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Weltbild: Wir hassen die Bücher, die wir verkaufen

Madonna (c) redfloor/stock.xchng (Ausschnitt)Bitte haben Sie Mitleid mit den Moraltheologen des Buchhandelskonzerns Weltbild/Hugendubel: Sie leben in schwierigen Zeiten.
Da gibt es dieses Buch, über das alle reden, das aber „dem Welt- und Menschenbild [widerspricht], von dem wir uns als Buchhändler leiten lassen“. Deshalb möchte das Unternehmen, das der katholischen Kirche gehört, den Soft-SM-Roman „Shades of Grey“ lieber nicht verkaufen.

Obwohl, halt, warten Sie. Wäre es nicht unethisch, dem Volk seine Wünsche zu verweigern? Womöglich würden die verirrten Schäfchen ihre Bettlektüre woanders kaufen. Und so hat man wenigstens die Gelegenheit, den eigenen Kunden noch eins mitzugeben. Stellen Sie sich die folgende Passage bitte mit der Stimme vor, die beim Schulmädchen-Report die Off-Kommentare („die zügellose Jugend von heute …“) einsprach:

„Wir sehen das Buch als sehr problematisch an. Und wir erfahren, dass diese Einschätzung von vielen Leserinnen und Lesern (…) geteilt wird (…). Einige Zitate mögen belegen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Buch unverzichtbar ist.“

Bestellen Sie jetzt hier (und schämen Sie sich, Sie Perverser).


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Die Welt, der Sex und das Weltbild

Die Tageszeitung „Die Welt“ befeuert gerade einen Streit, der sich um das Unternehmen Weltbild in den letzten Jahren hochgeschaukelt hat. Weltbild, angeblich der größte deutsche Buchhändler (meiner Meinung nach sind Amazon und Thalia größer, aber was soll’s), gehört zu 100 Prozent der katholischen Kirche, benimmt sich aber nicht so. Trotz seines Namens tritt das Unternehmen als ganz normaler Versand- und Ladenbuchhändler mit ganz normalem Programm auf – mit den Worten der „Welt“ ausgedrückt, verkauft Weltbild auch „Sexbücher, Gewaltverherrlichung, Esoterik, Magie und Satanismus“.

Ich mag Weltbild nicht und es liegt mir eigentlich fern, dieses Unternehmen zu verteidigen. Der Vorwurf der Bigotterie ist weiß Gott (um im Bild zu bleiben) nicht neu. Aber interessant finde ich die Stoßrichtung der Kritik. Schießt der „Welt“-Artikel gegen Esoterik-Helfer, die Weltbild verkauft? Gegen blutrünstige Thriller? Gegen gewissenlose Unternehmer-Ratgeber?

Nein. Der Welt-Artikel trägt den Titel „Katholische Kirche macht mit Pornos ein Vermögen“.

Der sogenannte Weltbild-Skandal (der, um das nochmal zu wiederholen, seit Jahren jedem bekannt sein konnte) stellt Geld und Moral gegeneinander auf. Gemeint ist damit: Porno-Schund versus katholische Kirche. Moral, das schließt erotische und pornografische Romane aus – das ist so selbstverständlich, dass der Artikel das nicht weiter erwähnt.

Die Anti-Weltbild-Kampagne hat sich vor allem gegen die Bücher von Blue Panther eingeschossen (Disclaimer: das ist ein ehemaliger Werbekunde von uns). Das ist nicht die Art von Büchern, auf die ich persönlich stehe, aber ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, die es mir schwermacht, solche Romane zu kaufen. Ich glaube, ich werde nie verstehen, warum es gesellschaftlich eklig ist, über Sex zu fantasieren, aber völlig okay, wenn man zum Beispiel lustige Mord-Komödien veröffentlicht. Die „Welt“ versteigt sich sogar zu der Behauptung, Blue Panther habe wegen seiner schmutzigen Bücher nicht einmal einen Stand auf der Frankfurter Buchmesse bekommen – Halle 4.1, Stand B141, ihr Recherche-Profis.

Nicht vergessen: Der Artikel kommt von Springer, dem Fachverlag für Bigotterie. Der Verlag, der „Wir sind Papst“ erfunden hat und ein paar Seiten weiter die Callgirl-Telefonnummern auflistet (ich finde Prostitution problematischer als Pornografie). Der Verlag, der jede schmutzige Sexgeschichte groß aufbläst und einen legendären Vatikan-Korrespondenten hat.

Gern hätte ich geschrieben: Wenn Die Welt auf das Weltbild einschlägt, kann es nur Gewinner geben. Aber ich fürchte, am Ende wird der Streit mal wieder auf dem Rücken der Kunst- und Meinungsfreiheit und der perversen Schmutz-Leser (also Sie und ich) ausgetragen. Ich hoffe wenigstens, dass Blue Panther von der Gratis-PR profitiert.