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ich tat es für die Wissenschaft

Ob man sich in weniger als fünf Minuten verlieben kann? Ich schon. Am Donnerstag hab ich ihn in der Ubahn gesehen: Geradlinig, markant, zeitlos, sexy – ein Eames Chair von einem Mann. Allein seine Art, die Ubahntür zu öffnen hat mich fassungslos gemacht. Wie unsere Blicke sich für ungefähr drei Zehntelsekunden auf der Rolltreppe gekreuzt haben, Ladies and Gentlemen, ich bin mir sicher, das war sie: die große Liebe.
Dass ich zwar seine Schuhgröße schätzen kann, (44, mindestens) aber nicht mal seinen Namen weiß, sei als vernachlässigbares Detail hintenangestellt. Schade eigentlich, dass ich noch nicht schmerzfrei genug bin ihm via Liebesbotschaft einen Heiratsantrag vor tausend brennenden Herzen im Ubahnhof zu machen. Schätzungsweise werde ich ihn nie wiedersehen, dabei hab ich im Geiste schon unsere ersten drei gemeinsamen Liebesurlaube und Vornamen für die schwarzgelockten Zwillinge (kommen nach ihm, aber die Augen sind von der Mama) klargemacht.

Zum Glück gibt es Ablenkung, und die nennt sich: Speed-Dating. Natürlich nicht, weil ich das irgendwie nötig hätte, sondern weil der universitäre Wissensdrang es erfordert. Für ein Onlinemagazin-Projekt gilt es, im Dienste der Wissenschaft investigativ lockzuvögeln.
Ich habe Angst. Meine Kenntnisse übers Speed Dating stammen aus einer Folge Sex and the City, und die verspricht übles:

Fühle mich wie ein Dönertier am Spieß. Ich zahle Geld dafür, mich von neun Männern in sechs Minuten bewerten zu lassen? Männer, die dafür zahlen, wohlgemerkt doppelt so viel, mich zu bewerten? Liebe nach der Stechuhr? Wo bleibt denn da die Romantik? Und wer bitte, macht denn bei so was mit, ich meine, absichtlich und so?

Nur 26 Stunden nach meinem amourösen Erweckungserlebnis in der Ubahn finde ich mich auf einem weißen Designersofa wieder, vor mir eine Schale Gummibärchen, ein großes Glas Wein und, gestatten, „M1“. Beim Speed-Dating bekommt man lustige Nummern, die man auf einen Zettel schreibt, inklusive einer Zeile für Notizen und dem obligatorischen Ja( ) / Nein ( ) Feld. Ich notiere „Bregenz, Steuerfachdingsda“ und damit ist eigentlich auch schon alles gesagt.
M1 sucht dringend nach einer Frau, die auch mal mit ihm ins Kabarett geht, und ob ich denn finde, dass man das sagen kann, nach fünf Minuten, so generell jetzt gesehen.
Ja und Nein, lieber M1. In deinem Fall: (x) Nein.
Es folgen: Männer, die ich unter anderen Umständen nie kennengelernt hätte – was, sind wir ehrlich, irgendwie auch echt ok so ist.
Mein Fazit nach acht weiteren Dates: Erschöpfung. Speed-Dater sind kommunikative Wesen, vor allem wenn man sie, so wie ich, konsequent mit peinlichen Fragen löchert, anstatt auch mal was über sich selbst zu erzählen. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, meinen Marktwert zu testen, und einfach neunmal (x) Ja anzukreuzen, um zu sehen, bei wie vielen Traumprinzen ich theoretisch so landen könnte (Die Dating-Agentur vermittelt die Kontaktdaten nur weiter, wenn beide das Kreuzchen beim JA setzen).
Der Vortrag meines besten Freundes über Ethik im Journalismus und das Angebot auf dem weißen Designersofa tun ihr übriges: Ich kreuze nur zweimal (x) Ja an. Bei Jungs, mit denen man mal im Pub über Musik quatschen könnte. Die ich sonst aber auch nie kennengelernt hätte, weil sie mir einfach nicht aufgefallen wären. (Sorry, Jungs…)

Ob ich das jetzt weiter empfehlen kann? Um in extrem kurzer Zeit extrem viele Leute kennenzulernen: (x) Ja. Um sich mit vollkommen fremden Frauen auf dem Mädchenklo zu verschwestern, indem man Reizwörter wie „DER POLIZIST!!!“ fallen lässt und kollektiv in hysterisches Gelächter ausbricht: (x) definitiv. Für die große, große Liebe: werde ich wohl weiterhin öffentliche Verkehrsmittel nutzen.

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