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Darum ist das so. Like, really?

Vielleicht liegt´s an mir. Vielleicht hab ich die vergangenen Monate einfach ein paar Mal zu oft gehört, was an mir schlecht ist und lieber anders werden sollte. Vielleicht ist es auch diese übertriebene Häufung von grandios generalisierenden Heulsusenartikeln, mit denen wir momentan überschwemmt werden.

Am Anfang schuf Nina HPauer die Schmerzensmänner. Die tragen Bärte und spielen Gitarre und wissen ob der ganzen starken Weiblichkeit nicht mehr aus noch ein.

Er weiß nicht mehr, wann es Zeit ist zu kommen. Statt fordernd zu flirten, gibt er sich als einfühlsamer Freund. Schüchtern in einer Baumwollstrickjacke hinter einer Hornbrille versteckt, steht er in dunklen Großstadtbars und hält sich an einem Bier fest. Als Gefährte ist er vielleicht ein bisschen grüblerisch, aber man kann gut mit ihm reden. Er achtet auf sich, ist höflich, lieb, immer gepflegt und gewaschen, benutzt Parfums und Cremes, macht Diäten und hört wunderbar melancholische Mädchenmusik. Nur wenn der entscheidende move gefragt ist, er sich herüberbeugen und die junge Frau endlich küssen sollte, fängt sein Kopfkino an. Vielleicht möchte die junge Frau gar nicht geküsst werden? Vielleicht würde sie sonst selber den ersten Schritt tun? Vielleicht sollte man die Beziehung lieber doch nicht auf die gefährliche Ebene der Erotik ziehen, sondern platonisch belassen?

Sorry, Frau HPauer. Das ist grob verallgemeinernder Schwachsinn, der weder mit Strickjacken noch mit Iron&Wine was zu tun hat. Die Generation Hornbrillenjungs wurde von starken, aufgeklärten Frauen aufgezogen und definitiv lang genug gestillt. Es sind nicht die Gene, es ist nicht die Erbsünde. Wer sich hinter so was verstecken muss, soll bitte gleich zuhause bleiben. „Ja, nein, vielleicht“-Spielchen lässt man entweder irgendwann hinter sich oder spielt mit, weil man sie dann halt doch irgendwie geil findet oder akut auch nichts besseres zu tun hat. Ansonsten wär Umdenken angesagt. Das Rückgrat zur erogenen Zone erklären. Und die Heulsuse alleine im Regen stehen lassen. Der macht sich dann nass und hört Bon Iver und gut is.

Was dann kam, war fast noch besser: Lieber nicht, schreibt Christoph Scheuermann und weiß zum Glück auch, wer schuld ist. Die Weiber, denn die wissen ja bekanntlich auch nie, was se wollen, sagen nein und meinen doch ja:

Ein idealer Mann sähe für die beiden Frauen so aus: selbstbewusst, lässig, ironisch und, wieder dieses Wort, ein Macker. Allerdings kein Arschloch. Verständnisvoll, achtsam, unzynisch, lustig und größer als sie selbst, ab 1,80 Meter aufwärts. Einen kreativen, ab und an rotzigen Sympathen, hart und gleichzeitig weich, eine Kreuzung aus Johnny Depp und Rocky Balboa. Aber mehr wie Johnny Depp. Und das ist die erste gute Nachricht: Die jungen Frauen wissen auch nicht, was sie wollen.

Öh, naja. Nein. Doch. Ein Macker ist tendenziell ein relativ unsicherer Trottel. Einer, der Posen braucht, um sich profilieren zu können. Wie wärs denn mit einem, der weiß, was er kann, und deswegen die Arschkrampennummer nicht nötig hat? Weil es immer dieselben Mechanismen sind, weil die so irre leicht zu durchschauen sind und dann so schlagartig so dermaßen unsexy werden? Danke, Herr Scheuermann. Dass der Johnny wohl doch nicht die ganz heiße Nummer ist, steht ja grad in jedem bunten Fachmagazin, und Rockys Gesicht will ich auch nicht im Mondschein begegnen.

Auch wenn es, so der Autor, eh toll ist, dass Frauen jetzt selber schön arbeiten können – Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit gab es in den westlichen Metropolen derart viele schlaue, gebildete, zielstrebige, selbstbewusste Frauen Ende zwanzig, Anfang dreißig. Niemand, der halbwegs bei Verstand ist, würde das jemals rückgängig machen wollen – ja danke, ach echt? Voll super! – kann er es dann schlussendlich leider doch nicht so richtig schnafte finden.

Denn da kommt sie ums Eck, tadadaddaaaaaa: DIE OPTIMIER-FRAU!

Die Optimier-Frau will alles und jeden optimieren, wie ein außer Kontrolle geratener Ingenieur. Sie verlässt auch zunächst nicht ihren in sich gekehrten, melancholischen Lebensgefährten (was schlauer wäre), weil sie die Hoffnung nicht aufgibt, auch ihn eines Tages zu verbessern. Sie ist hyperwach. Sie lebt ihren Ehrgeiz im Beruf aus, wobei sie darauf achtgibt, davon innerlich nicht aufgefressen zu werden. Sie weiß, dass ihr nur ein paar Jahre bleiben, wenn sie Kinder will. Sie hat nicht viel Zeit. Sie will ihren auf Kleinstadtgröße aufgeblähten Bekanntenkreis nicht vernachlässigen und trotzdem eine fleißige Chefin und Mitarbeiterin sein. Vor allem ist sie Tag und Nacht damit befasst, nicht kompliziert zu wirken, das ist das Tragische an ihr.

Ja sorry, aber: OIDA. Nicht genug damit, dass wir 20% weniger verdienen sollen und danke sagen dafür, nicht genug damit, dass uns eingeredet wird, ohne gesteigerte Gebärfreudigkeit seien wir keine richtige Frau – jetzt sollen wir uns auch noch dafür schämen, dass wir trotz aller Widrigkeiten, und davon gibt es genug, unser Leben besser gebacken kriegen als ihr? Ja, ich werd immer JA sagen, und ALLES, die Lieblingswörter der Optimier-Frau. Und NEIN, ich seh kein bisschen ein, was daran schlecht sein soll.

Sie will beschützt werden, obwohl ein Blinder sieht, dass sie keinen Schutz benötigt. Sie will nicht länger als schwächliches Geschöpf betrachtet werden, was richtig und verständlich ist, beklagt aber gleichzeitig den Niedergang des Gentleman. Sie übersieht dabei, dass der klassische Gentleman seine Hilfsbereitschaft nur entfalten kann, wenn es jemanden gibt, der seiner Hilfe bedarf. Während ihres angestrengten Strebens, stark zu sein und bloß nicht aufs Weibliche reduziert zu werden, ist die Optimier-Frau übers Ziel hinausgeschossen. Bei der einen oder anderen gewinnt man den Eindruck, sie will gar keine Frau mehr sein, sondern Indiana Jones mit einem iPhone.

Moment mal: Die Tür aufgehalten zu bekommen, das freut mich auch, obwohl ich sie selber öffnen könnte. Kleine Gesten, die Höflichkeit, Empathie und gutes Benehmen bedeuten, haben nichts mit Hilfsbedürftigkeit zu tun, sondern mit zwischenmenschlichem Umgang. Bin ich unemanzipiert, wenn mir jemand in den Mantel hilft? Und müssen wir diese Debatte WIRKLICH IMMER NOCH führen? Wär es nicht viel sinnvoller, über gläserne Decken zu philosophieren, über Elternteilzeit und Slutwalks? Es ist kein Zeichen von Schwäche, sich über kleine Gesten zu freuen. Und keines von Schwäche, sie selbst zu geben. Ein Mann ist keine Pussy, wenn er dir Wertschätzung zeigt. Vielleicht ist er einfach ein guter Typ.

Wenn man Liebe als ein von Sekunde zu Sekunde umschlagendes Spiel aus Nähe und Sich-Entfernen begreift, aus wechselseitiger Dominanz und Unterwerfung, ist die Lage seit einigen Jahren schwieriger geworden. Denn Dominanz beherrscht die Optimier-Frau perfekt, weil sie gelernt hat, die Herausforderungen des Lebens als Aufgaben zu begreifen, die sie durch geschicktes Terminieren lösen kann. Man muss sie dafür bewundern, es geht nicht anders. Es ist aber gut möglich, dass sie beim Jonglieren ihrer vielen Rollen und Aufgaben vergessen hat, was es bedeutet, Geliebte zu sein. Warum sonst würde sie so häufig betonen, dass sie jederzeit bereit sei, in die Arme ihres Lovers zu sinken? Sie wolle sich fallen lassen, sagt sie, hat aber verlernt, wie das funktioniert. Diese Erfahrung kann jeder Mann bestätigen, der in den vergangenen Jahren einen mit Alphamädchen gefüllten Tangokurs belegt hat. Man spürt das Ringen um die Führungsrolle meistens am Tag danach, am Muskelkater in den Armen.

Ja. Nein. Nein. Ich weigere mich, den Terminus „Unterwerfung“ zu übernehmen. Jemand, der sich gehen lassen kann, ist äußerst stark. „Hingabe“ klingt wesentlich besser. Und diese Hingabe, Herr Scheuermann, ist keine Einbahnstraße. Wo bleibt der Mann, der sich hingeben kann? Der sich dreckig nehmen lässt und es geil findet? Und dann den Spieß umdreht und dem Weib den Arsch versohlt, und danach lachen sich beide kaputt? Weil es ein Spiel ist. Und kein Ringen um die Führungsrolle.

Christian Schachinger findet für alles eine total plausible Erklärung: Die Jungen leiden. Die Midlife-Crisis wurde vorverlegt.

Das führt neben einem erhöhten Aufkommen von Wollwesten und zärtlichen Schnurrbärtchen allerdings auch zu überzogener Hypochondrie und Wehleidigkeit. Dies schlägt sich auch in der Popkultur nieder. So viel schlaffe Musik voller verletzlicher Querflöten, einsamer Saxophone und plüschiger Keyboards gab es noch nie.

Was habt ihr eigentlich alle mit euren Strickjacken? Wir haben Januar, verdammt! Vielleicht wär die Lösung auch wesentlich einfacher, Obacht, jetzt kommt der Scheißspruch, auf den wir alle gewartet haben: Liebe Schmerzensmänner, Optimierfrauen und junge Leidende: Vielleicht braucht ihr es einfach mal wieder ordentlich besorgt. Soll ja entspannen.