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Wochenschau XIV: Hitlers preisgekrönte Zeugung

Meine Güte, hat sich da viel angehäuft. Ich lasse den Wochenschaukandidatenbodensatz vorerst weiterschimmeln und greife beherzt in den großen Topf – und ziehe zuerst den größten Brocken heraus.

Dieses Thema hatten wir zwar schon vor Monaten angesprochen, aber erstens nehmen einen die Leute nur ernst, wenn man sich wiederholt und zweitens haben jetzt auch die Kollegen von den Mainstreammedien kapiert, dass die anstehende Reform des Sexualstrafrechts zwar nicht unbedingt Kinder besser vor Missbrauch schützt, dass aber auf jeden Fall der Zug in Richtung 50er-Jahre fährt. Die künftig bei uns gültige, aus den USA importierte Definition von Kinderpornografie trifft nämlich die Jugendlichen selbst härter als die, vor denen man sie eigentlich schützen will.
Die vom Zypries-Ministerium offenbar dilettantisch umgesetzte EU-Gesetzesvorlage vergisst tatsächlich, einvernehmliche sexuelle Handlungen Jugendlicher untereinander von der Strafbarkeit auszunehmen, denn der Mindestabstand, den es bisher zur Strafbarkeit braucht (einer über 18, der andere unter 16) wurde aufgehoben: Das Gesetz setzt Jugendliche unter 18 Jahre als Opfer Kindern gleich, als Täter aber Erwachsenen – zum Entsetzen von Experten wie der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung, die in einer geharnischten Stellungnahme von der „Kriminalisierung der Sexualität Jugendlicher“ spricht.
Als wir für Feigenblatt 7 („Aufklärung“) ähnlich absurde Gesetze der Vergangenheit beschrieben haben, dachten wir eigentlich, die Zeit für solche legislativen Moralkeulen wäre allmählich vorbei. Lesenswert: ein Interview mit einem offenbar stocksaueren Rechtsanwalt und Sachverständigen, aber auch dieser Artikel oder dieser Blogeintrag setzen sich angenehm meinungssicher mit dem Gesetzesvorschlag auseinander.

Auf der anderen Seite der Welt, im größten islamischen Land der Welt, hat man lustigerweise ähnliche Probleme: Ein Gesetzesentwurf will Pornografie verbieten, vergisst aber vermutlich aus lauter Schamgefühl zu definieren, was das überhaupt sein soll. Der Widerstand dagegen kommt aus allen Richtungen.

Und noch ein bisschen Politik, diesmal aber eher als Posse: Alice Schwarzer, mittlerweile ehemalige Emma-Chefredakteurin und Bildzeitungs-Werbeträgerin, lehnt im Interview mit dem Spiegel Prostitution schärfstens ab – mit einigen guten und einigen weniger guten Argumenten. Spätestens die Behauptung, freiwillige Prostitution sei ein Mythos (wir kennen jedenfalls ein Gegenbeispiel: Lolette), und der seltsame Schluss, dass die Legalisierung nur Zwangsprostitution fördere, ärgerten die SPD aus Berlin-Charlottenburg so sehr, dass sie eine Bibliothek lieber doch nicht nach Frau Schwarzer benennen möchte. „Für Bordelle, gegen Meinungsfreiheit“, stänkerte daraufhin die Bezirks-CDU den politischen Gegner an (PDF) und formierte sich zum Schulterschluss der Prüderie. Lustig: Die CDU streitet für Meinungsfreiheit, die SPD zofft sich mit einer Feministin.

Jetzt aber Schluss mit den Aufregern – und was würde besser die Nerven beruhigen als ein bisschen gediegene Hochkultur? Eine Späte Würdigung hat der jüngst verstorbene Norman Mailer postum erfahren: Sein dieses Jahr erschienener letzter Roman „Das Schloss im Wald“, in dem er Hitlers Kindheit und Jugend beschreibt, hat den „Bad Sex in Fiction“-Preis der britischen Literary Review gewonnen. Die preisgekrönte Szene beschreibt die Empfängnis Hitlers; als Teilzeitautor erotischer Prosa kann ich ob der zitierten Passagen nur neidvoll verstummen.

A propos Preis: Natürlich gibt’s auch einen für das beste Kondom, ausgelobt von einem US-Präserhändler. Die Gruppe der Tester bestand aus „College-Studenten, Swingern und 25 Paaren“. Studenten …? Offenbar muss das akademische Leben in den USA unterhaltsamer sein als hier. Oder ich hab damals was verpasst.

Wir bleiben an der Uni und setzen die Rubrik „Wissenschaftler haben herausgefunden“ fort: Wissenschaftler haben herausgefunden, dass zwar nur 3 Prozent der Studentinnen in den USA Pornos gucken, aber dass 49 Prozent Pornografie akzeptieren – und damit toleranter als ihre Eltern sind. Es stellte sich auch heraus, dass 48 Prozent der männlichen Studenten Pornos konsumieren (und 52 Prozent in Umfragen lügen).

A propos Porno: Penthouse legt eine halbe Milliarde auf den Tisch (1, 2) und kauft Adultfriendfinder nebst ein paar anderen Verkuppelungsdienstleistern. Der neue Großkonzern für menschliche Sehnsüchte soll es auf einen Jahresumsatz von 340 Millionen Dollar und damit zum Branchenprimus bringen.

Hotdoll (c) www.feeladdicted.comZum Schluss noch was ganz Harmloses. Nichts nervigeres als ein notgeiles Haustier, scheint sich der französische Designer Clement Eloy gedacht zu haben und gestaltete eine läufige kleine Hündin aus Plastik – in zwei Größen, für große und kleine beste Freunde des Menschen. Sauber ausgewaschen und mit Duftspray aromatisiert, hält das „Hotdoll“ den rolligen Vierbeiner gesund und bei Laune. Allerdings scheint dieses Produkt bislang nur eine Studie zu sein. Weil Leser dieses Blogs über zu viele Buchstaben und zu wenig Pixel gemault haben, gibt’s hier mal einen Screenshot (via Strangeviews).

Ach ja, eins noch: Das neue Feigenblatt ist fertig. Die Abonnenten werden wohl am Montag Post bekommen. Demnächst mehr an dieser Stelle.

Autor: Herbert Braun

Mitherausgeber des Feigenblatt Magazin und sowas wie der Chefredakteur.