, namentlich im Abspann erwähnt werden, und so weiter und sofort. Für schon 15 Euro gibt´s den fertigen Film zum selberdownloaden. Also einmal Kino mit Popcorn. So viel sollte uns die sexuelle Gegendarstellung doch allemal wert sein, oder?

Spenden geht noch bis 2.August. Supporter werden: check!

Am 27. Juni 2012 von Theresa Lachner · Kategorien : Pornös


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Um die Wette lieben

Vor ein paar Wochen hat unser bester Freund Internet einen neuen Lackmustest in Sachen (Zwischen-)Menschlichkeit produziert. Wir erinnern uns: Der Typ in Portland, der zu Bruno Mars „Marry You“ diese großartige Hochzeitsantrag-Performance produziert hat, und damit nicht nur das Weib, sondern auch sieben Millionen Klicks und Props vom Schnulzensänger persönlich bekommen hat.

Danach gab es eigentlich nur eine Frage: hast du geweint? Und wenn nicht, was bist du denn für ein Mensch bitte? Und, hey: klar hab ich geweint! Und zwar nicht nur ein bisschen! Richtig dicke fette Krokodilstränen waren das, die laut aufgeplatscht sind auf dem Schreibtisch. Und das, obwohl ich heiraten noch nicht mal für die weltbeste Idee halte. Aber gegen den Anblick von ein paar stinknormalen Menschen, die ihre Liebe unkonventionell zelebrieren, ist eben kein Kraut gewachsen. Vor allem nicht, weil es echt ist. Weil es jeder/jedem von uns passieren könnte, die Alltagsromantik, die uns hinterrücks in einen Kofferraum wirft und uns zeigt, wo der Bartl den Most holt. Es ist dieser potentielle Realitätsbezug, der uns so verdammt anfällig für die kleinen ganz großen Gesten da draußen auf Youtube macht. Und dann kam das hier:

Und ich hab nicht mehr geweint. Weil mich Menschen aufregen, die aus allem eine Scheiß-Competition machen müssen, größer, lauter, spektakulärer. Besser organisiert. Weil zu viele Kameras dabei sind, die die riesengroßen Gefühle einfangen sollen, denen man nur durch eine noch riesengrößere Inszenierung gerecht werden kann. Was lange Hochzeiten vorbehalten war, soll also jetzt schon beim Antrag passieren. Anstatt uns unter der Bettdecke süße Dinge ins Ohr zu flüstern, wollen wir also Klicks dafür, immer mehr Klicks. Und irgendwann haben wir Facebookfotoalben die „Geilste Ehe des Jahrtausends“ heißen. Ich freu mich schon auf das erste Video, auf dem im Baseballstadium auf Großleinwand inklusive Live-Reaktion verkündet wird: Honey, ich will die Scheidung. Das könnte uns doch allen noch mal so richtig zu Herzen gehen.

Am 25. Juni 2012 von Theresa Lachner · Kategorien : Gedanken


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Autorinnen-Interviews, Folge 3: Anna Blumbach

Für meinen Artikel „Verklemmtes Weltbild“ im aktuellen Feigenblatt „Mit Haut und Haar“ (Seite 81) habe ich Interviews mit drei Autorinnen erotischer Literatur geführt. Weil sie alle viel Interessantes zu erzählen hatten und der Platz im Heft begrenzt ist, veröffentlichen wir die kompletten Interviews auf der Website. Nach Corinna Rückert und Inka Loreen Minden schließen wir die Reihe mit Anna Blumbach ab. Blumbach war schon länger literarisch aktiv, bevor sie ihren ersten Erotikroman „Kurze Nächte“ bei Anais veröffentlichte; ihr zweites Buch „Glitzerregen“ wird Mitte Juli erscheinen.

Anna Blumbach, © Anne Behrndt / www.freielanze.deWürden Sie Ihre beiden Romane als „erotische Literatur“ bezeichnen – oder was wäre die Schublade Ihrer Wahl?Wenn mir jemand diese Frage stellt, dann sage ich immer, dass ich Romane schreibe, und wenn dann nachgefragt wird, worüber ich schreibe, ist meine Antwort: „Über das Leben“. Ich habe mich selbst schon gefragt, warum ich in solchen Situationen nicht einfach sage, dass ich erotische Literatur schreibe. Manchmal liegt es daran, dass ich mein Gegenüber nicht besonders gut kenne und deshalb keine Lust auf eine Reaktion habe, mit der ich gerade nicht umgehen mag. Manchmal liegt es daran, dass ich das dumpfe Gefühl nicht loswerde, dass eine Autorin, die „erotische Literatur“ verfasst, als „seriöse“ Schriftstellerin nicht gerade respektiert wird.

Es liegt aber vor allem daran, dass ich meine Bücher selbst nicht als explizit auf Erotik fokussiert ansehe. Meiner Ansicht nach drehen sich die Geschichten tatsächlich (bloß) um das/ein Leben, sind also Romane im ganz klassischen Sinne, allerdings wird in meinen Büchern der Sex, der im Leben nun einmal auch vorkommt, nicht ausgespart, umschrieben oder bloß angedeutet.Wie sind Sie auf die Idee gekommen, erotische Romane (ich bleibe mal bei diesem Begriff) zu schreiben?Nein, ich bin nicht auf die Idee gekommen, eines Tages solche Romane zu schreiben. Meine erste Geschichte, die ich geschrieben habe, war eine Kurzgeschichte, eine Kindheitserinnerung – völlig naiv, sehnsüchtig und in dem Bestreben, etwas festhalten zu wollen, das ich nicht vergessen wollte. Einige Jahre lang habe ich dann hauptsächlich Kurzgeschichten und Gedichte geschrieben. Diese beiden literarischen Genres mag ich am liebsten.

Irgendwann drehte es sich dann in diesen Texten auch mal um Liebesdinge, aber ich hatte immer das Gefühl, ich dürfte nicht zu explizit über Sex schreiben, weil … das ist dann ja keine richtige Literatur – aber ich wollte richtige Literatur produzieren, damals mit Anfang zwanzig. Aber mit Ende zwanzig und einer Menge gelesener Bücher von anderen AutorInnen, da begann ich mich beim Lesen neuer Bücher immer öfter zu langweilen. Ich vermisste die Themen, die mich beschäftigten, ich wollte Antworten, und noch viel lieber hätte ich – bitte schön – Lösungskonzepte für meine Probleme in meiner Lebenslage präsentiert bekommen, aber ich wollte keine Ratgeber lesen, ich wollte Inspiration und Provokation.

Also nein, es gab keine Idee und keinen Plan, solche Bücher zu schreiben, ich habe mit meinem ersten (bisher unveröffentlichten) Roman im Grunde bloß geschrieben, was ich selbst gern gelesen hätte. In diesem Buch drehte es sich um das Leben in den Neunzigern in Berlin und den Jugoslawienkrieg. Ich habe dieses Manuskript damals aber nirgends eingereicht, weil mir klar war, dass dieser Stil und dieser Inhalt auf dem damaligen Literaturmarkt keine Chance gehabt hätte. Immerhin habe ich für den Titel eine Menge Insider-Ruhm-und-Ehre eingeheimst.

Mit Ende zwanzig wollte ich also unbedingt schreiben, was ich loswerden musste, und ich hatte inzwischen genügend Selbstbewusstsein, um auf keine Buchmarktverwertbarkeit zu schielen. Völlig theatralisch ausgedrückt: Ich musste dieses Buch einfach schreiben. Mit allem, was dort hinein gehörte, und sei es explizit beschriebener Sex in versautester Sprache. Derart von den großen Vorbildern, der Verwertbarkeit und den eigenen (alten) Ansprüchen gelöst zu schreiben, hat wahnsinnig Spaß gemacht – und in der Tat habe ich seitdem immer wieder diese wirklich guten Flow-Momente beim Schreiben.Wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert?Mein engerer Freundeskreis weiß ja schon seit Jahrzehnten, dass ich manchmal eben auch solche Texte schreibe. Und Fremden binde ich meine Veröffentlichungen nicht unbedingt auf die Nase. Mein Sohn weiß inzwischen, dass ich „Bücher für Erwachsene“ schreibe, und dass er, falls er einmal in der Schule oder anderswo Stress deshalb bekommen sollte, hoffentlich den Mut haben wird, selbstbewusst damit anzugeben, dass seine Mutter gutes Geld damit verdient. Ich möchte wirklich nicht, dass er unter den Vorurteilen von Vollpfosten zu leiden hat, weil ich solche Bücher schreibe. Das ist im Grunde meine größte Sorge, was die Reaktion eines „Umfeldes“ betrifft.

Allerdings hätte ich auch ohne Kind ein Pseudonym gewählt, weil ich ja nicht sicher sein konnte, von meinem Schreiben leben zu können und mit dieser Biographie, wohlmöglich auch noch im Netz veröffentlicht, eine Arbeit zu finden, würde sicher nicht einfach werden, dessen war ich mir sicher.Schreiben Sie (noch) unter anderen Namen in anderen Genres?In den letzten Jahren sind einige Gedichte in diversen Anthologien (wie es immer so schön heißt) unter meinem bürgerlichen Namen erschienen.Ihre beiden Romane sind aus der Ich-Perspektive geschrieben. Wieviel Autobiografie steckt darin und wieviel erfinden Sie?Diese Frage ärgert mich schon seit Jahren. Aber ich möchte mich nun doch einmal dazu äußern. Vor Kurzen hatte ich mich in einem Gespräch mit einem Autor genau über diese sehr häufig gestellte Frage mokiert. Ich sagte ihm, dass meine Bücher nicht mit dem Wörtchen „Autobiographie“ untertitelt seien, und dass doch wohl niemand auf die Idee käme, Stanislaw Lem zu fragen, wie es denn auf dem Mars so gewesen sei, da sagte er: „Aber diese Frage musst du dir gefallen lassen, weil doch das Geschriebene deinem Kopf entsprungen ist.“

Nun gut, dem kann ich nicht wiedersprechen. Stimmt schon. Mein Kopf – mein Text. Und umgekehrt. Aber ich habe mich nun ganz divenhaft dazu entschlossen, dieses Geheimnis nicht zu lüften. Nur soviel dazu: Ich würde gern einmal einen Roman schreiben, der einen längeren Zeitraum von einer Minute zur nächsten glaubwürdig beschreibt und vom Anfang bis zum Ende mordsmäßig spannend bleibt.Ich habe den Eindruck, dass sich deutsche Belletristik-Autoren selten lustbetont mit Sex auseinandersetzen und dieses Thema komplett in ein „Erotik“-Genre abgeschoben wird. Sehen Sie das auch so – und woran könnte das liegen?Ja, das sehe ich auch so. Und ehrlich gesagt, finde es wirklich schade. Wieso sollte man/frau keine großartige Weltliteratur verfassen, in der auch sexy Sex auftaucht? Allerdings muss ich zugeben, dass Lady Chatterleys Glockengebimmel, als Um- oder Beschreibung ihres Orgasmus‘, dann doch nicht meiner Erlebniswelt entspricht, zugegeben, es allerdings auch schlecht kann, weil ja beinahe ein Jahrhundert zwischen uns liegt.

Ich denke also, dass es schon sehr schwierig ist, Sex glaubwürdig und lustvoll (ob gut oder schlecht), in einer adäquaten Sprache zu beschreiben. Wie schnell es einen aus einer Szene hauen kann, wenn man sich im Eifer des Gefechts ganz plötzlich an einem Wort aufhängt? Das ist im wahren Leben ja ebenso. Aber meines Erachtens ist das größte zu überwindende Problem die Peinlichkeit. Einerseits die Scham beim Schreiben: „Was denkt denn jetzt die ganze Welt von mir?“, und dann die peinliche Betretenheit der Rezipienten, die sich dann tatsächlich ihren Teil beim Lesen denken.

Ich schlage vor, dass es die SchriftstellerInnen doch bitte öfter einfach machen sollten. „Scham ist nichts für Schriftsteller“, sagte Philip Roth in einem Interview und da gebe ich ihm recht. Ich habe den Anspruch, authentisch wirkende Geschichten zu schreiben, weil ich selbst gern beim Lesen berührt werde und mich mit den Charakteren identifizieren können möchte oder mich meinetwegen auch abgestoßen fühlen – nur muss der Text schon etwas mit mir machen, ansonsten klappe ich das Buch sehr schnell wieder zu.

Aber die Scham beim Schreiben auszublenden, das ist nun einmal nicht so einfach, wenn man ein Kind hat, Eltern, Verwandte und Bekannte, von denen man genau weiß, dass man sie mit seinen geschriebenen Texten verletzen und/oder abstoßen könnte. Das verstehe ich schon.Wissen Sie etwas von Ihren Lesern? Bekommen Sie da Rückmeldungen?Ja, da gibt es ganz schöne Geschichten, auf die ich selbst nie gekommen wäre. Ein Mann erzählte mir, er hätte „Kurze Nächte“ neben seinem Bett liegen gehabt, als seine neue Freundin es zur Hand nahm und darin herumblätterte. Sie blieb an einer Stelle hängen, die ihr vom Ablauf der Geschehnisse bekannt vor kam und sprach ihn darauf an. Unter großen Mühen musste er sie dann davon überzeugen, dass er es noch gar nicht so weit gelesen hatte. Es tut mir zwar leid, dass er wegen meines Buches Stress gehabt hatte, aber die Tatsache, dass ein Buch dermaßen in ein Leben eingreifen kann, das erstaunt mich schon sehr.

Ein anderer Mann erzählte mir, er würde seinen Freundinnen (der Ex und der jetzigen) bestimmte Passagen aus meinem Buch vorlesen, was ihnen wohl sehr gut gefallen würde. Auch eine Lesevariante, auf die ich selbst nicht gekommen wäre. Einige Frauen waren immerhin so mutig, mich wissen zu lassen, dass sie beim Lesen „angeturnt“ werden wollen und es gerade deshalb gekauft hätten.

Ein Freund sagte mir, dass er sauer auf mich sei, weil ich als Autorin gerade in den Sexszenen an einigen Stellen viel zu gern ironisch reinflanke, und ich möchte dies doch bitte in Zukunft bleiben lassen, weil ich ihm „die Stimmung“ damit verderbe. Und es gibt LeserInnen, die mir offen sagten, dass sie die Sexszenen ausgelassen haben, weil sie gerade nicht „so“ drauf seien, aber dass sie ihre Lieblingsgeschichten im Buch hätten. Daraus entnehme ich, dass es sich offenbar auch ohne die Sexpassagen ganz gut lesen lässt.Lesen Sie selbst erotische Literatur? Was gefällt Ihnen, was lehnen Sie ab?Früher habe ich alles von Henry Miller gelesen – ist er ein Erotikautor? Seine Bücher mochte ich sehr, gerade auch wegen seiner Schamlosigkeit, der Sprache und des Tiefgangs. Heute würde er mir wohl nicht mehr so sehr zusagen, weil sein Frauenbild völlig verklärt ist, von wegen Heilige und/oder Hure. Das ist mir zu simpel. Durch ihn bin ich auf Anais Nin gestoßen, aber ihre Sprache ist mir zu gewollt gewählt. Entschuldigung, aber ihre Texte sind mir zu schnulzig.

„Schweinerei“ von Marie Darrieussecq hat mir damals ganz gut gefallen. Ich habe auch einige Bestseller gelesen, um mich etwas schlau zu machen, was und wie andere AutorInnen „darüber“ schreiben. Aber ich kann mich inzwischen leider des Eindrucks nicht erwehren, dass AutorInnen, die über Sex schreiben, anerkannter sind, wenn der Sex in ihren Büchern negativ beschrieben wird, als Trauma, sich die Protagonisten in der Opferrolle befinden, oder sich gar damit selbst verletzen wollen. In diese Kategorie gehören für mich beispielsweise „Elementarteilchen“ von Michel Houellebecq oder auch „Axolotl Roadkill“ von Helene Hegemann.

Bücher, in denen die Protagonisten ihren Spaß daran haben, strotzen leider vor an den Haaren herbei geschriebenen Situationen, in denen es einigermaßen plausibel ist, dass jetzt der Sex stattfindet. Und dann gibt es noch die Bücher, in denen unter dem Deckmantel der Lustigkeit und Ironie einfach alles passieren kann.

Also nein, ich gehe nicht los und kaufe mir explizit erotische Literatur. Ich wäre sehr dankbar für einige gute Tips. Das letzte Buch aus diesem Genre, das ich gern gelesen habe, war „Frühling und so“ von Rebecca Martin, weil die Geschichte authentisch wirkte, und es mich ungemein interessiert hat, wie die junge Mädchen heute ticken. Außerdem gefiel mit die „Denke“ der Protagonistin.


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Autorinnen-Interviews, Folge 2: Inka Loreen Minden

Für meinen Artikel „Verklemmtes Weltbild“ im aktuellen Feigenblatt „Mit Haut und Haar“ (Seite 81) habe ich Interviews mit drei Autorinnen erotischer Literatur geführt. Weil Corinna Rückert, Inka Loreen Minden und Anna Blumbach viel Interessantes zu erzählen hatten und der Platz im Heft begrenzt ist, veröffentlichen wir die kompletten Interviews auf der Website. Nach Corinna Rückert kommen diesmal Inka Loreen Minden, Lucy Palmer und Loreen Ravenscroft zu Wort – hinter denen sich ein und dieselbe Autorin verbirgt, und zwar eine äußerst produktive: In wenigen Jahren hat sie 25 Bücher, 5 Hörbücher und zahlreiche E-Books veröffentlicht. Im Interview spricht sie über schwule Erotik, BDSM und Romantik.

Inka Loreen Minden © Guido Karp / p41d.comWie sind Sie auf die Idee gekommen, erotische Romane zu schreiben?Das war ein fließender Übergang. Ursprünglich wollte ich nur Jugendbücher schreiben, doch meine Protagonisten wurden immer erwachsener und leidenschaftlicher. Plötzlich flirrte und prickelte die Luft. Sie wollten mehr als nur Händchen halten. Da war mir klar, dass ich dringend das Genre wechseln muss.Inka Loreen Minden, Lucy Palmer, Loreen Ravenscroft – wie kam es dazu, dass Sie unter verschiedenen Pseudonymen schreiben?Da ich 2006 immer noch mit dem Gedanken spielte, einmal Jugendbücher zu veröffentlichen, wollte ich die Erotik klar von meine anderen Werken abgrenzen. Doch ich wollte ein Pseudonym, mit dem ich mich identifizieren konnte. Inka Loreen Minden ist daher ein Anagramm meines echten Namens.
Lucy Palmer bin ich nur bei Blue Panther Books. Das Pseudonym hat der Verlag ausgesucht.
Für Loreen Ravenscroft entschied ich mich (Ravenscroft heißt übrigens mein Pirat aus „Der Freibeuter und die Piratenlady„), da ich noch ein Manuskript auf der Festplatte hatte, das zwar erotisch angehaucht war, aber meine Erotikleser sicher enttäuschen würde, wenn ich es als Inka herausgebracht hätte. „Blutflucht: Evolution“ ist eine dystopisch angehauchte Romantasy und kein Erotikroman.Sie sind ja ausgesprochen produktiv. Arbeiten Sie an mehreren Romanen gleichzeitig? Wie lange brauchen Sie für ein Buch?Früher habe ich tatsächlich an mehreren Romanen gleichzeitig gearbeitet, heute schaffe ich das nicht mehr. Einmal, weil das fortschreitende Alter seine Tücken mit sich bringt, und zum anderen, weil ich sehr enge Termine habe. Und als Autor schreibt man nicht nur an einem Werk, zwischenzeitlich kommen andere Titel aus dem Lektorat zurück, um die man sich kümmern muss, mal eine Kurzgeschichte dazwischen schieben, Interviews, Artikel, etc.
Für ein Buch brauche ich etwa drei Monate, bis die Rohfassung steht (Plotten, Recherchieren, Schreiben, Korrigieren). Wenn ich mit dem Werk einigermaßen zufrieden bin, bekommen es meine Testleser bzw meine geschätzte Lektorin Alex. In der Zeit finde ich auch Abstand zum Buch und stehe dem Ganzen nicht mehr so betriebsblind gegenüber. Danach geht es noch mal gründlich ans Überarbeiten.Bei all den leidenschaftlichen Sexszenen, die Sie sich ausdenken: Wo nehmen Sie die Inspiration dafür her – und läuft man da nicht Gefahr, sich zu wiederholen?Meine Muse küsst mich unerlässlich. Sie ist ein wahrer Sadist und liebt es, mich zu quälen. Noch habe ich zu viele Ideen, die ich ständig auf unzähligen Zetteln notiere, um sie fürs Erste aus dem Kopf zu haben. Aber wenn ich an ein neues Buch oder eine Geschichte gehe, steht nicht die Sexszene im Vordergrund, sondern die Geschichte zweier Menschen (oder Vampire, Engel, Dämonen, Piraten …). Mich interessiert ihr Handeln, warum sie sich lieben oder verlieben. Das Zwischenmenschliche, die Sinnlichkeit – das ist mir wichtig, auch wenn’s in meinen Storys deftig zugeht und ich kein Blatt vor den Mund nehme.
Ja, die Wiederholungsgefahr ist groß, vor allem nach über hundert entwickelten Plots. Da wird es wirklich immer schwerer, sich was Neues auszudenken. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum ich nicht nur im Hier und Jetzt schreibe, sondern in der Vergangenheit, der Zukunft, in alternativen Welten. Und Sex zwischen einem Engel und einem Dämon ist definitiv „intensiver“ als zwischen Normalsterblichen – da kann ich es schon mal richtig krachen lassen.Wenn man zum ersten Mal hört, dass viele schwule Erotikromane von Frauen geschrieben wurden, wirkt das erst einmal ziemlich überraschend. Haben Sie eine Erklärung dafür?Die Erklärung liegt auf der Hand, wenn man sich fragt: Warum stehen Heteromänner auf Lesbensex? So finden wir Frauen halt auch: Ein Mann ist heiß, zwei Männer sind eben heißer.Gibt es für Sie eine Grenze zwischen erotischer und pornografischer Literatur – und auf welche Seite würden Sie Ihre Bücher stellen?Mit meinen Büchern würde ich mich liebend gerne auf der erotischen Seite sehen, doch das liegt wohl immer im Auge des Betrachters und des persönlichen Empfindens. Für mich gibt es sehr wohl einen Unterschied zwischen Erotik und Pornografie. Erotik spricht die Sinne an, die Emotionen, die Herzen, während Porno für mich die Beschreibung des reinen Aktes ist. Auch gewisse Ausdrücke gehören für mich eher in einen pornografischen Text (die möchte ich jetzt hier lieber nicht aufzählen).
In meinen Texten bemühe ich mich um eine niveauvolle Wortwahl und einen „Rahmen“, gebe den Figuren eine Geschichte, Gefühle und Motivationen. Der Leser kann meinen Protagonisten in die Köpfe sehen. Da wird geliebt und gelitten – ich sag immer: In meinen Storys wird mit Gefühl gevögelt. Die Romantik ist mir wichtig. Das Prickeln zwischen den Personen, damit der Leser weiß: Die beiden empfinden mehr als pure Lust, mehr als den reinen Sextrieb. Da steckt richtige Leidenschaft dahinter und deren Antrieb ist die Liebe. Ich bin Happy-End-Freak. Das wahre Leben ist grausam genug.Wo setzen Sie die Grenzen bei dem, was Sie beschreiben?Bei mir geschehen alle sexuellen Handlungen nur im gegenseitigen Einvernehmen meiner Protagonisten. Bisher hat sich noch keiner von ihnen bei mir beschwert, also scheine ich es richtig zu machen. Inzest, Sex mit Kindern oder Tieren, Gewalt – das sind alles No Gos für mich. Beim Leser muss ein gutes Gefühl zurückbleiben, er soll sich wohl fühlen beim Lesen.Haben Sie das Gefühl, dass erotische Literatur auf dem Buchmarkt als Schmuddelkind gilt?Jein. Zwar kam die erotische Literatur in den letzten Jahren immer mehr aus der Schmuddelnische heraus, doch irgendwie erlebe ich gerade einen Trend rückwärts, es geht wieder mehr hin zur Pornografie, zumindest im literarischen Bereich. Außerdem findet man in den Buchhandlungen kaum noch Erotikliteratur, wenn man Glück hat, im hintersten versteckten Regal. Online-Shops und andere Anbieter verbannen die Erotik in eigene Listen und aus den Rankings. Aber seit der Einführung der E-Reader boomt sie richtiggehend. Jetzt kann man Erotik in der Öffentlichkeit lesen, weil kein Buchumschlag das sündhafte Geheimnis verrät.Wer sind Ihre Leser? Gibt es da Rückmeldungen?Ursprünglich war mein Motto: Erotik von Frauen für Frauen. Ich hatte auch nicht gedacht, dass Männern meine eher romantisch angehauchte Erotik gefällt. Weit gefehlt. Ich bekomme zwar nicht ganz so viele Zuschriften von Männern, aber doch einige, und ich finde es ganz toll, dass auch Männer sagen: Wir wollen was fürs Herz.
Überwiegend sind es aber doch Frauen. Weil sie einerseits mehr lesen und auch durch die Gay Romance, die ich schreibe, meine Zielgruppe sind. Ich bekomme zwar auch sehr nettes Feedback von schwulen Lesern, aber das ist eher die Ausnahme, weil Gay Romances, von Frauen geschrieben, gezielt das weibliche Publikum ansprechen.Was gefällt Ihnen als Leserin erotischer Literatur – und was lehnen Sie ab?Ich mag es, wenn die Erotik in den BDSM-Bereich geht (darüber schreibe ich auch am liebsten). Dazu brauche ich aber eine schöne Rahmenhandlung, am besten eine Geschichte, die auch funktionieren würde, wenn man die Erotik wegließe. Viel Liebe und Romantik, was zum Schmachten und Wegträumen. BDSM-Erotik empfinde ich als intensiver, weil die Zuneigung, die Hingabe der Protagonisten stärker ist, da man dem (dominanten) Partner sehr vertrauen muss, man sein Wohl in seine Hände legt.
Meine Heldinnen sind immer selbstbewusste Frauen, die sich nehmen, was sie wollen (insgeheim jedoch einen Macho, einen richtigen Kerl, einen Tortured Hero bevorzugen, ihm aber Paroli bieten).
Über dauergeile Weibchen, die einen Superorgasmus nach dem anderen haben und sich alle Widerlichkeiten und Demütigungen gegen ihren Willen gefallen lassen … möchte ich daher auch gar nichts lesen.

 

Am 30. Mai 2012 von Herbert Braun · Kategorien : Interviews


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Girl on Girls

Jede Generation bekommt die Carrie Bradshaw, die sie verdient.

Und wahrscheinlich ist nicht nur mir vergangenen Sonntag ein kleines bisschen Restalkohol hochgekommen, als das Original in Sex and the City 2, inzwischen auf den Großteil seiner Gesichtsmimik verzichtend (wahrscheinlich, um weiterhin von Mr.Big konsequent „Kleines“ genannt werden zu können) in sekündlich wechselnden Outfits desorientiert durch die arabische Wüste gestolpert ist, um ihre „strong female voice“ ausgerechnet in einem muslimischem Buchclub wiederzufinden, in dem gerade ein Wechseljahrsbeschwerden-Bestseller diskutiert wird. In Louis Vuitton unter dem Niquab, selbstredend.

Denn auch, wenn es bestimmt ein paar Jahre ganz gut geklappt hat, uns einzureden, Female Emowerment und all sowas würde am Besten auf arschteuren Zwölf-Zentimeter-Absätzen funktionieren und kann, genau wie Sex, als frei verfügbare Ware in der Boutique umme Ecke konsumiert werden, auch wenn wir vermutlich alle tatsächlich etwas unverblümter über das mit dem Reinstecken plaudern als vor fünfzehn Jahren, wenn Single Girls weltweit sich jetzt nicht mehr für ihren Sexualtrieb schämen, sondern vermutlich eher dafür, dass sie ihn nicht 24/7 mit komplett Fremden ausleben, auch wenn vielleicht dieser und die meisten Texte da weiter unten hier nicht stehen würden, hätte ich das Zeug nicht ab meinem vierzehnten Lebensjahr verschlungen wie eine Ersatzreligion (und, hust, sogar meine Facharbeit im Englischleistungskurs darüber geschrieben) – Sex and the City hat sich selbst abgeschafft.

Denn diese Serie über Frauen, die zum Großteil von schwulen Männern geschrieben wurde und so eine konsumorientierte, mächtige Weiblichkeit in verknöcherten Designerkörpern feiern wollte, ist uns allen viel zu sehr in Fleisch und Blut übergegangen. Frauen, die in hohen Hacken beim obligatorischen Cosmopolitan über Ficken und Schuhe reden? Come on! Wir alle haben die Realität ein paar mal zu oft dabei ertappt, wie sie daran scheitert, die Kunst zu imitieren. Weil Castrop-Rauxel nicht New York ist. Und Deichmann nicht Manolo Blahnik.

Zum Glück hat HBO eine neue Allzweckwaffe gefunden: Lena Dunham. Die 25-Jährige spielt nicht nur die Hauptrolle in Girls, sondern hat die Serie auch geschrieben und von Loser-Comedy-König Judd Apatow produzieren lassen.

Hanna Horvath ist die Sorte Frau, die sich so konsequent selbst sabotiert, dass man sie gleichzeitig lieben und hassen muss – weil sie einem so viel näher steht, mit ihren bekloppten Männergeschichten und ihren prekären Lebensverhältnissen. Besonders glamourös ist das natürlich nicht. Aber das ist die Realität ja generell eher selten.

Ach ja: diverse Jungsfreunde haben mich gefragt, warum sie, „also als Mann jetzt“, sich das ansehen sollten. Mit dem Titel und den ganzen Frauen die da dauernd reden und alles. Gegenfrage: Wer feiert denn seit fünf Staffeln Mad MEN mit euch Altherrenwitze und Christina Hendricks Hüften ab? Wer versucht, (vergeblich, zugegebenermaßen) bei Boardwalk Empire nicht einzunicken, wenn mittelschirche Typen heimlich Schnaps verticken und sich gegenseitig abschießen, während ihre Frauen entweder erzkatholisch oder sexuell aktiv, und somit sowieso geisteskrank sind? Äh, genau. Wie war noch gleich die Frage?


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Autorinnen-Interviews, Folge 1: Corinna Rückert

Für meinen Artikel „Verklemmtes Weltbild“ im aktuellen Feigenblatt „Mit Haut und Haar“ (Seite 81) habe ich Interviews mit drei Autorinnen erotischer Literatur geführt. Weil Corinna Rückert, Inka Loreen Minden und Anna Blumbach viel Interessantes zu erzählen hatten und der Platz im Heft begrenzt ist, veröffentlichen wir die kompletten Interviews auf der Website. Den Anfang macht Dr. Corinna Rückert, die bei Rowohlt veröffentlicht (zuletzt erschien der Doppelband „Gestohlene Lust / Kammern der Begierde„). Ihren ungewöhnlichen Werdegang zur Erotikautorin erzählt sie gleich selbst.

Corinna Rückert: Gestohlene Lust / Kammern der BegierdeWie sind Sie dazu gekommen, erotische Romane zu schreiben?
Per Zufall. Für meine Dissertation zum Thema „Frauen-Pornografie“ habe ich als Selbstexperiment eine pornografische Geschichte geschrieben, um zu sehen, ob sich in meiner Sprache auch die typischen Elemente und Darstellungsweisen der FrauenPornografie finden. Das Ergebnis war eindeutig JA. Als ich die Doktorarbeit dann für eine Veröffentlichung bei Rowohlt überarbeitet habe, bekam ich die Anfrage, ob ich noch mehr von solchen Stories schreiben könnte. Ich hab’s versucht und es hat funktioniert. So ist die erste Kurzgeschichten-Sammlung „Lustschreie“ entstanden, die prompt ein Bestseller wurde.
Sie sind ja eine der erfolgreichsten Autorinnen erotischer Romane – und eine der wenigen, die unter ihrem bürgerlichen Namen publizieren. Haben Sie mit dieser Offenheit auch schlechte Erfahrungen gemacht?
Nein, bisher überhaupt nicht. Wenn es mal vorkommt, dass mich jemand mit der Erotik-Autorin in Verbindung bringt, dann ist sie/er eher positiv überrascht. Unter meinem Namen zu publizieren, war damals eine bewusste Entscheidung gegen die ganze Bigotterie, die sich im Umgang mit dem Thema „Pornografie“ findet. Ich wollte ein Statement setzen, weil ich es gerade für die Auseinandersetzung mit der weiblichen sexuellen Identität wichtig finde, sich auch mit den eigenen sexuellen Phantasien zu befassen. Deshalb trete ich in der Öffentlichkeit für eine offene und freie Diskussion ein, für die ich als Person auch selbst einstehe.
Aber aus anderem Grunde hätte ich mir trotzdem manchmal gewünscht, die Bücher wären unter Pseudonym erschienen … Ich werde als Autorin auf dieses Genre reduziert. Heute z.B. ein Kinderbuch unter meinem Namen zu veröffentlichen (und ich habe tatsächlich eines in der Schublade), das ist schwierig. Da ist sie wieder, die Bigotterie.
Gibt es für Sie eine Grenze zwischen erotischer und pornografischer Literatur – und auf welche Seite würden Sie Ihre Bücher stellen?
Rein definitorisch ist das ganz einfach: Erotik lässt das Sexuelle, Erregende aufblitzen, ohne es im Detail zu beschreiben. Pornografie nennt die Dinge beim Namen, bis in alle Details des Geschlechtlichen und darf erst ab 18 Jahren konsumiert werden.
In der Umgangssprache meint erotisch aber häufig das Schöne, Zarte, Ästhetische, während mit Pornografie häufig abwertend die krasse, schmutzige und reduzierte Darstellung des Sexuellen bezeichnet wird.
Als Genre sind meine Bücher keine Erotik-Romane, sondern echte Hardcore, weil sie bei der Beschreibung der sexuellen Phantasien kein Blatt vor den Mund nehmen. Da ich mich aber aus Überzeugung und aus ästhetischen Gründen für einen wohldosierten Einsatz der Umgangssprache entschieden habe und lieber Metaphern (Bildsprache) und euphemistische (also beschönigende) Beschreibungen einsetze, würde ich selbst meine Bücher als erotische Pornografie bezeichnen.
Aber dem Begriff Pornografie lastet eben immer ein Hauch von Schund und Schmutz an, weswegen die Verlage das im Zusammenhang mit Literatur gern umgehen. In den Buchhandlungen gibt es also nur Erotik-Literatur, von der manche eben ausschließlich an Erwachsene verkauft werden darf.
Wo setzen Sie die Grenzen bei dem, was Sie beschreiben?
In der literarischen Phantasie ist grundsätzlich alles erlaubt, weil niemand dadurch persönlich zu Schaden kommen kann. Insofern bietet sich die Literatur an, um sich auch mit Tabuthemen auseinander zu setzen.
In meinen Geschichten gibt es selten aber immerhin auch einige Grenzüberschreitungen, das Spiel mit Dominanz und Unterwerfung kommt vor. In den „Lustschreien“ ist sogar ein Krimi enthalten, in dem Sex und Gewalt verbunden sind. Aber diese Varianten sind für mich eher Experimente, weil mich interessiert, ob und wie eine Geschichte funktionieren kann, die sich vom Mainstream wegbewegt.
Inzwischen schreibe ich das siebte Buch für Rowohlt und dabei habe ich festgestellt, dass es in mir keine Abgründe gibt, die sich in Erotik-Pornos verwandeln ließen. In meinen Geschichten vermischt sich Erlebtes mit eigenen und berichteten Phantasien und fügt sich meist zu harmlosen, aber offensichtlich sehr anregenden sexuellen Begegnungen zwischen Menschen wie Du und ich zusammen.
Sie haben sich als Wissenschaftlerin mit der Sexbranche beschäftigt. Vermitteln Ihre Romane jenseits der erotischen Unterhaltung eine Botschaft?
Meine ersten Bücher sind tatsächlich auf der Basis meiner Erkenntnisse entstanden und weil ich zeigen wollte, dass Pornografie sehr viel mehr ist als billige Porno-Filmchen, die es damals noch vor allem in den Videotheken gab. Und ich wollte dazu beitragen, dass Frauen sich das Genre Pornografie für ihre eigenen Phantasien erobern, weswegen ich auch als Jurorin beim First Feminist Porn Award aktiv bin.
Inzwischen haben meine Bücher aber ein eigenes Thema gefunden. Sie setzen sich mit den Fragen auseinander „Was ist guter Sex?“ und „Wie wird Mann ein guter Liebhaber?“ oder „Wie finde ich meine eigenen Phantasien und Gelüste?“ In meinen Büchern versuche ich Anregungen und mögliche Antworten zu geben. „Kammern der Begierde“ kann in diesem Sinne fast als Lehrbuch bezeichnet werden, in dem sich eine junge Frau und ein junger Mann auf die Suche nach ihrer gemeinsamen Lust begeben.
In meinem neuen Buch „Kreuzfahrt der Lust“ geht es um ein Ehepaar, welches versucht, die Lust und Erotik in einer langjährigen Partnerschaft neu zu entdecken.
Manche Autorinnen, die nach Ihnen angefangen haben, verwenden den Begriff „feministische Pornografie“. Können Sie damit etwas anfangen?
Ja! Diesen Begriff verwenden wir ja auch für unseren Porn Award. Durch die vielen Debatten um Pornografie, die PorNo-Kampagnen der 1970er und 1980er Jahre und die (auch) feministischen Debatten um ein erneutes Verbot der Pornografie hat es inzwischen eine Gegenbewegung unter Feministinnen gegeben, die sich für eine Sex-positive Pornografie stark machen. Mit dem Begriff „feministische Pornografie“ soll deutlich gemacht werden, dass ich als Frau für meine Rechte kämpfen und trotzdem als Pornografin arbeiten kann. Und es soll verdeutlicht werden, dass es verschiedene Formen von Pornografie gibt. Die Mainstream-Pornografie richtet sich vor allem an männliche Konsumenten und nutzt dafür bestimmte wiederkehrende Inhalte und Darstellungsweisen. Davon will sich die feministische Pornografie ganz klar abgrenzen mit eigenen Sprach- und Bildwelten und der Umsetzung vor allem weiblicher sexueller Phantasien.
Haben Sie das Gefühl, dass erotische Literatur auf dem Buchmarkt als Schmuddelkind gilt?
Schauen sie sich doch mal die schönen Buchcover und die vielfältige Titelauswahl der Verlage an. Erotik-Literatur ist ein anerkanntes Genre, das sich an eine weit gestreute Leserschaft richtet. Aber es ist auch ein Nischenprodukt, weil die Auflagenhöhen selten Belletristik-Zahlen erreichen.
Ich habe den Eindruck, dass sich deutsche Belletristik-Autoren selten lustbetont mit Sex auseinandersetzen und dieses Thema komplett in ein „Erotik“-Genre abgeschoben wird. Sehen Sie das auch so – und woran könnte das liegen?
Da haben Sie Recht. Es scheint eine Unterscheidung zwischen erotischer Gebrauchsliteratur, die allein der Anregung dient, und einer Literatur zu geben, die sich pornografischer Mittel und Versatzstücke bedient, um zu provozieren (wie z.B. Charlotte Roches „Feuchtgebiete“). Obwohl sich schon viel bewegt hat seit der Freigabe von Pornografie, ist und bleibt diese ein Tabuthema, mit dem sich die Gemüter reizen lassen.
Charlotte Roche hat selbst über sich gesagt, dass sie sich nicht als Schriftstellerin sieht, weil sie „nur“ in ihrer einfach strukturierten Sprache eine Geschichte über Tabubrüche erzählt hat. Da hat sie wahrscheinlich Recht, aber es ist interessant, dass über zwei Millionen Menschen ein solches literarisch nicht besonders bemerkenswertes Buch gelesen haben. Der Grund ist sicher, dass sich hier die Leserinnen und Leser mit ihrer Lust am pornografischen hinter einem pseudoliterarischen Anspruch verstecken konnten und sich somit nicht als Porno-Konsumenten outen mussten. Das geht nur, solange die Worte „Skandal“ und Tabubruch“ durch die Presse geistern. Mit einer lustbetonten, sex-positiven Literatur funktioniert das nicht. Da müssen sich die Käuferinnen und Käufer schon zu ihrer Lust auf die Lust bekennen.
Wer sind Ihre Leser? Gibt es da Rückmeldungen?
Statistiken besagen, dass etwa 60 Prozent der Konsumenten von Erotik-Literatur Frauen sind. Tatsächlich habe ich viele Rückmeldungen von Frauen bekommen, denen meine Bücher eine neue Sicht auf ihre sexuellen Phantasien geliefert haben oder die in diesen Bücher für sich eine eigene Sprache für ihre Phantasien gefunden haben.
Aber es gibt auch viele Männer, die meine Geschichten gern lesen und sehr anregend finden. Allen voran mein eigener Mann …
Was gefällt Ihnen als Leserin erotischer Literatur – und was lehnen Sie ab?
Ich persönlich bin ganz und gar einverstanden damit, dass erotische Literatur anregen und erregen soll, eine Vorlage sein darf für’s Masturbieren oder eine Erweiterung für die eigenen Bilder im Kopf liefert. Wenn dabei noch eine Geschichte erzählt wird und die Sprache intelligent ist, dann gefällt mir das. Ich hoffe, dass meine Bücher diesem Anspruch selbst auch standhalten.dt329


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Verbotene Ehen

Mit seinem Bekenntnis zur Homo-Ehe hat es Präsident Obama auch in die hiesigen Medien geschafft. Die Berichte darüber erwähnen die hitzigen Debatten in den USA und vermerken, dass die Homo-Ehe in der großen Mehrheit der US-Bundesstaaten verboten ist. Beim aufgeklärten Zuschauer kommt an: Ach, dieses rückständige moralkonservative Land mit seinen religiösen Eiferern.

Beim USA-Bashing bin ich immer gern dabei, aber es gibt für uns keinen Grund zum Hochmut. Das „Lebenspartnerschaftsgesetz„, das die Verbindung gleich­geschlechtlicher Partner regelt, gilt auch in Deutschland erst seit gut zehn Jahren. Seine Verabschiedung wurde damals von wütenden Auseinandersetzungen begleitet. Die Familie als moralischer Kern des Gemeinwesens stand auf dem Spiel, der Untergang des Abendlandes drohte. Und schließlich: Die sogenannte Homo-Ehe ist nicht gleichwertig mit einer echten Ehe. Sie untersteht nicht dem besonderen Schutz des Grundgesetzes und muss auf viele der finanziellen Privilegien der Ehe verzichten.

Homo-Ehe (C) Blackcat/Wikimedia (Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported) Beim besten Willen verstehe ich die Gegner solcher Verbindungen nicht. Ist für sie die Ehe ausschließlich eine Gemeinschaft zur Produktion und Aufzucht von Kindern? Aber dann müssten kinderlose Ehen anders behandelt werden und das Eheverbot auch für Frauen ab Mitte vierzig gelten. Im übrigen haben auch manche Homosexuellen Kinder oder versuchen, welche zu bekommen.

An die Grenzen seiner ehelichen Toleranz ist der der deutsche Gesetzgeber erst vor einem Monat gestoßen. Es ging um den ziemlich ungewöhnlichen Fall von Bruder und Schwester, die getrennt voneinander aufwuchsen, sich verliebten und vier Kinder in die Welt setzten. Eine Straftat, befanden die Richter und schickten den Mann ins Gefängnis, und der europäische Gerichtshof für Menschenrechte nickte dazu. Um das heilige Ideal der Familie zu schützen, wurde diese zerstört. Wohlgemerkt: Beim Inzestverbot geht es nicht um die Wahrung der sexuellen Selbstbestimmung, sondern um ein Sex- und Eheverbot zwischen Geschwistern. Grund dafür ist offensichtlich die Angst vor erbkrankem Nachwuchs – nur traut sich der Gesetzgeber das nicht auszusprechen, weil er dann eine Büchse der Pandora aufmachen müsste, in der unter Beischlafverboten von erbkranken Menschen und Behinderten als Bodensatz die Zwangssterilisationen im Dritten Reich durchschimmern würden.

Ohne jede Romantik betrachtet machen zwei Dinge die Ehe aus: Die Partner räumen sich gegenseitig viele Rechte ein und genießen steuerliche Vergünstigungen. Als kinderlose Doppelverdiener haben wir einige Jahre lang von den finanziellen Privilegien der Ehe profitiert. Unsinnig sind sie trotzdem. Am liebsten wäre mir, der Staat würde sich nicht nur aus den Schlafzimmern, sondern auch aus den Beziehungen heraushalten und seine familienpolitischen Segnungen auf diejenigen verteilen, die allein, zu zweit oder meinetwegen als zehnköpfige Sex-Kommune Kinder großziehen (das denke ich nicht erst, seit ich Vater bin).