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Sex in Tüten, Teil 2

Anja hat sich ja mehr auf die bizarren Seiten der Venus-Messe kapriziert. Davon gibt es mehr als genug, was aber eine Stärke dieser Messe ist: Bizarr heißt nämlich, dass eine eigentlich unerträgliche Übersexualisierung, dass der allgegenwärtige pornografische Hochleistungssport und die auf Großbildschirmen zwecks Lustgewinn ausgebreiteten Körperausscheidungen aller (!) Art durch ein geschäftig-professionelles Umfeld einen einzigartigen Charme bekommen. Jedenfalls an den Fachbesuchertagen. Wer je eine dieser billigen Tingel-Erotikmessen mit ihrer jahrmarktsmäßigen Billiggeilheit besucht hat, spürt den Unterschied sofort.

Schräges aus Fuqing
Motorpenis Bizarres aus Asien

In Sachen Schrägheit sind wir den Asiaten hoffnungslos unterlegen – daran ändern auch die aufblasbare Plastiktüte als männliche Masturbierhilfe oder der phallusförmige Getränkespender nichts. So saß bei einem Hentai-Anbieter ein mageres Mädchen mit einer Manga-Maske herum, mit handtellergroßen Augen und einem Näschen von der Größe eines Fingernagels. Sehr echt gemacht, ein echter Schocker bei flüchtigem Hinschauen. Persönlicher Höhepunkt (das musste sein) war für mich aber der Katalog von Qiao Ming aus (Achtung!) Fuqing. Bei einigen der grell rosaroten, vibrierenden oder mit Haaren beklebten Plastikartikel ist mir bis heute nicht klar, was man damit eigentlich machen soll. Ich glaube, ich will auch nicht alles wissen.

Zu den schönen Dingen zählte ein Wiedersehen mit dem Filmproduzenten Nikolas Barbano, den wir für die letzte Ausgabe interviewt hatten (All about Anna). Der Film hat endlich einen deutschen Vertrieb bekommen und wird heute Abend in Berlin (ich glaube, 18 Uhr im Kant-Kino) auf großer Leinwand gezeigt. Die beiden Hauptdarsteller sind für einen Preis nominiert. Nikolas machte uns mit einer jungen amerikanischen Filmemacherin bekannt, deren Kurzfilm „Headshot“ am Sonntag während des Pornofilmfestivals gezeigt wird. Außerdem steckte er uns mit seiner Begeisterung für Porno-Klassiker der 70er-Jahre an (z.B. hier), die wohl teilweise etwas liebevoller gemacht waren als die heutigen Fleischindustrieprodukte. Gefreut haben wir uns auch über einen Plausch mit Silke Maschinger, in deren erotischen Salon wir sicher öfter kommen würden, wenn da nicht 280 Kilometer dazwischen lägen.

Hase mit Vibrator „NOT FOR CHILDREN!“ steht auf diesem Stoffhasen, den die Herausgeberin hier präsentiert: Er dient nämlich als Versteck für einen Vibrator.

Außer zahllosen laut summenden Plastikpimmeln fernöstlicher Herkunft und Penis-Nachahmungen von der Größe eines Unterarms gab es auch einige sehr schöne Spielzeuge zu sehen. Dazu zählen etwa die Vibratoren von Lelo aus Schweden, deren Design sich einiges bei den trendigen Apple-Produkten (iPod & Co.) geborgt hat. Wenn es noch ein wenig schicker sein soll, lohnt ein Besuch bei PVibe, die vibrierende kleine Schmuckstücke herstellen – je nach Solvenz aus Edelstahl, Silber, Gold oder (ganz exklusiv) mit Diamanten besetzt. Die beiden netten Grazer, die das kleine Unternehmen vor fünf Jahren auf die Beine gestellt haben, sind auch sehr gut darin zu erklären, warum ihre metallenen Präzisionsgeräte ihr Geld wert sind. Die Holländer von Natural Contours setzen eher auf die Wellness-Schiene. Ein Besuch bei der Mae B.-Filiale am Hermannplatz brachte übrigens genau diese drei Hersteller einträchtig auf dem Ladentisch zusammen – man trifft halt immer wieder auf die gleichen Namen.

Wäsche, die nicht nur Gewerbetreibende oder Peitschenschwinger anspricht, muss man auch ein Weilchen suchen. Dann kann man zum Beispiel die Stände von Loratus oder von Dessousladen24 besuchen: Beide verkaufen sehr schöne Korsagen, die erstaunlicherweise auch für mittlere Einkommen erschwinglich sind.

Wer also noch Zeit hat und sich weder von sabbernden Pornoglotzern, die an den Publikumstagen sicher zu Tausenden hinter jeder Stripperin und jedem Pornosternchen her sind, noch von den Veranstaltern abschrecken lässt, deren Organisationstalent (lange Schlangen vor der Presseakkreditierung), Freundlichkeit und Kompetenz (Türsteher, die kein Wort Englisch sprechen) noch ausbaubar sind, kann hier ein paar interessante Stunden verbringen.

Autor: Herbert Braun

Mitherausgeber des Feigenblatt Magazin und sowas wie der Chefredakteur.