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Porn Film Festival 2011, Tag 1

Wie überlebt man 12 Stunden Pornokonsum am Stück? Gute Vorbereitung ist alles. Nebst ein paar prophylaktischen Besuchen im örtlichen Yogastudio zum Training von Rücken- und Gesäßmuskulatur empfiehlt sich nach wie vor der Erwerb von kleinformatigen Lebensmitteln, die spontan inhaliert werden können, wenn zwischen den Screenings, die man eigentlich alle sehen will, mal wieder keine Zeit bleibt, aus dem Kino zu rennen um einen Döner zu verstoffwechseln.

Auch sonst ist ein starker Magen manchmal von Vorteil, etwa wenn Plastikeinhörner Penisspitzen penetrieren bis es blutet, wie in GANG BANG BARBIE (mir egal ob das echt war oder nicht! Aua! Bäh!), oder ein ausgestopfter Fuchs mit einer Jelly-Vagina upgegradet wird (so gesehen in STUFFED).

So oder so ist das Porn Film Festival für uns Freaks sozusagen das Osterhasenchristkind im Latexkrankenschwesternkostüm, und wieder hier zu sein, fühlt sich an wie ein queeres Klassentreffen der Absonderlichkeiten – absonderlich nicht nur, weil sich tatsächlich alle freuen, einander wiederzusehen.

Es wird sich geküsst, in tausend Sprachen gleichzeitig geplappert. „Have Fun“, schreit es über den Gang, „Have Fetish“, kommt der Schmalspurwitz zurück. Im ersten Panel gibt es nämlich die Qual der Wahl zwischen „Fun Porn“ und „Fetish Porn“, bei mir fällt sie auf letzteres, und ich werde nicht enttäuscht. Neben eingangs erwähntem Pussyfuchs gab es viel zu sehen, vom schwulen SM-Kurzfilm „SPRING“, der sogar vom British Film Council gefördert worden war, über Manon des Gryeux „AUTO FUCK“ (man muss es fast selbst gesehen haben), bis hin zur Badewannen-Pieselnummer von Roy Raz. Besonders berührt hat mich „EGG“, und das liegt nicht nur daran, dass Sadie Lune und Kay Garnellen während der Vorstellung ein ebensolches durch die Kinoreihen reichen ließen. Eine Ode an Sexualität und Fruchtbarkeit, in glitschigen Close-ups mit Sigur Ros-Soundtrack und zwei ungewöhnlichen Hauptdarsteller/innen. „Well, I kind of like food in general“, so Sadie Lunes trockene Erklärung für die Zweckendfremdung.

Überhaupt ist es immer wieder toll, die Filmemacher, die oft auch Protagonisten sind, nach den Screenings persönlich kennenlernen zu können – nicht nur, um über Beweg- und Hintergründe sprechen zu können, sondern auch, weil man schon weiß, wie sie untenrum aussehen, was meistens ebenso lustig wie merkwürdig ist.

Im anschließenden „Female Porn“- Kurzfilmpanel gabs dann eine kleine Überraschung aus den eigenen Reihen: die Eheleute Braun auf Großleinwand, und das im Kurzfilm „Cum Different- Frauen machen´s anders“, den Katharina Szmidt größtenteils auf dem letztjährigen Festival gedreht hat. Da hat sie unter anderem auch die Feigenblatt- Chefetage zu guter und schlechter Pornographie befragt, ich erinnere mich an Ausdrücke wie „Stanzmaschinen“ aus dem Munde des Herrn Vorgesetzten, ein Must See also!
Weiters toll war „KAKTUS“, eine schräge Liebesgeschichte um eine Frau mit Vergewaltigungsfantasien und ihren dafür engagierten Callboy.

„VACATION“, der neue Film von Zach Clark, der letztes Jahr mit „Modern Love is Automatic“ das Festival eröffnet hat, kann mit dem Erstling nicht ganz mithalten, ist als eine Art lesbisches Sex and The City Noir am Strand jedoch dennoch sehr sehenswert.

„Hat dir was so gut gefallen, dass du einen Ständer bekommen hast?“ tuschelt es neben mir auf französisch vor Kinoeinlass. „Alter, den hab ich ungefähr seit heute morgen um elf“. Beim kollektiven Kicheranfall der süßen Jungs zucken wohl auch meine Mundwinkel verräterisch. „Ah, tu comprends?“ Romain und Hédi sind mit „ROSAMOUR“ hier, der in der Shorts Film Competition läuft. Zu sehen gibt es ihre beiden absurd beweglichen Bäuche in Halbtotale, die in einer Art Tanz miteinander zu kommunizieren scheinen. Verspielt, zärtlich, ein bisschen merkwürdig – ich bin begeistert, nicht nur von den Jungs.

Auch Maria vom Toytool Committee hat mir beim Quatschen im Kino von ihrem Kurzfilm L´AMOUR ET LA VIOLONCE erzählt. „You have to see it, it´s beautiful!“ – Wir sehen ein lesbisches Paar beim Schmusen vor einer Leinwand, auf die ein Boxkampf projiziert ist. Maria soll Recht behalten.

RP Kahl folgt mit MIRIAM offensichtlich unserem Ruf nach mehr männlichen Masturbationsszenen und legt mutig gleich selbst Hand an. Löblich, löblich – auch wenn es angesichts der vielen Schwänze, die an diesem Kinotag gerubbelt wurden, noch etwas mehr braucht, um – zumindest mich – endgültig vom Hocker zu reißen.

Travis Mathew´s IN THEIR ROOM, BERLIN zum Beispiel. Sein Teaserfilm I WANT YOUR LOVE war ja mein Highlight letztes Jahr, dass er nun als „Filmmaker in Focus“ portraitiert wurde, freut mich deshalb natürlich besonders. Semidokumentarisch zeigt Mathesw hübsche schwule Männer in ihren eigenen vier Wänden und zeichnet so ein bittersüß – berührendes Bild vom Leben und Lieben in der Großstadt, der Suche nach Intimität und Vertrautheit, oder doch einfach mal Sex. „Das sollte man Schulkindern zeigen!“ meint ein Typ im Publikum.

Nicht nur die würden an so einem Tag viel neues sehen – das Porn Film Festival steht auch 2011 für neue Perspektiven auf eigentlich althergebrachtes, ungewöhnliche Zugänge zu ungewöhnlichen Themen, und einen schwirrenden Kopf voll wilder, neuer Eindrücke.