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Dich, süße Sau … nenn ich die Pest von Schmargendorf

Zwanzig Jahre nach dem Erscheinen kommt diese Anthologie erotischer Lyrik des Expressionismus unter die Leute: zuerst als Taschenbuch bei btb, nun auch vorgelesen auf CD. Animation zur Wollust wird man hier kaum finden. Die Sammlung bedient eher den gebildeten Décadent, der sich an den grotesk-pathetischen Übersteigerungen delektiert und sich von den innig zarten Momente dazwischen überraschen lässt.
Unter den exakt hundert Gedichten sind Stars wie Gottfried Benn und Kurt Schwitters in der Minderheit; das Gros stammt von Dichtern aus der zweiten Reihe wie Ernst Lotz, Alfred Lichtenstein, Jakob van Hoddis und Mynona, dessen Nachlass Herausgeber Hartmut Geerken verwaltet. Die Schauspieler Renate Schmidt, Elisabeth Müller und Leonid Semenov (mit russischem Akzent) tragen die Texte schnörkellos und bisweilen schnell vor. Die pausenlose Abfolge dichter Verse stellt hohe Anforderungen an den Leser – höhere, als es das Wellness-Rosa der kleinen Box erwarten lässt. In kleinen Dosen ist die „süße Sau“ jedoch ein Genuss.

Autor: Herbert Braun

Mitherausgeber des Feigenblatt Magazin und sowas wie der Chefredakteur.

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