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Esther Vilar: Reden und Schweigen in Palermo

Eine wohlsituierte Frau wartet in einem Hotelzimmer auf ihren Mann. Alljährlich fährt das Paar in den Ferien nach Palermo. Für den Abend ist ein gemeinsamer Opernbesuch geplant. Aber der Mann kommt nicht – stattdessen dringt ein Fremder in ihr Zimmer ein, beraubt sie ihrer Kreditkarten und ihrer sexuelle Selbstbestimmung und tötet schließlich den herbeigerufenen Portier. Die Beschreibung dieses Missbrauchs hinterlässt beim Lesen widersprüchlich Gefühle: Was will dieser Fremde? Versucht er nur, die leidenschaftliche Frau hinter ihrer müden, merkwürdig unbeteiligten Fassade hervorzulocken? Darf frau Lust empfinden, wenn ihr Wille gebrochen wird?
Es ist ein Spiel mit den Grenzen, zu dem diese Novelle den Leser verführt. Vilar wird einmal mehr ihrem Ruf als politisch unkorrekte Provokateurin gerecht. Das überraschende Ende dieses Tabubruchs wirkt zuerst erleichternd, führt aber weiter zu grundlegenden, beunruhigenden Fragen über das Verhältnis der Geschlechter – Fragen, die die Autorin in einem sehr lesenswerten Nachwort diskutiert. Ein erotisches und sehr kluges Buch.