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Dennis DiClaudio: Der kleine Erotiker

Schuhe, Käfer, Autos, Clowns, Statuen – all diese harmlosen Gegenstände sind für manche Menschen das Ziel ihrer erotischen Sehnsüchte. Das jedenfalls behauptet Dennis DiClaudio, der 42 sexuelle Vorlieben mehr oder weniger abseits des Gewöhnlichen zusammengetragen hat. Szenische Einstiege bringen dem Leser diese bizarren Formen von Lust nahe, was allerdings bei Neigungen wie Emeto- oder Eproktophilie (Sie wollen gar nicht wissen, was das ist) kaum zu gelingen vermag.
DiClaudio, der seinen Stil bereits an ähnlichen Sammlungen sonderbarer körperlicher und seelischer Gebrechen geschärft hat, imitiert mit souveräner Ironie pseudowissenschaftlichen Ratgeber-Stil. Grafiken im Stil des 19. Jahrhunderts verstärken diesen Effekt. Natürlich macht sich das Buch über Formen von sexueller Devianz lustig, aber eher mit mildem Spott.
Das lexikonartige Büchlein ist unterhaltsam, eignet sich allerdings eher als Lesehäppchen für Zwischendurch. Auch wenn es nicht aufklärerisch gemeint war, zeigt »Der kleine Erotiker« die Vielfalt der Sexualität auf und belegt: Man gar nicht so verdreht sein, dass nicht noch andere Menschen mit der gleichen Neigung zu finden wären.

Am 15. Juni 2010 von Herbert Braun · Kategorien : Sachbücher


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Astrid Martini und Sabine Schönberger: Schwanensee

Eine ungewöhnliche Idee: Die Bestsellerautorin Astrid Martini (»Zuckermond«) und die Fotografin Sabine Schönberger erzählen gemeinsam in Wort und Bild ein erotisches Märchen. Als Grundlage für dieses erotische »Märchen-Bilderbuch« diente den beiden Frauen das berühmte Ballett von Pjotr Tschaikowski, das von der in einen Schwan verzauberten Prinzessin handelt, die durch die Liebe eines Prinzen vom Bann eines bösen Zaubers erlöst wird.
Farbenfroh und blendend inszeniert Schönberger ihre Modelle. An der Ausstattung wurde nicht gespart: Prächtige Kostüme, viel Make-up und Perücken fangen die wollüstige Atmosphäre des 18. Jahrhunderts ein, die Szenerie wechselt zwischen einem Schloss, einem Bankett im Freien und einer Waldlichtung. Beim Durchblättern fühlt man sich in eine opulente Theater-Inszenierung hineinversetzt.
Die zuckersüße Geschichte und die vielen schönen Frauen und Männer (allen voran Prinz und Prinzessin), die Schönberger fotografiert hat, bieten den Leser(inne)n Stoff zum Träumen. Ein mutiges und aufwändiges Projekt, an das sich der Verlag hier gewagt hat.

Am 15. Juni 2010 von Anja Braun · Kategorien : Bildbände


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Dian Hanson: The Big Butt Book

Nach Brüsten, Penissen und Beinen widmen sich der Taschen-Verlag und seine Erotik-Chefin Dian Hanson zum vierten Mal einem Körperteil – dem weiblichen Hintern. Das Konzept hat sich nicht geändert: kolossales Format, freizügige Bilder vor allem der 50er bis 70er-Jahre, dazwischen überwiegend lesenswerte Essays.
Darin geht es etwa über die seit Jennifer Lopez aufkommende Mode, einen üppigen Hintern als Sexsymbol zur Schau zu stellen. Diese an sich gesunde Gegenbewegung zum Magerwahn, die sich an afrikanischen und lateinamerikanischen Schönheitsidealen orientiert, lässt die Zahl der Po-Schönheitsoperationen ansteigen.
Zu Wort kommen der Comiczeichner Robert Crumb, der Regisseur Tinto Brass – beide bekennende Pygnophile – sowie einige weniger interessante Rektal-Schönheitsköniginnen; Spanking und Analsex werden ebenso thematisiert wie Rassismus. Empfehlenswert ist das Buch vor allem für Liebhaber älterer Bilder, die sich von den neueren Aufnahmen im Buch wohltuend abheben. Merkwürdig, dass die meisten Fotografen (darunter Elmer Batters) nicht genannt werden.

Am 15. Juni 2010 von Herbert Braun · Kategorien : Bildbände


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Catherine Millet: Eifersucht

Vor neun Jahren tauchte der Name Catherine Millet auf der literarischen Landkarte mit dem autobiographischen »Das sexuelle Leben der Catherine M.« auf, einem Bestseller mit dem Air des Skandalösen. Das kürzlich erschienene »Eifersucht« ist eine Art Fortsetzung und Gegenstück davon.
Nackt sind diesmal jedoch eher die Seelen als die Körper. Millet, die als junge Frau 1972 eine Kunstzeitschrift gründete, durchlebte während der langen Beziehung zu ihrem Mann Jacques zahllose sexuelle Affären. Zufällig entdeckt sie eines Tages Hinweise darauf, dass auch er Nebenbeziehungen unterhält. Trotz ihrer eigenen Untreue trifft sie diese Entdeckung schwer, sie steigert sich in eine obsessive Selbstquälerei hinein, bis sie diese schließlich überwinden kann.
Millets zweites Buch taucht tief in seelische Abgründe hinab. Sprachverliebt und egozentrisch verrät jeder Satz jene Selbstsicherheit, die nur jahrzehntelange Zugehörigkeit zur intellektuellen Oberschicht verleihen kann. Diesem sehr französischen Buch leiht die Schauspielerin Nina Petri überzeugend ihre dunkle, nicht mehr ganz junge, sehr sinnliche Stimme.

Am 15. Juni 2010 von Herbert Braun · Kategorien : Hörbücher


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Fischer, Karge, Reimann: Einmal eins ist eins, steck dein Ding in meins

Eine dreibändige Sammlung erotischer Lyrik in ungewöhnlicher, hochwertiger Aufmachung will der junge Züricher Kunst- und Literaturverlag herausbringen. Der jetzt erschienene erste Band widmet sich der »Volkserotik« – wobei das Wort Erotik nach Subtilität und Raffinesse klingt, von denen die derbe, ungekünstelte Sinnlichkeit dieser Texte frei ist.
Ohne Schuld, Leid oder andere bürgerliche Seelennöte wird hier der Trieb gefeiert, wohlig wie Ferkel im Garten Epikurs genießen die anonymen Verfasser ihre Körperlichkeit. In den Liedern, Sprüchen und Spottversen aus drei Jahrhunderten, welche die Herausgeber aus seltenen Publikationen zusammengetragen haben, geht es gern zotig und nicht besonders politisch korrekt zu.
Für dieses Werk haben Andreas Fischer und Gesine Karge, die Betreiber des Berliner Erotik-Antiquariats Ars Amandi, ihre Schätze mit denen des Sammlers Manfred Reimann zusammengelegt. Schade nur, dass mangels Quellenangaben keine Rückschlüsse auf Zeit, Ort und Sprache der Verse möglich sind. Schöne Illustrationen von unbekannter Hand runden den Band ab.

Am 15. Juni 2010 von Herbert Braun · Kategorien : Literatur


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Björn Kern: Das erotische Talent meines Vaters

Sind die Kinder bürgerlicher als die eigenen Eltern? Diesen Eindruck könnte man im neuen Roman des jungen Autors gewinnen. Die Welt des 23-jährigen Pflegers Philip wird auf den Kopf gestellt: Statt ein erholsames Wochenende bei seinem Vater am Bodensee zu verbringen, sorgt er sich um ihn. Warum fühlt sich Jakob von den Frauen bedroht, denen er doch so imponiert?
Der Dschungel aus Irrungen und Wirrungen verdichtet sich um Philip. Dazu trägt auch bei, dass der Vater verblüffend fit und ausgeglichen wirkt – nimmt er etwa Drogen? Das Bild des charismatischen, attraktiven 60-Jährigen passt nicht in das Muster des Sohns, genauso wenig wie die Spiele um Sein und Schein mit den beiden jüngeren Frauen, die in Jakobs Leben drängen.
Kern schildert den uralten Vater-Sohn-Konflikt zeitgemäß aus der Perspektive Philips, der sich im Lauf der Handlung immer wieder mit dem Vater vergleicht und ihm imponieren möchte. Letztlich erkennen beide ihre jeweiligen Probleme in Liebe und Sexualität. Die bildreiche, spielerische Sprache tröstet über die zum Teil etwas weitschweifige Erzählung hinweg, die mit einem unerwarteten Ende auftrumpft.

Am 15. Juni 2010 von Gulaim Ahangri · Kategorien : Literatur


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Alan Wieder: Mein bestes Stück

Das Innenleben des Mannes ist ein geheimer Ort. Frauen, die darauf erpicht sind, dieses Gebiet zu erforschen, können sich an Alan Wieders autobiografischen Roman halten, der dem Leser (oder der Leserin) tiefe Einblicke in seine Welt gewährt.
Der Autor, ein erfolgreicher Produzent, war zehn Jahre lang ein treuer Ehemann, bis er eines Tages beschließt, seine Frau zu verlassen, um nochmal frei und ungebunden zu sein. Er bezieht eine Junggesellen-Bude, kauft einen Porsche und beginnt ein Leben als Frauenheld. Am Ende stellt sich die Frage, ob dies wirklich die richtige Entscheidung war.
Im Vorwort gesteht der Autor, dass er »einiges hinzugefügt (hat), damit diese zu 87 Prozent wahren Ereignisse etwas unterhaltsamer wurden«. Dieses Ziel hat Wieder mit seinem Erstlingswerk allemal erreicht. Locker, offen und mit Humor erzählt er von erotischen Sex-Abenteuern, peinlichen Masturbations-Eskapaden und den Zweifeln im Laufe einer Beziehung.
Der Roman hält mehr, als das weniger gelungene Cover verspricht, und überrascht immer wieder mit liebevollen, lustigen und mal mit traurigen Momenten – wie das Leben selbst.

Am 15. Juni 2010 von Gulaim Ahangri · Kategorien : Literatur


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Sonja Ruf: Erste Lieben

Eine große und eine kleine Geschichte von der Liebe erzählt Sonja Ruf. In »Offene Zeit« verliebt sich Tina schon als kleines Kind in ihren acht Jahre älteren Pflegebruder Sebastian, ihren Beschützer. Nachdem er ein paar Jahre im Ausland gelebt hat, besucht sie ihn wieder als 16-Jährige. Während eines Sommers auf seinem Hof entwickelt sich aus ihrer pubertären Schwärmerei eine erste große, verbotene Liebe. Fast lässt sich Sebastian darauf ein, doch dann kommt es anders …
Rufs Sprache macht die Stimmung dieses Sommers extrem greifbar und lebendig. Als wäre man selbst im Rausch der Verliebtheit, fühlt man die Farben und Gerüche dieser Tage – und die unvorstellbar schmerzhafte Enttäuschung. Hilflos ist Tina der Urgewalt der sexuellen Anziehung ausgeliefert. Irgendwann wird aus dem verträumten Mädchen eine erwachsene Frau, aber diese erste Liebe lässt sie nicht los.
Ums Loslassen geht es dagegen in »Frauen im Muschelkalk«. Die Kurzgeschichte spielt in einem verlassenen Dorf, seltsam fern von dieser Welt – und von einem Glück, das kommt, wenn man am wenigsten mit ihm rechnet. Zwei herausragende Erzählungen.

Am 15. Juni 2010 von Anja Braun · Kategorien : Literatur


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Elfried Vavrik: Nacktbadestrand

Sex im Alter ist in unserer Gesellschaft immer noch ein Thema, über das man nicht gerne spricht. Deswegen ist es umso beeindruckender, wenn eine Frau im späten Alter ihre Sexualität neu entdeckt und mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit geht.
Elfriede Vavrik hatte nach ihrer Scheidung mit 40 mit den Männern abgeschlossen. Doch nachdem sie 79-jährig ihr Buchgeschäft geschlossen hat, ist ihr langweilig und sie hat Schlafprobleme. Sie geht zu einem Arzt und der rät ihr, sich lieber einen Mann zu suchen, als Pillen zu nehmen. Wie die Wienerin das angeht und welchen Männern sie begegnet, hat sie in klaren Worten in ihrem Buch beschrieben. Zwischen den Kapiteln hat sie erfundene erotische Geschichten eingestreut, aber auch Alltagsfotos von sich.
Vavrik macht nicht nur angenehme Erfahrungen, doch gerade durch die eine oder andere »Panne« wirkt das Buch ehrlich. Es macht Mut, zu lesen, dass ein sexueller Neuanfang immer möglich ist, unabhängig davon, wie prüde man erzogen wurde oder wie alt man ist. Nur die »Feuchtgebiete«-Anspielung auf dem Cover hätte sich der Verlag sparen können.

Am 15. Juni 2010 von Anja Braun · Kategorien : Sachbücher


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Sten Reen: Kornblum

Kornblum, der gescheiterte Künstler, hat sich leidlich mit seinem Leben arrangiert, als er in seiner Stammkneipe Terri kennen lernt. Sie fegt wie ein Wirbelsturm durch sein Leben, seine Gefühlssicherungen knallen durch. Es beginnt wie ein Märchen, aber bald schleichen sich Misstöne ein – etwa wenn Sten Reen die Welt durch Terris Augen anschaut und klar wird, dass es ihr eher ums Geliebtwerden als ums Lieben geht.
Bald kann Kornblum Terri nichts mehr recht machen, etwa wenn er sich um ihr Kind kümmert. Immer seltsamer werden ihre Aussetzer, auf Szenen der Zartheit folgen heftigste Auseinandersetzungen aus heiterem Himmel. Spätestens bei einer Fahrt an die Küste wird Kornblum klar: Terri ist ernsthaft psychisch krank.
Mit ihrer kompromisslosen Leidenschaft, dem enthemmten Sex und der unverblümt rohen Sprache erinnert der Roman an Djians »Betty Blue«. Zuweilen schnürt einem das fragile Glück regelrecht die Kehle zu, weil klar ist, dass es nicht von Dauer sein kann. So eine Leidenschaft ist nur möglich, wenn die Gefühle rücksichtslos bis zum Anschlag aufgedreht werden.

Am 15. Juni 2010 von Anja Braun · Kategorien : Literatur