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Autorinnen-Interviews, Folge 2: Inka Loreen Minden

Für meinen Artikel „Verklemmtes Weltbild“ im aktuellen Feigenblatt „Mit Haut und Haar“ (Seite 81) habe ich Interviews mit drei Autorinnen erotischer Literatur geführt. Weil Corinna Rückert, Inka Loreen Minden und Anna Blumbach viel Interessantes zu erzählen hatten und der Platz im Heft begrenzt ist, veröffentlichen wir die kompletten Interviews auf der Website. Nach Corinna Rückert kommen diesmal Inka Loreen Minden, Lucy Palmer und Loreen Ravenscroft zu Wort – hinter denen sich ein und dieselbe Autorin verbirgt, und zwar eine äußerst produktive: In wenigen Jahren hat sie 25 Bücher, 5 Hörbücher und zahlreiche E-Books veröffentlicht. Im Interview spricht sie über schwule Erotik, BDSM und Romantik.

Inka Loreen Minden © Guido Karp / p41d.comWie sind Sie auf die Idee gekommen, erotische Romane zu schreiben?Das war ein fließender Übergang. Ursprünglich wollte ich nur Jugendbücher schreiben, doch meine Protagonisten wurden immer erwachsener und leidenschaftlicher. Plötzlich flirrte und prickelte die Luft. Sie wollten mehr als nur Händchen halten. Da war mir klar, dass ich dringend das Genre wechseln muss.Inka Loreen Minden, Lucy Palmer, Loreen Ravenscroft – wie kam es dazu, dass Sie unter verschiedenen Pseudonymen schreiben?Da ich 2006 immer noch mit dem Gedanken spielte, einmal Jugendbücher zu veröffentlichen, wollte ich die Erotik klar von meine anderen Werken abgrenzen. Doch ich wollte ein Pseudonym, mit dem ich mich identifizieren konnte. Inka Loreen Minden ist daher ein Anagramm meines echten Namens.
Lucy Palmer bin ich nur bei Blue Panther Books. Das Pseudonym hat der Verlag ausgesucht.
Für Loreen Ravenscroft entschied ich mich (Ravenscroft heißt übrigens mein Pirat aus „Der Freibeuter und die Piratenlady„), da ich noch ein Manuskript auf der Festplatte hatte, das zwar erotisch angehaucht war, aber meine Erotikleser sicher enttäuschen würde, wenn ich es als Inka herausgebracht hätte. „Blutflucht: Evolution“ ist eine dystopisch angehauchte Romantasy und kein Erotikroman.Sie sind ja ausgesprochen produktiv. Arbeiten Sie an mehreren Romanen gleichzeitig? Wie lange brauchen Sie für ein Buch?Früher habe ich tatsächlich an mehreren Romanen gleichzeitig gearbeitet, heute schaffe ich das nicht mehr. Einmal, weil das fortschreitende Alter seine Tücken mit sich bringt, und zum anderen, weil ich sehr enge Termine habe. Und als Autor schreibt man nicht nur an einem Werk, zwischenzeitlich kommen andere Titel aus dem Lektorat zurück, um die man sich kümmern muss, mal eine Kurzgeschichte dazwischen schieben, Interviews, Artikel, etc.
Für ein Buch brauche ich etwa drei Monate, bis die Rohfassung steht (Plotten, Recherchieren, Schreiben, Korrigieren). Wenn ich mit dem Werk einigermaßen zufrieden bin, bekommen es meine Testleser bzw meine geschätzte Lektorin Alex. In der Zeit finde ich auch Abstand zum Buch und stehe dem Ganzen nicht mehr so betriebsblind gegenüber. Danach geht es noch mal gründlich ans Überarbeiten.Bei all den leidenschaftlichen Sexszenen, die Sie sich ausdenken: Wo nehmen Sie die Inspiration dafür her – und läuft man da nicht Gefahr, sich zu wiederholen?Meine Muse küsst mich unerlässlich. Sie ist ein wahrer Sadist und liebt es, mich zu quälen. Noch habe ich zu viele Ideen, die ich ständig auf unzähligen Zetteln notiere, um sie fürs Erste aus dem Kopf zu haben. Aber wenn ich an ein neues Buch oder eine Geschichte gehe, steht nicht die Sexszene im Vordergrund, sondern die Geschichte zweier Menschen (oder Vampire, Engel, Dämonen, Piraten …). Mich interessiert ihr Handeln, warum sie sich lieben oder verlieben. Das Zwischenmenschliche, die Sinnlichkeit – das ist mir wichtig, auch wenn’s in meinen Storys deftig zugeht und ich kein Blatt vor den Mund nehme.
Ja, die Wiederholungsgefahr ist groß, vor allem nach über hundert entwickelten Plots. Da wird es wirklich immer schwerer, sich was Neues auszudenken. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum ich nicht nur im Hier und Jetzt schreibe, sondern in der Vergangenheit, der Zukunft, in alternativen Welten. Und Sex zwischen einem Engel und einem Dämon ist definitiv „intensiver“ als zwischen Normalsterblichen – da kann ich es schon mal richtig krachen lassen.Wenn man zum ersten Mal hört, dass viele schwule Erotikromane von Frauen geschrieben wurden, wirkt das erst einmal ziemlich überraschend. Haben Sie eine Erklärung dafür?Die Erklärung liegt auf der Hand, wenn man sich fragt: Warum stehen Heteromänner auf Lesbensex? So finden wir Frauen halt auch: Ein Mann ist heiß, zwei Männer sind eben heißer.Gibt es für Sie eine Grenze zwischen erotischer und pornografischer Literatur – und auf welche Seite würden Sie Ihre Bücher stellen?Mit meinen Büchern würde ich mich liebend gerne auf der erotischen Seite sehen, doch das liegt wohl immer im Auge des Betrachters und des persönlichen Empfindens. Für mich gibt es sehr wohl einen Unterschied zwischen Erotik und Pornografie. Erotik spricht die Sinne an, die Emotionen, die Herzen, während Porno für mich die Beschreibung des reinen Aktes ist. Auch gewisse Ausdrücke gehören für mich eher in einen pornografischen Text (die möchte ich jetzt hier lieber nicht aufzählen).
In meinen Texten bemühe ich mich um eine niveauvolle Wortwahl und einen „Rahmen“, gebe den Figuren eine Geschichte, Gefühle und Motivationen. Der Leser kann meinen Protagonisten in die Köpfe sehen. Da wird geliebt und gelitten – ich sag immer: In meinen Storys wird mit Gefühl gevögelt. Die Romantik ist mir wichtig. Das Prickeln zwischen den Personen, damit der Leser weiß: Die beiden empfinden mehr als pure Lust, mehr als den reinen Sextrieb. Da steckt richtige Leidenschaft dahinter und deren Antrieb ist die Liebe. Ich bin Happy-End-Freak. Das wahre Leben ist grausam genug.Wo setzen Sie die Grenzen bei dem, was Sie beschreiben?Bei mir geschehen alle sexuellen Handlungen nur im gegenseitigen Einvernehmen meiner Protagonisten. Bisher hat sich noch keiner von ihnen bei mir beschwert, also scheine ich es richtig zu machen. Inzest, Sex mit Kindern oder Tieren, Gewalt – das sind alles No Gos für mich. Beim Leser muss ein gutes Gefühl zurückbleiben, er soll sich wohl fühlen beim Lesen.Haben Sie das Gefühl, dass erotische Literatur auf dem Buchmarkt als Schmuddelkind gilt?Jein. Zwar kam die erotische Literatur in den letzten Jahren immer mehr aus der Schmuddelnische heraus, doch irgendwie erlebe ich gerade einen Trend rückwärts, es geht wieder mehr hin zur Pornografie, zumindest im literarischen Bereich. Außerdem findet man in den Buchhandlungen kaum noch Erotikliteratur, wenn man Glück hat, im hintersten versteckten Regal. Online-Shops und andere Anbieter verbannen die Erotik in eigene Listen und aus den Rankings. Aber seit der Einführung der E-Reader boomt sie richtiggehend. Jetzt kann man Erotik in der Öffentlichkeit lesen, weil kein Buchumschlag das sündhafte Geheimnis verrät.Wer sind Ihre Leser? Gibt es da Rückmeldungen?Ursprünglich war mein Motto: Erotik von Frauen für Frauen. Ich hatte auch nicht gedacht, dass Männern meine eher romantisch angehauchte Erotik gefällt. Weit gefehlt. Ich bekomme zwar nicht ganz so viele Zuschriften von Männern, aber doch einige, und ich finde es ganz toll, dass auch Männer sagen: Wir wollen was fürs Herz.
Überwiegend sind es aber doch Frauen. Weil sie einerseits mehr lesen und auch durch die Gay Romance, die ich schreibe, meine Zielgruppe sind. Ich bekomme zwar auch sehr nettes Feedback von schwulen Lesern, aber das ist eher die Ausnahme, weil Gay Romances, von Frauen geschrieben, gezielt das weibliche Publikum ansprechen.Was gefällt Ihnen als Leserin erotischer Literatur – und was lehnen Sie ab?Ich mag es, wenn die Erotik in den BDSM-Bereich geht (darüber schreibe ich auch am liebsten). Dazu brauche ich aber eine schöne Rahmenhandlung, am besten eine Geschichte, die auch funktionieren würde, wenn man die Erotik wegließe. Viel Liebe und Romantik, was zum Schmachten und Wegträumen. BDSM-Erotik empfinde ich als intensiver, weil die Zuneigung, die Hingabe der Protagonisten stärker ist, da man dem (dominanten) Partner sehr vertrauen muss, man sein Wohl in seine Hände legt.
Meine Heldinnen sind immer selbstbewusste Frauen, die sich nehmen, was sie wollen (insgeheim jedoch einen Macho, einen richtigen Kerl, einen Tortured Hero bevorzugen, ihm aber Paroli bieten).
Über dauergeile Weibchen, die einen Superorgasmus nach dem anderen haben und sich alle Widerlichkeiten und Demütigungen gegen ihren Willen gefallen lassen … möchte ich daher auch gar nichts lesen.

 

Autor: Herbert Braun

Mitherausgeber des Feigenblatt Magazin und sowas wie der Chefredakteur.