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Würgereiz beim Zeitschriftenbashing

Standarddebatte in der Feigenblatt-Redaktion.

Chefredakteur Braun so: „Boah Frauenzeitschriften sind sowas von scheiße, lest das bloß nicht, das frisst ja eure Gehirnzellen auf.“
Rezensionista Resi: „Naja dann ist es ja schon erstaunlich, dass ich es anscheinend trotzdem hinkriege, ein geisteswissenschaftliches Doppelstudium abzuschließen.“

Und das, OBWOHL ich Frauenzeitschriften lese. Und zwar nicht zu knapp. Und es kommt noch schlimmer: ich SCHREIBE sogar für manche von ihnen. Und nicht nur deswegen finde ich den gerade vielerorts für den heiligen Gral befundenen TAZ-Artikel Faschismus auf Hochglanzpapier einigermaßen öde. Denn ja: wenn es wieder mal darum geht, wer so für allseits beliebte Reizvokabeln wie „den Beauty-Wahn“, „die Pornografisierung“ oder „die Teenie-Magersucht“ et al. verantwortlich ist, zeigt es sich schnell mit dem Finger auf dünne Models auf glänzenden Seiten. Dass vielleicht ein bisschen mehr dahinter stecken könnte, als Magazine, die zu kaufen, geschweige denn zu lesen, nun wahrlich ja niemand gezwungen wird, und auch genug MENSCHEN sich manchmal einfach nur so ganz gepflegt beschissen fühlen (wollen), wird da leicht unter den Tisch fallen gelassen. Darüber könnte man jetzt ´ne Diplomarbeit schreiben (was- oh Moment- ich auch gerade tue) – einen von hundert trilliarden anderen Gründen gibt es hier.

Ich hab besagte zitierte Jolie vor ein paar Wochen auch gelesen (zum Spaß! Im Schwimmbad! Mit Pommes!), und musste beim Thema „Was uns Sorgen macht“ ebenfalls laut auflachen. Der ansonsten stark ironisierte Blowjob-Guide allerdings, über den man sich nun ja so wunderbar echauffieren kann, ist beispielsweise von Birgit Querengässer geschrieben. Der wunderbaren, smarten und zutiefst zynischen Frau Querengässer, deren satirischen Sexratgeber „Die Feine Art des Vögelns“ ich bedenkenlos zum Standardwerk für jeden koital ambitionierten Haushalt erheben würde, und die selbstredend auch ihren Blowjob-Guide nicht ohne Augenzwinkern verfasst hat.

Solche Feinheiten überlesen sich natürlich leicht in der Metadebatte, in der es wie so oft nur darum geht, dass sich jemand mit-aufregt, weil sich mal wieder jemand aufregt. Alle anderen, die die kritische und eloquente Auseinandersetzung mit dem zeitnössischen Medienprodukt suchen, kann ich an dieser Stelle in richtung englischsprachige Blogs verweisen. Allen voran The Vagenda, aber auch Feministing, Jezebel oder Nerve tragen Tag für Tag so viel Reflektierteres zu dieser Debatte bei, als das eben beschriebene „Wer das liest ist doof“.

Denn nein, Frauenzeitschriften sind nicht per se doof und blöd und gemein und scheiße, es gibt da sehr große Unterschiede und Abstufungen, ja, es gibt eine ganze Riege von unglaublich talentierten Autorinnen, die neben Büchern und Artikeln für „echte“ „seriöse“ Tageszeitungen und „echte“ „okaye“ Blogs auch für so „blöde“ Frauenzeitschriften schreiben. Meike Winnemuth anyone? Susanne Kaloff? Kerstin Weng? Äh….ich?

Denn was beim generalisierenden Meta-Rummotzen gern ignoriert wird: die Aussage „Frauenzeitschriften sind voll blöd“ ist eine zutiefst gegenderte. Auch darüber könnte man zumindest eine Bachelorarbeit schreiben, oh, moment, richtig: hab ich ja längst gemacht. Ein Einser, übrigens – und das, obwohl ich mir das Zeug reinziehe, seit ich 15 bin. Und, oh Wunder, mich manchmal trotzdem noch über andere Themen unterhalten kann als frisch lackierte Fingernägel. So, über was wollen wir als nächstes streiten – Männerzeitschriften vielleicht?


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Böse Männer, gute Frauen?

Die Zeit empört sich gerade über die Sextipps in Männerzeitschriften. Aufhänger: In der aktuellen „Men’s Health“ erfahre der Leser, „dass Frauen aus erotischen Gründen gerne ein bisschen gewürgt würden“. In Frauenzeitschriften würden Männer dagegen grundsätzlich nicht abgewertet, hier herrsche ein „freundschaftlicher Ton“.
Nun habe ich persönlich kein Interesse, meine Sexpartner zu würgen oder von diesen gewürgt zu werden, und ich mag auch Männerzeitschriften nicht besonders – aber dieser oberflächliche Empörungsartikel in der Zeit hat mich geärgert, weil ich von dort Besseres gewohnt bin.
Die Verallgemeinerung, dass alle Frauen auf Gewürgtwerden stehen, geht aufs Konto der Zeit-Autorin, die den Lesern von Men’s Health auch nicht das geringste Ironieverständnis zutraut. Und dass sie offenbar noch nie von dieser Sexpraktik gehört hat, macht ihr Entsetzen ein bisschen lächerlich. Zum letzten Mal gesehen habe ich diese Praktik übrigens in einem (authentischen) Lesben-Porno, den ich mir aus beruflichen Gründen (Näheres dazu nächste Woche!) ansehen musste.
Mich als Mann machen Frauenzeitschriften latent aggressiv. Ich habe den Eindruck, dass sie – vielleicht von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – ihre Leserinnen für dumm verkaufen. Die Aggressivität, die die Zeit den Männermagazinen vorwirft, finde ich dort auch, aber gegen die eigenen Leserinnen gerichtet: in Form von Diättipps, unerreichbaren Schönheitsidealen und mörderischen Schuhen.
Männer- wie Frauenzeitschriften leben davon, dass sie ein Geschlechterklischee als Idealbild hinstellen. Die Leserinnen und Leser wissen das auch und genießen die Erholung einer flachen, bunten Scheinwelt, wo Männer wie George Clooney und Frauen wie Julia Roberts aussehen (nur jünger). Ernst nimmt sowas doch kein Mensch (hoffe ich).
Jedenfalls bezweifle ich, dass wegen Men’s Health demnächst die Zahl der beim Liebesspiel erwürgten Frauen steigen wird. Auch wenn es vielleicht nicht sehr clever ist, den Leuten sowas als Tipp mitzugeben.