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Wochenschau XXI: Masturbation ist heilbar

Die Nachwehen von Heft 12 haben ein bisschen länger als üblich gedauert, weil wir beim Versand ein paar aufwendige technische Umstellungen gemacht haben – inzwischen sind aber alle Hefte in der Post und damit bleibt auch wieder Zeit für eine neue Wochenschau. Ergänzend zu unserem Heftthema Freikörperkultur und besonders zu unserem Porträt des DDR-Aktfotografen Klaus Ender bringt der Spiegel-Ableger Eines Tages einen Rückblick auf FKK in der DDR.

Erinnerungen an Feigenblatt 11 („Pornografie“) hat dagegen dieses Video geweckt. Schön, dass man aus Pornobalken Kunst machen kann. Vielleicht braucht Kreativität in der Zensur einen Widerpart, an dem sie sich abarbeiten kann (ich schreibe das, ohne es zu glauben).

CollegeHumor.com

In Ländern wie Iran oder Saudi-Arabien wird (vor allem männliche) Homosexualität teilweise drastisch bestraft. Telepolis bemüht sich um Differenzierung und erinnert an die teilweise noch gelebte Tradition unverkrampfter Bisexualität in den islamischen Ländern.

Ein Vergleich der unterschiedlichen Playboy-Cover aus über 20 Ländern verspricht interessante Hinweise auf den Umgang mit Erotik. Die SZ-Bildstrecke enttäuscht aber: Mal etwas mehr, mal etwas weniger, aber auf der ganzen Welt die gleiche öde Hochglanzästhetik; die Begleittexte zählen die Brustwarzen nach. Aber was hat der Playboy auch mit Erotik zu tun?

Einsamkeit, liebe Mitmänner, ist ein schweres Los. Wenn die 9Live-Moderatorin Ihre einzige Gesprächspartnerin und zum Kuscheln nur das Schmusekissen da ist, könnte Sie eine Neuheit des Elektronikkonzerns Sega interessieren – vorausgesetzt, Sie können Ihre Gefühle auf einen 38 Zentimeter großen Spielzeugroboter projizieren, der singen, tanzen, Küsschen geben und Visitenkarten aushändigen kann und dabei so feminin aussieht wie ein Star-Wars-Krieger. Verglichen damit ist sogar diese Stripperin eine Sexbombe, die, angestöpselt an den Computer, ihre Plastikglieder lasziv schwenkt.

Was dagegen überhaupt nicht gegen Einsamkeit hilft, ist Selbstbefleckung. Sie verursacht (das sei vor allem der jüngeren Generation mitgegeben) Pickel, Blödheit und Rückenmarksschwund. Zum Glück gibt es dagegen jetzt ein Heilmittel: die „HandzOff“-Anti-Masturbationscreme. Warnung: bei abnormer Penisschwellung sofort absetzen!


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Wochenschau XVIII: Gebraucht-Jungfrauen, Tabus en masse

Silke Maschinger hat über das neue Feigenblatt ein paar sehr nette Worte gefunden (und ein paar davon vorsichtshalber nicht ausgeschrieben … jugendfreie Naturbeschreibungen können sehr tückisch sein).

Es könnte ja alles noch schlimmer kommen. Es gibt Länder, da fliegen Mädchen von der Schule, wenn sie die „Vagina-Monologe“ vorlesen, Länder, wo eine vergewaltigte Frau vor Gericht das Wort „Vergewaltigung“ nicht aussprechen darf. Nein, das ist nicht im Iran oder in Saudi-Arabien passiert.

A propos verboten: Von der Inzest-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfte ja jeder schon gehört haben. Offenbar bin ich nicht der Einzige, bei dem die Berufung auf überlieferte Tabus ein flaues Gefühl hinterlässt; Telepolis sieht die sexuelle Selbstbestimmung gefährdet.

Von einem Tabu zum nächsten: Gewisse Spielarten von Tierliebe wird Benjamin Blümchensex abstoßend und schockierend finden, aber warum Sodomie gleich eine Straftat ist (unabhängig von Tierquälerei, versteht sich), hat mir nie so recht eingeleuchtet. Nun ist sie auch in Holland verboten. Wie es ein Abgeordneter ausdrückte, wollten die Niederlande kein Magnet mehr für Perversionen sein.

Harald Martenstein hat dank Emnid herausgefunden, dass Sadomasochismus seine politische Heimat in der FDP hat und dass die Union Angst vor Sex hat. Hoffentlich ist wenigstens Kuscheln ok.

Das Erosblog, immer gut für obskure Fundstücke, hat zwei liebevoll gefertigte Spielzeugsets aus einer Zeit aufgetan, in der es noch keine krebserregenden Weichmacher und brummenden Spielzeugentchen gab.

Ein interessanter Nachtrag zum Thema „feministischer Porno“ aus unserem aktuellen Heft: Beim Berliner Pornofilmfestival im November gab es einen kleinen Disput, ob Blowjobs oder Ejakulationen auf den Körper der Frau politisch korrekt seien oder nicht. Protagonistinnen des Streits waren die Filmemacherinnen Erika Lust und Petra Joy; Audacia Ray, Bloggerin und selbst Pornofilmerin, fasst die Diskussion zusammen und bezieht Stellung. Lust vs. Joy, lustig.

Dieser Artikel hat eine komische Wirkung auf mich gehabt. Erst habe ich mich vor Lachen nicht mehr eingekriegt, dann habe ich die Klauen des Wahnsinns nach mir greifen gespürt; geendet hat es mit einer Mischung aus Unverständnis und Belustigung.
Wie Sie vermutlich wissen, laufen in den USA seit Jahren Kampagnen, um Jungfräulichkeit bis zur Ehe zu erhalten. Das scheint nicht so gut zu klappen. Das Hymen ist den Weg alles Irdischen gegangen, vielleicht sind schon ein, zwei Kinderchen auf der Welt? Kein Problem – „Revirginization“ heißt der neue Trend.
Während sich die einen mit Gebet und Meditation in den Stand der Unschuld zurückversetzen, wollen die anderen runderneuerte virgines intactae sein und lassen sich für ein, zwei Monatsgehälter ein Retortenhäutchen einsetzen. Am Ende des Artikels kann man abstimmen, ob eine Second-Hand-Jungfrau so gut ist wie Neuware – freilich mit deutlichen Ergebnissen.
Ganz unkomisch ist allerdings, dass sich manche Frauen aus rückständigen Kulturen (man könnte das auch wertfrei formulieren, aber mir ist nicht danach) diesen Quatsch nur antun, um ihr Leben zu schützen.


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Feigenblatt 11, Teil 2: Über den Pornobalken

Einige Leser haben sich über die schwarzen Balken auf Seite 40/41 gewundert. Die Erklärung dafür sind ein paar unschöne Erfahrungen, die wir mit dem letzten Heft gemacht haben: Wegen eines (bereits in einem Buch publizierten!) künstlerischen Männeraktes mit zwei halberigierten Penissen (für die Abonnenten: Seite 42) konnte Feigenblatt Nr. 10 nicht überall verkauft werden. Als wir das erfahren haben, wussten wir nicht, ob wir lachen oder weinen sollten.

Ausschnitt Feigenblatt Nr. 11 - Copyright Feigenblatt

Es fühlt sich komisch an, die Jugend zu gefährden: mit schmierigen Bildern und schmutzigen Texten, heimlich an der Straßenecke verhökert, die Seelen wehrloser 16-Jähriger zu zerstören, die bekanntlich massenhaft unsere Zeitschrift lesen, weil sie sonst ja nicht an Nacktfotos herankämen …

Ein bisschen absurder wird es noch dadurch, dass Feigenblatt 10 (soweit wir bisher sehen konnten) unser bisher mit Abstand bestverkauftes Heft werden dürfte. Trotzdem wollten wir diese Erfahrung nicht noch einmal machen und ließen unser Heft vorher anwaltlich begutachten.

Bei den Bildern wussten wir jetzt wie es läuft: keine Ständer, keine Spalten (es sei denn, es ist Kunst. Kunst erkennt man daran, dass der Fotograf schon mal auf der Documenta ausgestellt hat. Es hilft auch, wenn das Modell gefesselt oder sonstwie gedemütigt wird). Aber was sind pornografische Texte?

Wir haben uns letztlich entschlossen, einen Text abzulehnen, der relativ heftig war – obwohl er zum Heftthema gut passte und die literarische Qualität stimmte. Bei einem weiteren Text – der ironischen Transkription eines 70er-Jahre-Pornos von Crauss – haben wir die bösen, bösen Worte eingeschwärzt (wie ich es früher mal hier gemacht habe, damals aber ohne Not).

Am albernsten fand ich, dass wir eine Liste mit Experten-Empfehlungen für paartaugliche Pornos nicht drucken durften. Es ist nämlich nicht nur verboten, Pornofilme offen zu zeigen, auch die Werbung dafür (und als solche könnte man so eine Liste auffassen) geht nicht. Die dauergeilen Omas, die ihre 0900-Telefonnummern in gewisse Zeitungen setzen, scheinen dagegen kein Problem zu sein. Ich bin auch in einem Kommentar im Heft darauf eingegangen.

Das Problem ist: Wenn in einem oberbayrischen Supermarkt (ich bin ethnically Bavarian, ich darf das sagen) der pensionierte Dorfpolizist im Einsatz für Sitte und Moral das Feigenblatt durchblättert und uns anzeigt, ist der Händler unglücklich, der Presse-Grossist unglücklich, unsere Vertriebsfirma unglücklich und wir vermutlich bankrott, weil uns die Anwaltsrechnung erledigt. Und Gerichtsverfahren sind Glückssache.

Das System sieht eine Zeitschrift wie das Feigenblatt nicht vor. Deshalb machen wir es.