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Kamingespräch mit einer Domina – Teil 1

Das „Kamingespräch mit einer Domina“, eine Veranstaltung von Magnolias, verspricht „einen aufregenden Abend mit einer der erfahrensten Dominas Wiens“, Women only, wohlgemerkt. Und so ist das Publikum fast ebenso spannend wie die Hauptperson: Wer zahlt 25 Euro, um sich mit einer Domina zu unterhalten?

Etwa fünfzehn Frauen sitzen hier, das Kopfkino rattert und spuckt schubladisierte Phantasiebiographien aus. Führt der Gatte der blondierten Societylady ein geheimes Doppelleben, das sie ergründen will? Will die hippieesk tätowierte Dame hinter mir ihren sexuellen Horizont erweitern? Plant die rockige Mittdreißigerin links eine berufliche Neuorientierung? Der Sessel neben Moderatorin Judit Rabenstein bleibt leer, und nach ein paar einleitenden Worten wird klar: hier wird niemand in Lackleder und Nieten mit großem Auftritt durch die Tür gerauscht kommen: die Domina ist längst unter uns. Wieder schweifen die Blicke neugierig durch den Raum, wir verstehen: Sexarbeitern sieht man ihren Job nicht an. Es könnte jede von uns sein. Die hippiesk Tätowierte steht auf und besetzt den leeren Sessel. Sie ist um die fünfzig, braun gebrannt und trägt ein lila Sommerkleid, das dem großen Sonnentattoo um ihrem linken Knie viel Freiraum lässt. In locker zusammengebundenen blonden Haaren steckt eine schwarze Kastenbrille, sie trägt goldene Römersandalen und jede Menge Tükisschmuck. Uns stellt sie sich mit vollem Namen vor, an dieser Stelle soll sie Ingrid heißen.

Wie man Domina wird?
„Na sicher nicht, weil man vergewaltigt wurde und einen Männerhass hat.“ Bei ihr ist das vor 11 Jahren „mehr oder weniger aus Zufall“ passiert. Ingrid war zuvor Sekretärin im Außendienst einer Werbeagentur, eine Zeitungsannonce hatte ihre Neugierde geweckt.
Da sie beruflich sowieso gerade in dieselbe Gegend muss, macht Ingrid einen Termin im SM- Studio aus – und beginnt wenig später ihre „Ausbildung“ zur Domina. Zunächst arbeitet sie als passive Lustzofe, um Machtgefüge besser zu verstehen, um zu lernen wie das ist, ausgeliefert zu sein. Lang hält sie das nicht durch: „Masosklavin wird man nur, wenn man Schmerzerotikerin ist, das geht nicht ohne die Veranlagung dazu.“ Privat ist sie selbst übrigens nicht sadistisch veranlagt. „Ich brauch einen Macho, jemanden der stark ist. Wer will schon einen Mann, der ein Sklave ist?“

Ihre berufliche Erfüllung? Männern das zu geben, was sie zuhause nur schwer bekommen. In der SM-Szene unterscheidet man zwischen aktiver und passiver Seite, Ingrid selbst hat in ihrem Studio eine Sklavin. Switcherinnen sind sowohl aktiv als auch passiv, Bizzar-Ladys seien prinzipiell Prostituierte in Lack-und-Leder- Fetischoutfits.

Eine Domina macht normalerweise keinen Geschlechtsverkehr mit ihrer Kundschaft – „In Deutschland funktioniert das“, erzählt Ingrid. In riesigen, extrem professionalisierten Studios gibt es tausende Abstufungen, von der plüschigen Spielwiese bis zur Klinik auf jeden noch so abstrusen Fetisch spezialisiert. Wie so vieles in Österreich ist auch die SM-Szene kleiner, überschaubarer, so muss auch Ingrid eine größere Bandbreite bedienen können. Das liegt unter anderem daran, dass Wien ein Dorf ist – über höchstens drei Ecken kennt wirklich jeder jeden, so fehlt auch die Anonymität, die eine solche Szene anscheinend zum Wachsen braucht, extrem.
Judit Rabenstein beschreibt einen „regelrechten Sextourismus“ nach Deutschland und zu „Castle Events“ im Stil von „Eyes Wide Shut“, die beispielsweise in Mallorca oder Paris stattfinden.

Es sind Alltagsbeobachtungen, wie man sie im Wiener Nachtleben tausendfach machen kann: Der Österreicher an sich ist oft einfach ein bissi verklemmter. Das hat, meint Judit Rabenstein, religiöse Gründe: Deutschland ist protestantischer geprägt, eine Gesellschaft, in der auch Frauen können Priester werden können, sei aus Prinzip wesentlich offener. Die Auswirkungen des Katholizismus erlebt man jeden Tag, auch im inzwischen leider geschlossenen Sexshop Magnolias: „Die Deutschen kommen rein, sagen, „ach, den hab ich schon, ui, das will ich haben““, Österreicherinnen wagen dagegen oft kaum den Schritt über die Türschwelle. „Da ist Fingerspitzengefühl gefragt“

Vor zwanzig Jahren gab es in Wien gerade mal zwei, drei Dominastudios – „die sich dumm und deppert verdient haben“, erzählt Ingrid. Inzwischen gibt es in jedem Bordell Prostiuierte, die sich ein Lederoutfit anziehen, sich hinstellen, eine Peitsche schwingen und sagen „ich bin jetzt Domina“ – in Wirklichkeit gehört allerdings wesentlich mehr dazu.

….was genau das ist? Im nächsten Teil mehr!