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"Porno 2.0" auf der re:publica

Leider schaffe ich es nicht mehr selbst zur wichtigsten deutschen Web-Konferenz nach Berlin, aber Torsten Kleinz‘ Vortrag über Porno 2.0 wurde live online übertragen – vermutlich wird ein Mitschnitt bald im Netz kursieren.

Interessant fand ich, dass YouPorn in Deutschland durch eine gewisse Boulevardzeitung erst richtig populär geworden ist – so populär, dass es in der Größenordnung von Google agiert. Kleinz vermisst daran die Community-Funktionen (sogar die Kommentare sind deaktiviert). Und bei den gezeigten Porno-Sites, die so etwas wie Community haben, möchte man lieber nicht dabei sein: Spam, Werbung, Rassismus und Diskriminierung jeder Art geben sich hier die Hand.

Warum ist das so? Offenbar haben die Bigotterie und die rechtlichen Repressalien zusammen mit der gefühlten Anonymität im Web das Schlechteste im Menschen hervorgebracht. Das wird sich auch nicht ändern, solange Pornos gucken ungefähr ebenso viel soziales Ansehen genießt wie Heroin spritzen. Nur dass es fast jeder tut.

Von den ca. 200 Anwesenden im Saal wollten sich nur sechs per Handzeichen als regelmäßige Pornokonsumenten outen. Und das war wahrscheinlich noch eine gute Quote.

Interessant fand ich die Publikumsfragen. Der „Long Tail“ (in dem Zusammenhang natürlich ein Lacher), also die Nischenbedürfnisse, spielen meiner Meinung nach bei diesen Porno-2.0-Seiten keine so große Rolle, weil sie keine echten Communitys sind und weil die Industrie diese Nischen schon sehr gut bedient.

Ein wichtiges Thema war Authentizität. Klar ist, dass bei YouPorn & Co. geschätzte 90 Prozent der Inhalte nur Werbe-Trailer für kommerzielle Angebote sind. Sich darüber zu beklagen, wäre zu kurz gegriffen. Erstens bleibt überhaupt noch einen Rest Selbstgedrehtes. Und zweitens beweist das ja nur, dass immer mehr Konsumenten „authentische“ Pornos (die Nachbarin, die Mitstudentin, das Pärchen von nebenan etc.) sehen wollen, statt sich in sterile Hochglanz-Fantasiewelten zu flüchten. Dass man hier die Grenze zwischen Realität und Fiktion schon einmal überspringt, kennt man ja auch von anderswo.

Dann gab es noch die Frage nach Pornos für Frauen. Geburtsbedingt bin ich da kein Experte. Ich glaube, dass es dabei in Wahrheit vor allem um Qualität und Gefühl geht, die der Fantasielosigkeit und gezielten Fühllosigkeit der Mainstream-Industrie entgegengesetzt sind. Von daher hat es mich schon ein bisschen schockiert, dass einer der Fragesteller nicht den Unterschied zwischen Erika Lusts „The Good Girl“ und 08/15-Pornos bemerkt hat.

Im letzten Feigenblatt hätten wir gern eine Liste von Expertenempfehlungen für gute Pornos (für Frauen, für Paare, für Männer, egal) gedruckt, durften aber nicht. Gegen plausiblen Altersnachweis schicken wir sie per Mail.

Autor: Herbert Braun

Mitherausgeber des Feigenblatt Magazin und sowas wie der Chefredakteur.

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