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Pornos gucken

Der VeranstaltungsortWährend der letzten Venus hat uns die in Amsterdam lebende amerikanische Filmemacherin Jennifer Lyon Bell zum Erotikfilmfestivals „Rated X“ eingeladen. Als eine der Organisatorinnen wollte Bell dort ihren Film „Matinée“ uraufführen. Veranstaltungsort war das Kino und Kulturzentrum „Kriterion“ in Amsterdam; an vier Tagen liefen dort von vier bis Mitternacht in zwei Sälen alternative Pornos, Dokumentationen und schräge Kurzfilme. Ich habe nur drei Vorstellungen und eine halbe Podiumsdiskussion geschafft, Anja zwei Filme mehr.
Mein einziger abendfüllender Film war der charmante Animationsfilm „My Art School Summer“, ein anscheinend autobiografischer Rückblick auf die Sturm- und Drangjahre der Filmemacherin Mary Sandberg. Trotz seiner vielen expliziten Sexszenen hat sich hier nichts nach Porno angefühlt – es war eher eine offenherzig erzählte Jugenderinnerung mit niedlichen Zeichnungen.
Jennifer Lyon Bell und ihre Hauptdarstellerin (links) Mein Restprogramm bestand aus Kurzfilmen, von denen Jennifers Premiere (gefeiert in Anwesenheit der Hauptdarstellerin) mit ihrer intensiven Liebesszene den meisten Eindruck hinterlassen hat.
Erika Lusts „Barcelona Sex Project“ (siehe Feigenblatt 13), aus dem ein Ausschnitt gezeigt wurde, setzt dagegen auf eine betont kühle Optik. Einem Mann auf der Kinoleinwand beim Masturbieren zuzusehen, ist für einen Hetero-Mann ein ungewohnter Anblick, der zur Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität beinahe zwingt. Das weibliche Gegenstück dazu war ein Film aus der Reihe „I Feel Myself„, bei dem mich vor allem die abgeklärte und ironische Art der Hauptdarstellerin, über ihre Sexualität zu reden, verblüfft hat.
Ich habe keine Ahnung, was „feministischer Porno“ sein soll, aber was für mich nicht dazu zählt, ist, dass sich eine Frau würgen, schlagen und eine Viertelstunde wie ein Kaninchen rammeln lässt (offenbar ohne dabei zu kommen). Hauptdarstellerin und Autorin Madison Young fühlt sich trotzdem als feministische Vorkämpferin. Wenn sie meint.
Da ich bisher immer das Berliner Pornofilmfestival verpasst habe, habe ich keine Erfahrungen mit Porno im Kino. Die Anwesenheit anderer Leute im Saal stört mitunter – nicht, weil einen die Leidenschaft übermannt, sondern weil Geplapper und Gegiggel sich nicht der oft echten Leidenschaft mancher Darsteller auf der Leinwand verträgt; ich fand das bisweilen respektlos. Eine Beobachtung, die ich auf unseren Lesungen gemacht habe: Viele Zuschauer/-hörer sind dankbar für jede Gelegenheit, durch Lachen die Spannung zu lösen (da andere Möglichkeiten der Spannungslösung unpassend wären). Das ist prima, wenn der Film (oder die Geschichte) das hergeben – wenn nicht, nervt es.
Tatsächlich hatten die meisten Filme, die ich gesehen habe, einen sehr distanzierten Blick auf Sex, von albern über ironisch-didaktisch bis künstlerisch verfremdend (in glücklicherweise nur einem Fall nervige Pseudokunst). Die Mehrzahl der Filmemacher auf dem Festival mögen sich offenbar nicht mit der Rolle begnügen, Intimität zu zeigen und sexuell zu erregen. Um so mehr Respekt für die wenigen, die das riskiert haben.
Dieser hier dürfte nicht zu Ihrer Erregung beitragen – aber er ist großartig. Finde ich.