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Vladan Matijevic: Die Abenteuer der Mieze A.

Eine Naturgewalt, diese Frau. Vielleicht auch ein Verhängnis für die Männer, die ihren Weg kreuzen – und das sind viele, denn Mieze Aksentijevics Gier nach Lust und Leben ist unstillbar. Ohne Berechnung und ohne Gewissen nimmt sie sich, was sie zum Leben braucht. Ob sie die Männer, mit denen sie diese Lust teilt, in zufriedener Gleichgültigkeit oder in Verzweiflung, Eifersucht und zerrütteten Ehen zurücklässt, ficht sie nicht an.
Das klingt nach Tragödie, ist es aber nicht. Sinnenfroh und in knappen, fast unzusammenhängenden Episoden erzählt Matijevic die Burlesken aus dem Leben seiner Heldin, und im Zweifel siegt bei ihm die Lust zum Fabulieren und Übertreiben über den Realismus.
Der Autor, der von sich sagt, er schreibe so wenig wie möglich, hat eine wunderbar verdichtete Sprache für seine personifizierte (Lebens-)Lust gefunden. Nur unter der Oberfläche schimmert Schwermut durch, vor allem, wenn sich hinter dem Dichter Rade Proust Matijevic selbst abzeichnet. Aber sentimental wird es nie – mit solcher Gefühlsduselei sollte man Mieze A. auch besser nicht kommen.


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Susanne Heinrich: So, jetzt sind wir alle mal glücklich

Es gibt diese Momente, in denen alles auf der Kippe steht. Eben scheinen die Dinge des Lebens wohlsortiert und geregelt, und plötzlich, scheinbar ohne äußere Ursache, hinterfragt man alles – was man tut, wer man ist, wen man liebt. Susanne Heinrich beschreibt so einen Moment, in dem drei Paare bis in die unteren Schichten ihres Seelenlebens vordringen.
Es ist die Nacht vor Franziskas Hochzeit; nach dem Polterabend macht sie mit ihrem Bräutigam, ihren Freunden Clara und Max und deren Partnern durch. Diese drei Figuren erzählen kapitelweise die Geschichte dieser Nacht. Betäubt von Alkohol und Joints kommen die verwickelten Beziehungen und enttäuschten Erwartungen zur Sprache: die wahre Geschichte von Franziska und ihrem Bräutigam zum Beispiel. Oder was es mit Claras Zynismus auf sich hat. Oder warum Max bis zur Selbstaufgabe die labile Charlotte stützt.
In einer sexuell aufgeladenen Stimmung werden Fragen gestellt und Antworten gegeben – aber kann man sich am Morgen wieder in die Augen sehen? Der erstaunlich reife Roman einer jungen Autorin.


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Diablo Cody: Nackt

Wer kennt es nicht, das kribbelnde Gefühl, das sich im ganzen Körper ausbreitet, wenn man etwas Unerhörtes ausprobiert. Das Adrenalin, das durch jede einzelne Ader fließt, während man etwas wagt, das man sich nicht mal in den kühnsten Träumen hätte vorstellen können. Dieser Kick treibt Diablo Cody, bekannt als Drehbuchautorin von „Juno“, dazu, sich eines Nachts ohne nachzudenken für einen Amateurabend in einem Stripclub anzumelden. Sie findet Geschmack an diesem Abenteuer: Während sie von einem Stripclub zum nächsten tingelt, findet sie immer mehr zu sich selbst.
Mit einem großzügigen Spritzer Sarkasmus, einer gesunden Portion Selbstironie und einem breiten Fächer an Metaphern berichtet die Autorin ungehemmt von ihrem Leben als Tänzerin, Entertainerin und Stripperin. Dabei lernt sie die unterschiedlichsten Männer kennen: perverse Scheusale, schüchterne Verklemmte, lüstern Fordernde. Aber nicht nur Männer, sondern auch die Frauen lernt Cody mit anderen Augen zu betrachten – vor allem die, die sich vor Männern entblößen, posieren und sie gekonnt verführen: die Geishas Amerikas.


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Anna Blumbach: Kurze Nächte

Eva will einfach nicht erwachsen werden. Dabei hat die umtriebige Berlinerin genug Probleme am Hals: Die arbeitslose Architektin lebt von Hartz IV, hat eine verkrachte Beziehung hinter sich und ist Mutter – eine Rolle, die sie so gut es geht ausfüllt. Doch in den Wochen, in denen ihr Ex-Freund die Erzieherschichten übernimmt, versucht sie, mit ihrem Gefühlschaos fertigzuwerden und auf nächtlichen Disko-Streifzügen ihre Sehnsucht zu stillen.
Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, beschreibt Anna Blumbach die exzessiven erotischen Abenteuer ihrer Heldin, zum Beispiel mit Tom, dem besten Freund und Frauenversteher, oder Kolja, dem exzentrischen Künstler. Bei allem sexuellen Genuss wirken diese Eskapaden oft wie ein Versuch, das Fragezeichen auszuradieren, das über Evas Zukunft steht. Blumbachs derbe Sprache liest sich anfangs ungewohnt, aber sie schafft auch eine starke Nähe zur Protagonistin und ihren Gefühlen. Mancher wird darunter Situationen entdecken, die er selbst so ähnlich schon einmal erlebt hat. Ein lustvolles und offenes Buch, das tiefer schürft, als es den Anschein hat.


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Mona Vara: Süße Verführung

Mona Vara beschreibt einfühlsam die prickelnde Liebesgeschichte zwischen der jungen Rebellin Sophie und dem angesehenen Lord Edward im 19. Jahrhundert. Die historischen Begebenheiten – wie der Sieg über Napoleon – bilden dabei den Rahmen des erotischen Romans.
Nachdem Sophie McIntosh ein ganzes Bergwerk in Schottland einstürzen lässt, schicken die Eltern ihre Tochter nach England. Dort soll sie Benehmen und Anstand lernen. Stattdessen kommt sie einer Schmugglerbande auf die Spur, begibt sich in ungeahnte Gefahren und befindet sich im nächsten Moment mitten in einer Orgie. Edward schützt nicht nur den Ruf der Familie McIntosh mit einer unbedachten Hochzeit, sondern versucht die Schottin auch zu zügeln. Ihr Temperament übt einerseits eine große Anziehungskraft auf ihn aus, andererseits bringt sie sich deshalb immer wieder in Schwierigkeiten. Bald darauf findet auch seine Zwillingsschwester Gefallen an der jungen Rebellin und lässt keinen Versuch aus, sich ihr zu nähern.
Zwischen Macht und Hingabe demonstriert die Autorin das Entfachen der Liebe, der Leidenschaft und nicht zuletzt der Lust.


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Sawa Al Neimi: Honigkuss

Als „Loblied auf die Lust“ charakterisierte eine libanesische Zeitung den Debütroman der in Paris lebenden Syrerin, andere sprachen von einer „sexuellen Intifada“. Bei so viel Lob neigt der ein oder andere dazu, skeptisch die Augenbraue hochzuziehen. Doch der Roman hält, was er verspricht. Bereits nach den ersten Sätzen zieht er den Leser in seinen Bann, hüllt ihn in eine Aura, die nur so vor sexueller Energie strotzt. Übertrieben? Keinesfalls! Angeregt durch die heimliche Lektüre der arabischen Erotikklassiker beginnt Salwa Al Neimis Erzählerin, ihre Sexualität frei auszuleben. Sie ist eine kluge Frau, die die wollüstigen Darstellungen der Meisterwerke mit ihren Liebhabern nachahmt. Sie ist eine verheiratete Frau, die nicht nach Liebe sucht, sondern nach wildem, ungestümem, leidenschaftlichem Sex. Und sie ist eine arabische Frau, die offen von ihrer unstillbaren Lust und der Verführung durch Bücher erzählt. Freizügig, detailreich und mit einer lebhaften Sinnlichkeit schildert Salwa Al Neimi das Liebes- und Sexleben dieser Frau, ohne dabei eine Provokation auszulassen.


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Rebecca Martin: Frühling und so

Lustvolle Literatur von Frauen gibt der Verlag Schwarzkopf und Schwarzkopf in seiner neuen Buchreihe „Anais“ heraus. Gleich der erste Band, das Debüt einer 18-jährigen Berlinerin, wurde zum Überraschungserfolg. Ein so echtes und unverblümtes Buch, so nah an den Gefühlen dieser Generation von Frauen, war lange nicht zu lesen. Der Roman basiert auf Tagebucheinträgen, in denen die Autorin ihre Eroberungen und Enttäuschungen auf der Suche nach Liebe und sexueller Selbstbestimmung rekapituliert. Dass sich Mädchen heute sexuell offensiver und ungehemmter ausleben als frühere Generationen, ändert nichts am Gefühlschaos beim ersten Verliebtsein. „Frühling und so“ ist nicht wirklich ein erotischer Roman, sondern er erinnert an die bittersüße Zeit des sexuellen Erwachens. Insofern erregt die Lektüre weniger, als dass sie wunderbar die Stimmungen und Sehnsüchte dieser Zeit zurückholt. Dabei wechseln sich Passagen, die überraschend reif und in bildhaftfeinsinniger Sprache Stimmungen einfangen, mit schnodderigen Beschreibungen ausgedehnter Partytouren und Männergeschichten ab.


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Esther Vilar: Reden und Schweigen in Palermo

Eine wohlsituierte Frau wartet in einem Hotelzimmer auf ihren Mann. Alljährlich fährt das Paar in den Ferien nach Palermo. Für den Abend ist ein gemeinsamer Opernbesuch geplant. Aber der Mann kommt nicht – stattdessen dringt ein Fremder in ihr Zimmer ein, beraubt sie ihrer Kreditkarten und ihrer sexuelle Selbstbestimmung und tötet schließlich den herbeigerufenen Portier. Die Beschreibung dieses Missbrauchs hinterlässt beim Lesen widersprüchlich Gefühle: Was will dieser Fremde? Versucht er nur, die leidenschaftliche Frau hinter ihrer müden, merkwürdig unbeteiligten Fassade hervorzulocken? Darf frau Lust empfinden, wenn ihr Wille gebrochen wird?
Es ist ein Spiel mit den Grenzen, zu dem diese Novelle den Leser verführt. Vilar wird einmal mehr ihrem Ruf als politisch unkorrekte Provokateurin gerecht. Das überraschende Ende dieses Tabubruchs wirkt zuerst erleichternd, führt aber weiter zu grundlegenden, beunruhigenden Fragen über das Verhältnis der Geschlechter – Fragen, die die Autorin in einem sehr lesenswerten Nachwort diskutiert. Ein erotisches und sehr kluges Buch.


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Hansjürgen Blinn (Hrsg.): Nimm mich! Erotische Erzählungen

Liebhaber einer literarisch-erotischen Liaison kommen an der Reihe „Bibliotheca erotica“ nicht vorbei. Im ersten Band der Reihe entführen „Die schönsten erotischen Erzählungen“ (so der Untertitel) den Leser in alle Facetten der Leidenschaft: mal sinnlich schmachtend, mal rasend vor Wollust, mal mit einem Spritzer Humor versehen. So schildert etwa ein anonymer Autor in „Der Rosenbusch“ das seltsame Abkommen einer Jungfrau mit ihrer Scham: Beide trennen sich im Streit, weil das aufmüpfige Körperteil behauptet, dass die Männer die Frau nur ihretwegen verehren. Oskar Panizza beschreibt in „Ein skandalöser Fall“ vom sehnsüchtigen Begehren zwischen zwei jungen Mädchen. Was dagegen Charles Bukowski in „Fünfzehn Zentimeter“ mit (und vor allem: in) seiner Ehefrau erlebt, ist die Vollendung aller Männerfantasien – und ein echter Alptraum. Das bibliophile Bändchen versammelt noch andere Meisterwerke von Lukian, Boccaccio, Balzac, Musset und Nin, die die Vielschichtigkeit des Erotischen in der Literatur aufzeigen, sowie einige Zeichnungen von Gustav Klimt


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Bettina Steinbauer: Zwei im Sinn

Diese Liebesgeschichte beginnt verhalten, denn die beiden haben schon einige Narben auf der Seele. Doch einige Treffen und zahllose SMS später lässt sich die geschiedene Klara auf eine Romanze mit dem verheirateten Arthur ein. In den folgenden Monaten, immer vo Warten auf das nächste Treffen geprägt, zeigen sich jedoch die Unterschiede in den Gefühlen der beiden. So wagt es Klara, sich ihren Gefühlen hinzugeben, die Liebe wachsen und übersprudeln zu lassen, während Arthur die Liebestreffen plant wie einen weiteren Kongress auf seiner Vortragsreise. Seine stoische Unbekümmertheit wird immer mehr zum Problem für Klara, die hin- und hergerissen ist vor dem selbstschützenden Abwenden und überschwänglichem Liebestaumel.
In kluger Sprache und mit lebendigen Bildern beschreibt Bettina Steinbauer in ihrem Debütroman die Zweifel, Verletzungen und Versöhnungen in der so aufregende Zeit, wo zwei Menschen sich zueinander vortasten. Und erinnert daran, dass die Liebe allen Enttäuschungen und Verirrungen zum Trotz das schönste Wagnis im Leben ist. Ein Roman voller Gefühl, aber ohne jeden Zuckerguss.