Permalink

1

Feigenblatt 11, Teil 1: Ist Porno böse?

Nun ist Feigenblatt 11 ja jetzt kein ganz so großes Geheimnis mehr. Trotzdem gibt es so viel darüber zu sagen, dass ich hier gleich ein Doppel-Blog-Posting mache.

Es hat sich früh abgezeichnet, dass dies ein ungewöhnliches Heft werden würde: Nie hatten wir so viele Essay-Einsendungen, nie so eine lange Liste an Wunsch-Interviewpartnern (und dass uns die Emma auf unsere Interview-Anfrage nicht einmal geantwortet hat, war auch zu verschmerzen).

Und dann all die Fragen: Ist Porno böse oder harmlos? Macht es Sex kaputt oder erst richtig gut? Wie findet man gute Pornos? Wie sehen Pornos für Frauen aus, wollen Frauen überhaupt Pornos? Wie schützt man die Jugend? Inwiefern verändert uns, dass wir jederzeit ohne Anstrengung tonnenweise Großaufnahmen von Geschlechtsteilen anschauen können?

Obwohl wir noch nie so viele Essays und Interviews hatten, könnten wir locker nochmal ein Heft zum Thema machen, denn Dinge wie die Mechanismen der Pornoindustrie oder Porno im Web 2.0 sind für meinen Geschmack zu kurz gekommen.

Geredet haben wir unter anderem mit Petra Joy, Pornofilmerin und Feministin; Dian Hanson, Herausgeberin der Erotikreihe im Taschen-Verlag; Wolfgang Büscher, Sprecher des Kinder- und Jugendhilfswerks Arche. Dr. Corinna Rückert, Romanautorin und Kulturwissenschaftlerin, klärt das Grundsätzliche, und eine junge Frau aus Berlin erzählt, wie sie die Dreharbeiten zu Petra Joys letztem Film erlebt hat.

Viel Text, genau wie in diesem Blog (das war jedenfalls die Reaktion, als ich neulich auf einer Party das Heft herumgezeigt habe. Die Leute sind es nicht mehr gewohnt, dass in einer Zeitschrift tatsächlich etwas drinsteht).

Es gibt aber auch Bilder, und was für welche. Roy Stuart ist für mich (und den Verkaufszahlen seiner Bücher nach für eine Menge anderer Leute) der großartigste Erotikfotograf der Gegenwart. Das irritiert, erzählt Geschichten, ignoriert Konventionen. Ganz und gar unbekannt ist der andere Fotograf im Heft, der sich Froodmat nennt – und dem an einem ganz besonderen Tag seines Lebens erstaunliche Bilder von Hingabe und Leidenschaft gelungen sind. Ich denke, Roy Stuart wird eher Männer ansprechen, Froodmat eher Frauen.

Die Stammleser werden Asteria ja bereits kennen, deren Geschichte sich mit ihrer ungewöhnlichen Sex-Konstellation völlig zwanglos über die Konventionen hinwegsetzt. Eine echte Entdeckung war für mich Billie Potts mit einer längeren Erzählung, die von einer ungewöhnlichen Hauptfigur, einer bildstarken Sprache und einer latenten sexuellen Energie lebt.

Und noch zwei ganz große Namen: Helmut Newton. Eugen Roth.

Mehr in Teil zwei.


Permalink

off

Roy Stuart: The Fourth Body

Mehr noch als ihre Vorgänger setzt sich die vierte Sammlung von erotisch-pornografischen Fotografien Roy Stuarts über die Genregrenzen hinweg. Makellose Schönheiten posieren in edlen Hotelzimmern oder lassen scheinbar zufällig auf der Straße tief blicken; Dominanzspiele loten sexuelle Konventionen aus, orgiastischer Gruppensex im Stil von 70er-Jahre-Pornos feiert die Enthemmung – dann folgen wieder Naturaufnahmen oder Porträts. Manche Bilder sind zu Foto-Erzählungen arrangiert, andere mit Gedichten und Prosatexten kontrastiert. Gemein ist den Bildern die scheinbare Natürlichkeit und Spontaneität, die der Perfektionist Stuart in stundenlangen Sitzungen herstellt. Oft wird derBetrachter durch seinen Blickwinkel zum Voyeur, kitzelt ein scheinbar unschuldiges Foto schmutzige Fantasien heraus. Der vierte Körper steht für das Göttliche, für die Befreiung – die Freiheitdurch die Entfesselung des Eros. Eine DVD mit Ausschnitten aus Stuarts kommendem Spielfilm und ein scharfsinniges Interview mit Dian Hanson vervollständigen das Buch mit Fotos aus zwei Jahrzehnten.