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Wikipedia-Pornos

Als Kind habe ich unser einbändiges Volkslexikon öfter mal nach den interessantesten Abbildungen durchsucht, zum Beispiel Goyas „Nackte Maya“ oder die Ausklappillustration zum weiblichen Körper. Die Wikipedia – genauer gesagt, die begleitende Mediensammlung Wikimedia Commons – hat natürlich ein bisschen mehr für den Aufklärungs-Selbstunterricht zu bieten, aber die Bilder-Seite zum Suchbegriff Schamhaarentfernung (ganz runter scrollen und bei den Weblinks auf Commons klicken, aber bitte nicht im Büro!) hat mich heute doch ein bisschen überrascht. Das Thema scheint jedenfalls den wissenschaftlichen Ehrgeiz der Beiträger so sehr angestachelt zu haben, dass 120 haarlose Fotos zustandegekommen sind. Es ist ja nichts dagegen zu sagen, wenn Leute im Internet ihre Pornosammlungen austauschen, aber ob das der richtige Ort dafür ist?

Merkwürdigerweise sind haarlose Männer für die Wissenschaft weit weniger interessant: Die Wikimedia-Kategorie „Shaved_genitalia_(male)“ enthält nur elf Fotos. Vielleicht liegt’s auch an diesem Warnhinweis (ich übersetze mal): „Bitte beachten Sie, dass Commons im Allgemeinen keine weiteren Lehrbeispiele von Benutzer-Penissen benötigt.“ Illustriert ist dieser Hinweis so:
Kein Penis! (… was präzise unsere unschönen Erfahrungen vom letzten Jahr mit dem sogenannten Jugendschutz zusammenfasst.)

Das weibliche Pendant hingegen benötigt 120 Lehrstücke, die kein anatomisches Detail aussparen. Den Aufklärungszweck erfüllen sie für die forschende Jugend jedenfalls gründlicher als der Miniatur-Schwarzweißabdruck eines alten Goya-Schinkens.

Autor: Herbert Braun

Mitherausgeber des Feigenblatt Magazin und sowas wie der Chefredakteur.