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Wochenschau XII: Rundum hellhäutig

Zurück aus dem Ausnahmezustand. Nach nonstop Berlin (Xtopia), Frankfurt (Buchmesse) und Barcelona (nicht deswegen, sondern – ganz prosaisch – deswegen) kehre ich mit Kater im Kopf in mein Alltagsleben zurück, zu dem nur noch die Gattin und Herausgeberin fehlt, die eben von der Venus nach Hause fährt. Aber was heißt Alltag (und was heißt Leben), wenn die Wohnung voller Umzugskisten steht und Herd wie Waschmaschine noch auf Anschluss hoffen?

Unsere neue Wohnung hat Satellitenfernsehen. Das macht dann ca. 80 Sexkanäle, von „Uschi TV“ bis „Erosat“. Das Programm besteht aus Nacktfotos (!) mit Pornobalken und schreiender „Kontakt sofort!“-Werbung, begleitet von Deppentechno. Wenn sich etwas bewegt, ist es eine dicke Polin, die nackt auf dem Sofa sitzt und mit den Zuschauern telefoniert („bisdu gail?“). Ich glaube, das will uns irgendwas über unseren Umgang mit Sex sagen.

Das Bundesverfassungsgericht hat bei der Altersverifikation von Pornosites auf einer strengen Auslegung des Jugendschutzes bestanden. Ausweisnummer, Postleitzahl und Dummy-Geldüberweisung genügen nicht, es muss das Post-Ident-Verfahren sein, bei dem sich der angehende Pornokonsument in der Postfiliale seines Vertrauens persönlich ausweisen muss.

Ein schwarzer Tag für Jugendliche, die jetzt vermutlich gar nicht mehr wissen, wie sie im Internet an Pornos kommen sollen, während sie sich bis jetzt durch Diebstahl von Papas Ausweis und TAN-Liste beholfen haben. Man kann auch von Hausbesitzern verlangen, die Türen mit Tesa Moll abzudichten – aber solange das Dach fehlt, wird das nicht viel zur Wärmedämmung beitragen. Nach diesem weltfremden Urteil wird die Mehrzahl der Pornoanbieter ins Ausland ausweichen. Vermutlich sitzen die Abmahnanwälte schon am Schreibtisch.

Wie behütet die deutschen Jugendlichen aufwachsen, beweist auch die Schließung eines Link-Portals wegen fehlender Altersverifikation. Vermutlich kein großer Verlust für die Menschheit. Aber die Leichtfertigkeit, mit der deutsche Gerichte zugunsten von Jugendschutz (und Markenrecht und Persönlichkeitsrecht und …) die Meinungs- und Kunstfreiheit das Nachsehen geben, macht mir Sorgen. Derzeit wird mal wieder eine Sperrung auf Provider-Ebene vor Gericht ausgefochten, die auch Erwachsenen den Zugang unmöglich machen würde. Und das, obwohl der Heranwachsende aus Pornos so viel lernen kann.

Aber jetzt will ich Sie wieder ein bisschen aufhellen, und damit meine ich nicht nur die Stimmung. Stört Sie nicht auch diese hässlich dunkle Haut (falls Sie ansonsten hellhäutig sind, versteht sich), dort, also da unten, Sie wissen schon? Es gibt Abhilfe! Nicht mehr nur in Übersee (von wo ja alle wahren Innovationen kommen), sondern auch schon in Europa (ein Kollege hat eine Anzeige in Schweden gesehen). Wenn auch Sie einen durch und durch kaukasisch hellhäutigen Hintern haben möchten („pining for a pinker pucker“ nennt das die Village Voice), greifen Sie zur (Achtung): Analbleichung. Hat sogar schon einen Wikipedia-Eintrag. Es fällt mir ganz schwer, jetzt nicht noch ein paar Zoten dazu zu reißen, aber ich wills Ihnen nicht antun.

Ach ja: Wem letztes Mal moanmyip.com irgendwie zu technisch war, kann sich jetzt auch die Uhrzeit vorstöhnen lassen. Ich bevorzuge die unglaublich überdrehte CD „Everything Picture“ von Ultrasound (Geheimtipp, müssen Sie nicht kennen), die hier läuft und bei der sich die Sängerin gerade in Ekstase kiekst, schreit und haucht.

Autor: Herbert Braun

Mitherausgeber des Feigenblatt Magazin und sowas wie der Chefredakteur.