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Porn Film Festival – Best Of

Es gibt ja diese Tage, die mit Frau Grey beim Bukake beginnen – und damit weitergehen, dass die charmante junge Frau mit der man in der Schlange am Mädchenklo plaudert, sich später als Madison Young entpuppt. Tage, in denen man auf dem Weg von Saal 3 zu Saal 1 irgendwelche kleinformatigen Lebensmittel inhaliert, sich irgendwann über gar nichts mehr wundert und einen erigierten Penis auf Großleinwand nicht ungewöhnlicher findet als, sagen wir, eine Nase. Ja, das Porn Film Festival war nicht unanstrengend – aber auch ein einziger großer lustiger Spaß mit schönen Menschen in schöner Umgebung und wirklich spannenden neuen Inputs. Für alle, die aus unerfindlichen Gründen nicht dabei sein konnten, hier zumindest meine

Top 10 der zweckendfremdeten Gegenstände

– Barbiepuppen (zwei auf einmal)
– Football
– Baseballschläger (eine Szene, die vor allem den Chefredakteur ziemlich verstört hat)
– Pizzaroller
– Knäckebrot/ Fladenbrot
– Gemüse
– Frischhaltefolie (mit strategischen Aussparungen, damit das Kerzenwachs trotzdem schön wehtut)
– (ehemaliges) Schokoladeneclair
– (Kunstblut-) Fleischwunden

and the Winner is: ca. 50 Chopsticks, die ich gebündelt im Popo eines darüber sehr glücklichen Portraitierten in D/s – Une Comedie Sado-masochiste bewundern konnte – auch, aber nicht nur deswegen ein wahnsinnig sehenswerter Dokumentarfilm über stinknormale Menschen mit ungewöhnlichen Vorlieben, der einen im Silikon-Ficken-Einerlei angenehm daran erinnert, dass nicht nur perfekte Körper in perfekten Choreographien wahnsinnig perfekten Sex haben können.

Eine Tatsache, die auch Naomi Harris aufgefallen ist, die sich für ihren Bildband America Swings in 48 Monaten auf 38 Swingerpartys quer durch ganz Amerika photographiert hat – nackt, selbstredend, um möglichst nah ans Geschehen heranzukommen. Das ist ihr definitiv gelungen, auf ihren Bildern sieht man unverfälschte Lust und Lebensfreude – größtenteils allerdings doch eher soziologisch spannend als erotisch, aber definitiv abgedreht, unterhaltsam und dabei doch intim und nie bloßstellend.

In ihrer Lecture am Samstag gabs aber auch noch ein paar andere interessante Erkenntnisse: Amerikanische Swinger sind, anders als zumindest ich bisher angenommen hatte, keine gelangweilten Großstädter auf der Suche nach dem ultimativen Kick – auch Harris selbst beschreibt sich, als Wahl-Newyorkerin als jemand, die an ihren kurzen Wochenenden ihre Zeit eher mit Wäschewaschen und Wocheneinkauf verbringt als damit, über Latexlaken zu turnen. Auf dem Land verläuft das Leben in ruhigeren Bahnen, das nächste Kino ist oft fünfzig Meilen entfernt – die Nachbarn wohnen aber praktischerweise gleich nebenan, da liegt der Gang Bang wohl irgendwie nahe.

Der Prototyp des Amerikanischen Swingers ist somit Landei, außerdem weiß, Mittelschicht, gebildet und Republikaner – und gerade die Grenzen, die in einer scheinbar so tabulosen Subkultur bestehen, machen Harris´Projekt so extrem interessant. Bisexualität sei bei Frauen natürlich akzeptiert, erzählt sie – klar findet der Ehemann es scharf, wenn die Liebste einen Kurztrip nach Lesbos unternimmt, immerhin besteht ja dann immer die Möglichkeit, sie wieder zum Penis zu „bekehren“ – bei den Männern sieht die Sache natürlich vollkommen anders aus: Harris berichtet von Szenarien, in dem beim Gang Bang im Eifer des Gefechts ein Männerfuß den anderen berührt, und damit große Eklats ausgelöst werden – die Bekenntnis eines Mannes, man könne sich das ja zumindest theoretisch eigentlich schon mal vorstellen, würde selbstredend zur sofortigen Ächtung im Club führen.
Und auch mit safem Sex scheint es im Swingin´America nicht weit her zu sein: die Ignoranz der Paare, die das nicht brauchen, weil sie ja verheiratet sind und es nur mit anderen verheirateten Paaren tun, weswegen man ja unter sich bliebe ist es, die Harris bei der Dokumentation so enorm abgeschreckt hat, dass sie jetzt erst mal einen Naturbildband über ihre Heimat Kanada veröffentlicht.

Genug Text, es gibt auch Bewegtbilder:
Neben Des Jours Plus Belles Que La Nuit – Skin like Sun

dem erwartungsgemäß Wow!Wow!Wow!-wie-tollen neuen Film von Jennifer Lyon Bell gibt es für mich und für alle fleißigen Leser, die diesen Artikel bis hierher verfolgt haben, meinen absoluten Lieblingsfilm vom Kurzfilmwettbewerb 2010: I want your Love von Travis Mathews, einem Filmemacher aus San Francisco, der in seinen Filmen schöne schwule Männer, echte Intimität und emotionale Ehrlichkeit portraitiert.

Klingt gut, ist auch so – und auch für heterosexuelle Männer durchaus sehenswert. (Falls sie danach spontan schwul werden möchten: keine Angst, ging mir auch so). Langer Rede kurzer Sinn: HIER gibts den ganzen wunderschönen supertollen Kurzfilm als Stream – vorausgesetzt sie sind über achtzehn und befinden sich gegenwärtig nicht in einem Großraumbüro.

Man könnte noch ein paar tausend Zeichen lang weiterberichten, mal sehen ob sich die Chefetage da bemüßigt fühlt, den Sonntag hab ich ja dummerweise nicht mehr mitbekommen (Wer hat den Kurzfilmwettbewerb denn nun gewonnen?) – aber auch so wars definitiv eines der spannendsten, lustigsten und horizonterweiterndsten Wochenenden des Jahres.


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Porn Film Festival – Tag 1

Was sind das eigentlich für Leute, die sich zum Pornographiekonsum in der Öffentlichkeit treffen? Für mich als Schweinkram-Drittsemester, die das Spektakel in den letzten Jahren verpasst hat, mit eine der spannendsten Fragen.

Jetzt weiß ichs: sie sind wunderschön und sie glitzern! Statt grusliger alter Geilböcke in grauen Windjacken wie gerüchteweise, anderswo gesichtet gibts Kreuzköllner Kiezschickeria, es plappert spanisch, holländisch, französisch und natürlich englisch, und wenn man vom Programmheft aufblickt, stellt sich ständig dieser ha, deren Bild hab ich grade im Heft gesehen-Effekt ein.

Filme gibts natürlich auch zu sehen: L.A. Zombie Hardcore ist die Geschichte, man ahnt es bereits, eines Zombies in L.A. Er ist jedoch eigentlich ein sehr netter Zombie, der ständig irgendwelche durch unglückliche Zufälle verstörbenen, ziemlich durchtrainierten Männer zurück ins Leben fickt. Fleischwundenpenetration ist sicherlich Geschmackssache, mit es ist nur Kunstblut, es ist nur Kunstblut als Mantra wars dann allerdings doch amüsant anzusehen – und der melancholisch-minimalistische Klaviersoundtrack hat auch gefallen. An Swinging in the Rain von 1997 hat schon der Zahn der Zeit genagt – was hatten die sich damals eigentlich dabei gedacht mit dem ganzen Silikon? Die Idee eines Pornomusicals ist trotzdem gleichermaßen abstrus wie lustig und lässt einen auch die kilometerlangen Kunstfingernägel vergessen.

Modern Love Is Automatic wurde von der Jury zu Recht als Eröffnungsfilm gewählt: Die Geschichte einer gelangweilten Krankenschwester, die ihren Frust als Domina ablässt ist rührend, komisch und wahnsinnig gut besetzt. Der Film wird am Sonntag um 18:00 wiederholt – große Empfehlung!

Vielleicht waren wir beim Fun Porn um 22:15 einfach nicht mehr aufnahmefähig genug, aber auch sonst wurde wenig gelacht im Saal – bei Then i´ll take your Cat verließen die Leute reihenweise den Saal, und ich kanns ihnen kaum verübeln – Tiere und Sex finde ich in Kombination etwa so lustig wie Kinder und Sex, also: gar nicht. Das Panel Tierische Liebe heute um 22:15 werd ich meinem übersensiblen Gemüt wohl getrost ersparen.

Macht auch nichts, denn auch so wirds ein langer, aufregender Pornotag werden.
Um 12 gehts los mit Lesbian Porn, unter anderem mit Filmen von und über Shine Louise Houston, Tristan Taormino, Sadie Lune und Nina Hartley.
Weiter gehts mit Frauenzimmer einem Film über drei Frauen, die über ihre Arbeit als Prostituierte reflektieren.

Dann ein großes Programmhighlight um 17:45: Des Jours Plus Belles Que La Nuit von der wunderbaren Jennifer Lyon Bell, ein Film, der auch alle diejenigen zufriedenstellen dürfte, denen bis jetzt die Gefühlsebene zu kurz kam. Die Regisseurin ist beim Festival vor Ort.

Um 20:30 gibts den Kurzfilmwettbewerb, hoffentlich ohne allzuviel Sodomie, und gegen Mitternacht wirds noch mal richtig dirrty: Wir schwanken zwischen Malice in Lalaland mit Sasha Grey als versauter Alice und Tristan Taormino´s Rough Sex 2 – wer die Wahl hat, hat die Qual.

Auch in Kiel lief gestern oben erwähnter Frauenzimmer – mit The Sheep and the Ranching Hand als Vorfilm, in dem sich eine Frau in ein Schaf verwandelt und von ihrer queeren Farmer/in mit Jelly-Strap-On durchgenommen wird, auch gestern bei Fun Porn gesehen, wers mag, gell.

Heute gibts zwei Erstauffürungen, D/S um 17:45 a feature doc. showing dominatrix women playing with submissive men, a kind of „road movie“ or „sado-masochistic comedy“ about liberty and pleasure seen through women’s eyes. , steht alles hier.
American Fetish um 22:15 in der europäischen Erstaufführung hat schon mal einen supertollen Trailer, also hin da, Nordlichter!

AFT4 from M Simmons on Vimeo.

Wir sehn uns im Kino.