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Gloria Vanderbilt: Die Bienenkönigin

Nach dem Tod eines Stararchitekten stößt Priscilla, die etwas prüde Witwe, auf Briefe seiner freizügigen Geliebten – der Bienenkönigin. Dadurch erfährt sie, wie ihr Mann seine wahren sexuellen Wünsche auslebte. Die Betrogene ist schockiert, aber auch fasziniert und wird so selbst Teil der sadomasochistischen Beziehung.
Gloria Vanderbilt spinnt in spannendem Wechsel widersprüchlicher Figuren und Ebenen eine pikante, immer surrealer und lustvoller werdende ménage à trois, erzählt in Briefform in einer von Symbolen durchwobenen Sprache. Begehren und Eifersucht, Liebe und Schmerz, Traum und Realität sowie die verschiedenen Frauenbilder stehen einander gegenüber, heben sich auf und werden eins. Bis zu der Frage: Ist sie es selbst? Ihr anderes Ich, hörig und besessen von diesem Mann?
Die Geschichte endet abrupt auf ihrem Höhepunkt und regt so auch zum Nachdenken an. Die bereits 85-jährige Designerin, Malerin und Autorin mit illustrer Vergangenheit schuf ein phantastisches Märchen voll erotischer Poesie, klug und inspirierend. Als Bonus: Infos zur Autorin sowie Deutungsansätze zum Buch.

Am 15. März 2010 von Anja Braun · Kategorien : Literatur


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Javier Tomeo: Die Silikonliebhaber

Zwischen Basilio und Lupercia, die gemeinsam ein Dessous-Geschäft betreiben, läuft sexuell schon seit Jahren nichts mehr. Deshalb kaufen sich beide Liebespuppen. Doch „Marilyn“ und „Big John“ sind ihren Besitzern nicht nur mit außerordentlichen Silikon-Körperteilen zu Diensten, sondern auch mit Anekdoten, Gesprächen und Opernarien. Die Situation eskaliert, als die beiden eine Affäre beginnen …
Es ist eine grotesk übersexualisierte Welt, in die Tomeo den Leser führt, eine Welt, in der Moderatoren von Sex-Quizshows mit dem Zuschauer über sein Intimleben plaudern und Flugblätter durchschnittliche Penislängen bekanntgeben. Vor diesem schrillen Hintergrund setzt sich das alternde Paar um so trister ab.
Tomeo hat diese launige Geschichte in eine Rahmenhandlung gepackt, die das Geschehen kritisch und pseudo-sachverständig kommentiert – ein amüsantes Spiel mit Fiktion, aber auch ein Zeichen, dass er der Tragkraft seiner Erzählung misstraut. Wer bereit ist, sich der freien Phantasie eines souveränen Erzählers anzuvertrauen, wird bei Tomeo bittersüßes Lesevergnügen finden.

Am 20. Dezember 2009 von Herbert Braun · Kategorien : Literatur


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Nick Cave: Der Tod des Bunny Munro

Nick Cave ist als Musiker schon immer Literat gewesen. Auf Alben, die Titel wie „Mordballaden“ oder „Der Erstgeborene ist tot“ heißen, erzählt er Geschichten von Sünde, Reue und Strafe, Tragödien über Aussätzige und Heilige. Zwanzig Jahre nach seinem Buch-Erstling „Und die Eselin sah den Engel“ hat Cave wieder einen Roman geschrieben.
Bunny Munro (eine Referenz an John Updikes „Rabbit“?), ein Vertreter für Schönheitscremes, hat den Dämon im Leib. Wenn er eine Frau sieht, und sei sie auch hässlich, alt oder verheiratet, muss er sie haben. Noch als er seine eigene Ehefrau zuhause erhängt auffindet, kann er den Gedanken an ihre schönen, nackten Brüste nicht zur Seite wischen. Nun geht Bunny allein mit seinem neunjährigen Sohn auf Achse – und das Verhängnis nimmt seinen Lauf.
Cave geht es nicht um Psychologie oder Gesellschaftliches, es gibt kein Relativieren und Abwägen: Seine Figuren sind Verdammte, seine Geschichten Mythen, die den Geist des Alten Testaments atmen. Sprachmächtig und mit roher Sinnlichkeit führt er die Leser in seine schroffe Welt hinein.

Am 11. Dezember 2009 von Herbert Braun · Kategorien : Literatur


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Vladimir Nabokov: Das Modell für Laura

Kurz vor seinem Tod 1977 skizzierte der russisch-amerikanische Autor ein Buch, das an seinen zwanzig Jahre zuvor veröffentlichten Skandalerfolg „Lolita“ erinnert – und hinterlässt die Notizen mit der Verfügung, sie zu vernichten. Letztendlich hat sein Sohn ihm dies nun verweigert. Die Diskussion darüber, ob zu Recht oder nicht, entzündet die Feuilletons.
Nabokov war Perfektionist und meinte sein Todesurteil vermutlich ernst, denn dieses Buch ist schwerlich schon „Roman“ zu nennen. Mehr als um einen geschlossenen Text handelt es sich hier um ein Puzzle aus 138 Karteikarten (die es übrigens als Reprint für 50 Euro zu kaufen gibt), die links abgedruckt und rechts transkribiert und übersetzt sind. Der Netto-Text entspräche ungefähr 40 Buchseiten.
Im Zentrum der fragmentarischen Handlung steht die Kindfrau Flora, die ihren Mann, einen von Selbstekel zerfressenen Neuropsychologen, betrügt. Sie wurde zum Modell der Hauptfigur des Romans „Meine Laura“ und nimmt mehr und mehr das Leben dieser Kunstfigur an. Zweifellos der Embryo eines Meisterwerks – aber wohl nur für sehr aufmerksame Leser ein Genuss.

Am 11. Dezember 2009 von Herbert Braun · Kategorien : Literatur


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Annika Hennebach: Emmas Laden

Ein kleiner Laden in Berlin-Kreuzberg ist der Schauplatz dieses Romans. Emma Wilmers näht hier Träume aus Spitze und Seide: verführerische Unterwäsche, in die sie die erotischen Phantasien von ihr und ihren Kundinnen einwebt. Ihre Inspiration nimmt sie aus den täglichen Begegenungen: die Freundin, die endlich ihren Kollegen verführen will, eine Kundin, der sie eine lesbische Liebe an den Leib dichtet. Die meisten Ideen kommen ihr aber beim Stöbern in ihren Materialkisten, die vollgestopft sind mit Rüschenbändern, Netzstoffen und floralen Mustern. Oft beflügeln die Emma so sehr, dass sie in ihrem Atelier die entstehende Lust befriedigt – allein, denn bei ihrem eigenen Liebesleben sieht es leider nicht so rosig aus.
Hennebachs Roman zaubert eine zuckersüße, sinnliche Atmosphäre. Ein wenig fühlt man sich darin wie in der „Fabelhaften Welt der Amélie“ – nur dass Emma viel selbstbewusster und entschlossener im Leben steht. Am Ende des Sommers näht sie ihr Meisterstück: ein Wäscheset nur für sich selbst. Fehlt nur noch der richtige Mann, für den sie es an- und ausziehen kann …

Am 11. Dezember 2009 von Anja Braun · Kategorien : Literatur


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Alina Reyes: Verlangen und Vergeltung

Das schmale Hardcover-Bändchen versammelt zwei Erzählungen der derzeit vielleicht wichtigsten Autorin erotischer Literatur – falls man ihren Texten dieses Etikett aufkleben möchte. Denn Ausschweifungen, Romanzen, sexuelle Abenteuer spielen bei Alina Reyes keine Rolle: Ihr geht es um die Erkundung der eigenen Sexualität, den Weg nach innen. Besonders radikal verfolgt diesen Ansatz die erste, ältere Erzählung, bei der eine Frau alle Brücken hinter sich abbricht, um in ihrer eigenen Lust, in ihrer eigenen Vulva zu verschwinden. Ganz zwanglos driftet Reyes dabei zusammen mit ihrer Hauptfigur ins Phantastische.
Die zweite Geschichte, bei der sich eine junge Frau für ihre Vergewaltigung rächt, bleibt gerade noch auf dem Boden der Realität. Doch auch hier dringt die Außenwelt nur wie durch einen allegorischen Filter in das Seelen- und Sinnenleben der Erzählerin ein, während im Hintergrund der Mythos von der Frau und ihrer Sexualität als personifizierte Natur anklingt. Die bildliche und klare Sprache schafft es dabei, intimste Dinge ohne Scham und ohne Voyeurismus zu beschreiben. Ein außergewöhnliches Buch!

Am 16. September 2009 von Herbert Braun · Kategorien : Literatur


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Anna Bunt: Subjektiv

Als Anna ihre ersten sexuellen Erfahrungen macht, hat sie noch keine Ahnung von ihrer devoten Neigung. Dennoch landet sie in all ihren Beziehungen in einer stark unterwürfigen Rolle. Zum Beispiel mit Andi, ihrer ersten großen Liebe, der sie „seine persönliche Schlampe“ nennt und sie „an den Haaren aus dem Bett zieht“ und „in die Zimmerecke schleudert“. Anna findet es toll, „wie er sich durchsetzt, mir den Mund verbietet und mich einfach nur benutzen will“. Die Beziehung zerbricht letztlich an Eifersucht und Andis Drogenproblemen. Anna lernt, dass sie nicht die einzige ist, die Lust an der Unterwerfung findet. In dem autobiografischen Roman schildert die Autorin den Weg zu einer selbstbestimmten Lebensweise als devote Frau, die ihren „Dom“ fürs Leben findet. Dennoch wirft der Roman Fragen auf: Wie bewältigt man den Spagat zwischen teilweise brutalen Praktiken und dem Leben einer emanzipierten Frau? Kann es einem Menschen gut tun, sich im Alltag so behandeln zu lassen – oder sollten Spiele von Macht und Demütigung nicht besser auf den sexuellen Bereich beschränkt bleiben?


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Kira Maeda: Seidenfessel

Die rothaarige Schönheit Isabelle reist nach Tokio, um dort ihren Halbbruder Shin zu suchen, der seit drei Monaten verschwunden ist. Über eine Freundin kommt sie bei der Suche auf die Spur der japanischen Mafia, der Yakuza. Durch ihre Nachforschungen gerät sie allerdings selbst in deren Fänge. Ihr Entführer Toshika verspricht ihr, bei der Suche nach ihrem Bruder zu helfen – wenn sie zuvor 31 Tage lang seine erotischen Aufgaben erfüllt. Berauscht von der asiatischen Erotik- Kultur mit ihren ausgeklügelten Fesselspielen und ihren männlichen Prostituierten verliert Isabelle sich mehr und mehr in den erotischen Abgründen der mächtigen Yakuza – und entwickelt leidenschaftliche Gefühle für ihren Peiniger. Lässt man sich nicht von dem zuweilen etwas nachlässigen Schreibstil ablenken, vermag die Autorin die Leser(in) mit in diesen erregenden Rausch zu entführen – und obwohl das Ende sicher keine große Überraschung ist, fiebert man zusammen mit der selbstbewussten Protagonistin mit. Ein sanfter BDSM-Unterhaltungsroman, in dem Machtspiele, Zärtlichkeit und leidenschaftliche Liebe kein Widerspruch sind.

Am 16. September 2009 von Anja Braun · Kategorien : Literatur


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Jan Off: Unzucht

Eine zufällige Begegnung in einer durchzechten Nacht bringt das Leben des Erzählers auf ein anderes Gleis: Die Freundin eines guten Freundes weckt sein Bedürfnis nach sexuellen Experimenten. Er gibt seine Beziehung auf und stürzt sich in kokain und alkoholhaltige Abenteuer. Schließlich stößt er auf Tanja, die keineswegs so unscheinbar ist, wie er zuerst denkt. In ihrer Amour fou wagen sich Tanja und der Erzähler allmählich aus der Komfortzone des sexuell Normalen hinaus. Er schlüpft immer mehr in eine dominante Rolle, erfindet detaillierte Szenarien, die beide mit Aggression, Trotz und Leidenschaft durchspielen. Doch mit der Lust steigt zugleich sein Selbstekel und das Bedürfnis, diese kranke Beziehung zu beenden und sich mit einer neuen Liebe zu läutern.
In manchem erinnert Jan Offs kleiner Roman an Philippe Djian (etwa „Blau wie die Hölle“), wobei die schroffe Sprache manchmal aufgesetzt wirkt. Doch die schrittweise Grenzüberschreitung und der Kampf mit den eigenen Dämonen machen das Buch zu einer kurzweiligen Leseerfahrung; auch Liebhaber literarischer Pornografie kommen hier nicht zu kurz.

Am 1. Mai 2009 von Anja Braun · Kategorien : Literatur


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Sophie Andresky: Vögelfrei

Worum es hier geht, erklärt Sophie Andresky gleich auf der ersten von knapp 240 Seiten unmissverständlich: „Fickmir-das-Hirn-raus-Sex“. Marei wurde von ihrem Mann betrogen, zum Ausgleich erhält sie einen Freifahrtschein – zwölf Monate lang darf sie „ficken, vögeln, lecken, lutschen“ und tun, was sie will. Jedem ihrer Geliebten, egal ob männlich oder weiblich, widmet sie im Nachhinein einen Gang eines festlichen Menüs und erzählt, wie sie sich kennen und lieben gelernt haben. Die zahlreichen Sexepisoden schildert die Autorin dabei ohne Scheu: direkt, detailliert, derb und dabei durch humorvolle Wendungen aufgelockert. Andresky schafft es immer wieder zu überraschen und hält so die Spannung aufrecht – und am Ende kommt alles anders als gedacht. Eine fantasievolle, erotische Geschichte, die auf jeden Fall besser als das Buchcover ist.