Permalink

off

Um die Wette lieben

Vor ein paar Wochen hat unser bester Freund Internet einen neuen Lackmustest in Sachen (Zwischen-)Menschlichkeit produziert. Wir erinnern uns: Der Typ in Portland, der zu Bruno Mars „Marry You“ diese großartige Hochzeitsantrag-Performance produziert hat, und damit nicht nur das Weib, sondern auch sieben Millionen Klicks und Props vom Schnulzensänger persönlich bekommen hat.

Danach gab es eigentlich nur eine Frage: hast du geweint? Und wenn nicht, was bist du denn für ein Mensch bitte? Und, hey: klar hab ich geweint! Und zwar nicht nur ein bisschen! Richtig dicke fette Krokodilstränen waren das, die laut aufgeplatscht sind auf dem Schreibtisch. Und das, obwohl ich heiraten noch nicht mal für die weltbeste Idee halte. Aber gegen den Anblick von ein paar stinknormalen Menschen, die ihre Liebe unkonventionell zelebrieren, ist eben kein Kraut gewachsen. Vor allem nicht, weil es echt ist. Weil es jeder/jedem von uns passieren könnte, die Alltagsromantik, die uns hinterrücks in einen Kofferraum wirft und uns zeigt, wo der Bartl den Most holt. Es ist dieser potentielle Realitätsbezug, der uns so verdammt anfällig für die kleinen ganz großen Gesten da draußen auf Youtube macht. Und dann kam das hier:

Und ich hab nicht mehr geweint. Weil mich Menschen aufregen, die aus allem eine Scheiß-Competition machen müssen, größer, lauter, spektakulärer. Besser organisiert. Weil zu viele Kameras dabei sind, die die riesengroßen Gefühle einfangen sollen, denen man nur durch eine noch riesengrößere Inszenierung gerecht werden kann. Was lange Hochzeiten vorbehalten war, soll also jetzt schon beim Antrag passieren. Anstatt uns unter der Bettdecke süße Dinge ins Ohr zu flüstern, wollen wir also Klicks dafür, immer mehr Klicks. Und irgendwann haben wir Facebookfotoalben die „Geilste Ehe des Jahrtausends“ heißen. Ich freu mich schon auf das erste Video, auf dem im Baseballstadium auf Großleinwand inklusive Live-Reaktion verkündet wird: Honey, ich will die Scheidung. Das könnte uns doch allen noch mal so richtig zu Herzen gehen.

Kommentare sind geschlossen.