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HIV oder Schnupfen

Letztens habe ich im Kino in der aktuellen „Siegessäule“ geblättert, einer Berliner Schwulenzeitschrift. Die Titelgeschichte (leider nicht online) hat mich wirklich schockiert: Die Redaktion hat sich mit jungen Schwulen unterhalten, die sich mit HIV infiziert haben. Bedauernswerte Opfer von Leichtsinn und Pech? Keineswegs. Manuel, ein 27-jähriger Journalist, erzählt zum Beispiel:

„Auf mein Testergebnis 2010 habe ich gelassen reagiert. Zynisch könnte ich sagen, ich war erwartungsfroh. Mein damaliger Freund war positiv. (…) Für mich stellt das Kondom eine krasse Einschränkung dar. (…) Und so habe ich halt auch immer seltener welche benutzt. (…) Trotz des Stresses [beim Arzt] war es ein regelrechter Befreiungsschlag, sich für bare [= ohne Kondom] zu entscheiden. (…) Eine gewisse Spießigkeit spielt da auch eine Rolle. Ich nenne das sexuelle Freiheit vs. bürgerliche Lebensformen, es ist die Tabuisierung von Sex!“

Wenn man sich bei schlechtem Wetter sexy anzieht, kann man eben Schnupfen bekommen, wer richtig Spaß beim Sex haben will, kriegt halt irgendwann HIV. Kein Grund zur Panik. Manuel (dessen Beitrag durchaus repräsentativ für die anderen Befragten ist) weiter:

„Kernpunkt des neuen HIV ist die Alltagstauglichkeit der Therapie. Sie ist unproblematisch geworden. Den Preis war ich bereit zu zahlen.“

Hat HIV seinen Schrecken verloren? Sind meine 80er-Jahre-Ansichten veraltet? Oder sind das verantwortungslose, hedonistische Irre?