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Inge Middendorf: Der Mann, der nicht küsste

In einem heißen Berliner Sommer trifft sich die etwa 60-jährige Ich-Erzählerin mit Orkan, einem deutlich jüngeren türkischen Familienvater. Ohne Schuldgefühle oder Scham genießen sie den gemeinsamen Sex. Die fast tropische Schwüle und das Verlangen bringen die Frau zum Fließen, sie ist wie eine reife, süße Frucht kurz vor dem Aufplatzen. Voller Lust gibt sie sich nicht nur Orkan hin, sondern auch immer wieder anderen Männern. Nur zuweilen mischt sich ein leiser Zweifel in ihre Gedanken: Orkan hat zwar schon jeden Flecken ihres Körpers erkundet, nur geküsst hat er sie noch nie – das spart er sich für seine Frau auf.
Man hat sich ein bisschen an die Bücher gewöhnt, in denen eine Frau leidend und dabei merkwürdig gefühlskalt von einer unglücklichen Affäre erzählt. Diese Geschichte hat damit aber glücklicherweise nur auf den ersten Blick Ähnlichkeit – gelitten wird hier wenig, denn trotz aller psychologischen Schärfe und Nachdenklichkeit geht es vor allem um Lebensgier und Sinnlichkeit. Von Anfang an weiß die Erzählerin: „Ich will alles mit ihm leben, was möglich ist, und dann will ich weitergehen.“

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