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Fragmentarisierungen

Der pornographische Blick macht es leicht, Menschen unmenschlich zu behandeln, schreibt Ariadne von Schirach in „Der Tanz um die Lust“, ein Buch das, Sie ahnen´s möglicherweise bereits, meiner Meinung nach in jeden guten Haushalt gehört.

Loch, Loch, Nippel, Pimmel, Loch. Um Lust, oder sagen wir mal zumindest Sex, filmisch sichtbar zu machen, bedienen sich Mainstreampornos einer simplen Ästhetik: sie filmen einfach dort drauf, wo man´s nun mal offiziell am besten sehen kann.

Dadurch geht es nicht mehr um die Körper an sich. Oder um die Menschen, die dort Dinge miteinander anstellen. Es geht um: Loch, Loch, Nippel, Pimmel, Loch. Es geht nicht um Gefühle, und um die soll es auch gar nicht gehen. Es geht um diese bestimmte Ästhetik, die da sagt: Loch: stopfen. Es ist ein Konzept für eine Gesellschaft mit großem Abstrahierungswillen, und woher der kommt, ist verständlich: wär ja auch schließlich schön, wenn alles so einfach wär.

Divide et impera, teile und herrsche. je genauer, je feiner der Zugriff, desto besser lässt sich Einfluss nehmen. Etwas wird fragmentarisiert, aus seinem natürlichen Kontext gerissen, unangemessen beleuchtet und dadurch in Bezug zu dem gesetzt, was „normal“ ist. (von Schirach, S.197)

Es ist ein simpler Machtmechanismus, einer, wie von Schirach meint, auch dem Grundprinzip Frauenzeitschrift zugrunde liegt. Frauen werden in Problemzonen fragmentisiert, und können so besser „behandelt“ werden: hier noch etwas Koffein-Roll-On gegen die Tränensäcke, und gegen die Cellulite kann man ja inzwischen auch so viel machen!

Alles soll möglichst fickbar gemacht werden, erotisiert, optimiert. Problemzone Mensch. Und diese Problematisierung, die in einem wesentlich größeren Kontext stattfindet, machen Frauenzeitschriften und Pornos, so von Schirach, besonders deutlich sichtbar.

Wieder einmal stehen wir vor einer selbst geschaffenen Ungeheuerlichkeit zu Zeiten der Industrialisierung vor den unmenschlichen Produktionsbedingungen. Nur ist es diesmal das Leben selbst, das produziert wird.“ (…) „Damit das Leben produziert werden kann, muss es erst einmal auseinander genommen werden, aufgesplittert, sichtbar gemacht, und in jedem kleinsten Teilchen kann dann Bedeutung verliehen werden. Wahrscheinlich hat irgendwann jede Körperfunktion ihre eigene TV-Show. (Von Schirach, S.196, f.)

Und das ist tatsächlich eine der Argumentationslinien, die ich im Zusammenhang mit der ganzen Frauenzeitschriften-sind-doch-total-furchtbar-Debatte sehr klug und wichtig finde. Und ein Problem, dem ich persönlich mit meiner Arbeit, so gut es geht, entgegen wirken möchte.

Denn genau darum geht es meiner Meinung nach: Für Dinge, die man gut findet, leidenschaftlich einzutreten – und laut drüber zu reden. Und Dinge, die man verbesserungswürdig findet, besser zu machen – oder es zumindest versuchen. Und genau das war das Problem der ursprünglichen Debatte: es ging nicht um Inhalte. Um Grauzonen, Differenzierungen, oder die Frage was anders sein sollte. Es wurde nicht unterschieden zwischen Brigitte und Closer oder zwischen Maxi und InStyle. Und genauso wenig, wie es in dieser Debatte tatsächlich um die ging, die eigentlich angesprochen wurden, ging es hier in den entsprechenden Blogkommentaren darum.

Lieber Bildblog, es ist ein zweischneidiges Schwert mit dir. Klar: einerseits ist es ein riesiges Kompliment, von einem der größten deutschsprachigen Blogs als einer von 6 lesenswertesten Artikeln des Tages verlinkt zu werden. Neben Moritz von Uslar oder Sascha Lobo. Nicht als SEXautorin, sondern als Autorin, Punkt. Das ist so ähnlich, wie im Ausland ein normales Gespräch zu führen. Und nicht als erstes gefragt zu werden, wie man sich denn eigentlich hier so fühlt. Als Deutsche und so.

Andererseits tut es nicht viel für mich – außer dem Gefühl, in einer Kneipe zu stehen, meinem Gesprächspartner (in diesem Fall Chefredakteur Herbert , der den TAZ-Artikel für meinen Geschmack ein bisschen zu unreflektiert wiedergekäut hatte) irgendwas über die laute Musik hinweg zuzubrüllen, und plötzlich sind 40.000 Augenpaare auf mich gerichtet, und gar nicht mal so wenige davon schreien: „Das ist nur weil du blond bist, du dreckige Hure Satans! Lies mal „Herr der Ringe“, sonst wird das nie was!“

Und so bin ich mit einer klitzekleinen Verlinkung wahlweise zu akademisch, zu dumm, zu geisteswissenschaftlich, zu arbeitslos, zu karrieregeil, zu arrogant, zu knackig, zu überheblich – wie die Exen vom Dings – Bitch, Please!

Und an den Klicks und Interaktionen merkt man, das kaum einer der Kommentatoren, die da am Werk sind, auch nur einen einzigen anderen Artikel von mir gelesen haben kann – geschweige denn, dass sie die eigentliche Thematik (oder die Website, auf der sie sind – sich im Blog eines Erotikmagazins darüber ereifern, dass überhaupt Sex geredet werden muss? Ja.) besonders interessiert. Aber anscheinend ist das auch gar nicht so wichtig.

Denn der aufgebrachte Bildblog-Pöbel jagt gern mit brennenden Mistgabeln durchs virtuelle Dorf, und versucht angestrengt, irgendwo hinzuhacken, wo´s weh tut. Ein Scheißestürmchen der Entrüstung, das nichts, aber auch gar nichts mit den „normalen“ Lesern hier im Blog zu tun. Denn bei dem, was hier passiert, geht es kein bisschen darum, wer ich bin oder was ich mache – und die, die da kommentieren, sind meist die letzten, die das eigentliche Thema überhaupt persönlich betrifft.

Ja, es übersteigt zugegebenermaßen mein Vorstellungsvermögen, dass sich jemand tatsächlich extra eine spezielle Spam-Mailadresse mit „Feigenblatt“ im Namen zulegt, um so richtig geil anonym ins Internet kacken zu können.

Ich weiß nicht genau, wie traurig, einsam, verzweifelt oder gelangweilt jemand ist, der hobbymäßig Kommentare schreibt, die länger sind als der ursprüngliche Artikel selbst. Und mir fehlt auch ehrlich gesagt die Freizeit, es wirklich nachvollziehen zu wollen: warum Menschen versuchen, aufgrund eines Freitagmittag zwischen acht anderen Baustellen hingerotzten Disskommentars an meinen heißgeliebten Chefredakteur und einem immerhin 5 Jahre alten Thumbnailbild von mir, versuchen Rückschlüsse auf mich und mein Wesen zu ziehen, um möglichst gut zutreten zu können.

Eh klar: lovers wanna love, haters wanna hate, und Trolls trollen halt in der Gegend rum – nichtsdestoweniger ist und bleibt es ein äußerst merkwürdiges Gefühl, wenn wildfremde Menschen beginnen, an irgendeinem Teil von einem zerren zu wollen, auch wenn sie dabei so offensichtlich ins Leere greifen, dass ich stellenweise laut lachen musste – als „zu dünn und erfolgreich“ um die Probleme anderer Leute wahrzunehmen, hat mich bis jetzt komischerweise noch nie jemand bezeichnet…

So oder so zeigt es eins: Fragmentarisierung ist eine zutiefst menschliche Angewohnheit – die auch vom anonymisierten Trollpulk des Weltnetzes begeistert aufgegriffen wird. Und das, obwohl die hier kommentierenden „diese furchtbaren Frauenzeitschriften“ ja eh nie lesen würden? Hm.

Es ist ein Mechanismus, an den man sich, als – Ihgitt, Journalist! – früher oder später gewöhnen sollte. Und noch mehr, wenn man als solcher versucht, über Sex, Pornographie oder gar Intimität zu schreiben.

Einigermaßen pervers wird es nämlich, wenn die Realität beginnt, das Internet zu imitieren.

Es ist der Bekannte, der die gute Freundin fragt, ob ich „in echt“ eigentlich auch „so offenherzig“ wäre, wie´s in meinem Blog immer wirkt. Der nackte Typ im Bett neben mir, der dann angenehm überrascht ist, weil er sich das mit mir prinzipiell anders vorgestellt hatte. Abgestumpfter. „Wo du doch immer so viel über Sex schreibst, und alles.“ Es ist ein generelles „Ich sag dir jetzt mal, was eigentlich dein gottverdammtes Problem ist“ aus den Mündern Halbbekannter, das aus einem Mangel an Distanziertheit resultiert, den ich inzwischen nicht mehr allein auf mein ach-so-offenes Wesen zurückführen kann. Es ist das klassisches Kolumnistenproblem: zu denken, man würde denjenigen, der da schreibt, gut kennen.

Ich hab keine Ahnung, bei wem alles das Kopfkino angeht, wenn ich schreibe, dass „Shades of Grey“ kein authentisches BDSM ist: Jawoll, und am Wochenende peitsche ich androgyne Jungfrauen in Latexmaske quer durch mein Wohnzimmer.

Meine Reaktion darauf ist immer dieselbe, und ich schätze, das liegt daran, dass es einfach die Standardreaktion aufs Kategorisiertwerden ist: Befremden. Da steht niemand so sehr drauf. Komisch komisch.

Im privaten Umfeld sind solche Reaktionen ein einigermaßen zuverlässiger Bullshit-Indikator. Ich hab es tendenziell lieber, wenn Leute mich fragen, warum ich wie bin, anstatt es mir ungefragt zu erklären. Und das ist auch im Weltnetz nicht anders.

Natürlich ist das Jammern auf hohem Niveau. Klar macht es Spaß, mit diesem ganzen Sexkolumnistendingsdasein zu spielen und darüber Witze zu machen.
Und die unvermittelt offenen Gespräche, die mir dieser Status ermöglicht, sei es hier im Blog, auf Facebook oder auf irgendwelchen Parties in irgendwelchen Küchen oder irgendwelchen Betten, möchte ich auf keinen Fall missen. Ich hab immer viel zurückbekommen, Menschen von neuen Seiten kennen gelernt, viel gesehen, viel verstanden. Ich erlebe sehr viel Offenheit und Begeisterung für das, was ich tue.

Und dennoch bin ich froh darüber, dass die meisten von euch weder wissen, welcher Song jetzt gerade bei mir im Itunes läuft, noch, wie viele Cellulitedellen ich so am Arsch habe. Dass es Teile von mir gibt, die noch niemand fragmentarisiert hat, auch nicht ich selbst. Denn, wieder von Schirach, Fragmentarisierung bedeutet auch, dass die einzelnen Teile nicht mehr von einem übergeordneten Ganzen organisiert werden. Es kommt zu Künstlichkeit. (S.198)

Und ich kann und will nicht bei jedem Stück Text(fragment), das ich hier hinrotze, darüber nachdenken, wie viele Leute daran Anstoß nehmen (könnten/wollen), und warum. Ich kann nicht bei jedem Mal, wenn ich WordPress öffne, den Anspruch an mich selbst haben, die Weltformel zu entwickeln. Weil keiner vorhersehen kann, wann was von wie vielen (und welchen) Leuten gelesen werden wird. Und weil ich für die Weltformel dann doch tatsächlich einigermaßen unterbezahlt bin.

Ich will in einer Kneipe stehen und über die Musik hinwegschreien können.

Ansonsten kann ich mich nämlich auch gleich auf dieses Volontariat in der Pressestelle beim Amt für Denkmalpflege der Stadt Dings bewerben, und mir ab sofort nur noch auf meine Beamtengehaltsklasse einen runterholen – für Verheiratete gibt´s sogar einen Hunderter mehr, can you fucking believe it?

So oder so ist zerstückelt werden eine äußerst merkwürdige Angelegenheit. Herbert hat die Kommentarfunktion zum Zeitschriftenartikel mit der Argumentation geschlossen, dass ich mich durch „meine persönliche Betroffenheit angreifbar“ gemacht hätte. Und das stimmt, wenn auch nur zum Teil. Denn angreifbar macht mich nicht die Tatsache, dass Frauenzeitschriften mir für meine Weisheiten gutes Geld zahlen, oder was ich studiert habe, oder wie „knackig“ oder „dünn“ (haha, tschuldigung, aber: haha) ich bin.

Angreifbar macht mich, dass ich versuche, bei dem was ich schreibe, Haltung zu bewahren, und vor mir selbst und allen anderen einigermaßen aufrichtig zu sein. Mit Namen. Und Bild. Angreifbar macht mich mein Bedürfnis nach Konstruktivität. Weil Ironie immer leichter ist.

Am 30. Juli 2012 von Theresa Lachner · Kategorien : Gedanken


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Würgereiz beim Zeitschriftenbashing

Standarddebatte in der Feigenblatt-Redaktion.

Chefredakteur Braun so: „Boah Frauenzeitschriften sind sowas von scheiße, lest das bloß nicht, das frisst ja eure Gehirnzellen auf.“
Rezensionista Resi: „Naja dann ist es ja schon erstaunlich, dass ich es anscheinend trotzdem hinkriege, ein geisteswissenschaftliches Doppelstudium abzuschließen.“

Und das, OBWOHL ich Frauenzeitschriften lese. Und zwar nicht zu knapp. Und es kommt noch schlimmer: ich SCHREIBE sogar für manche von ihnen. Und nicht nur deswegen finde ich den gerade vielerorts für den heiligen Gral befundenen TAZ-Artikel Faschismus auf Hochglanzpapier einigermaßen öde. Denn ja: wenn es wieder mal darum geht, wer so für allseits beliebte Reizvokabeln wie „den Beauty-Wahn“, „die Pornografisierung“ oder „die Teenie-Magersucht“ et al. verantwortlich ist, zeigt es sich schnell mit dem Finger auf dünne Models auf glänzenden Seiten. Dass vielleicht ein bisschen mehr dahinter stecken könnte, als Magazine, die zu kaufen, geschweige denn zu lesen, nun wahrlich ja niemand gezwungen wird, und auch genug MENSCHEN sich manchmal einfach nur so ganz gepflegt beschissen fühlen (wollen), wird da leicht unter den Tisch fallen gelassen. Darüber könnte man jetzt ´ne Diplomarbeit schreiben (was- oh Moment- ich auch gerade tue) – einen von hundert trilliarden anderen Gründen gibt es hier.

Ich hab besagte zitierte Jolie vor ein paar Wochen auch gelesen (zum Spaß! Im Schwimmbad! Mit Pommes!), und musste beim Thema „Was uns Sorgen macht“ ebenfalls laut auflachen. Der ansonsten stark ironisierte Blowjob-Guide allerdings, über den man sich nun ja so wunderbar echauffieren kann, ist beispielsweise von Birgit Querengässer geschrieben. Der wunderbaren, smarten und zutiefst zynischen Frau Querengässer, deren satirischen Sexratgeber „Die Feine Art des Vögelns“ ich bedenkenlos zum Standardwerk für jeden koital ambitionierten Haushalt erheben würde, und die selbstredend auch ihren Blowjob-Guide nicht ohne Augenzwinkern verfasst hat.

Solche Feinheiten überlesen sich natürlich leicht in der Metadebatte, in der es wie so oft nur darum geht, dass sich jemand mit-aufregt, weil sich mal wieder jemand aufregt. Alle anderen, die die kritische und eloquente Auseinandersetzung mit dem zeitnössischen Medienprodukt suchen, kann ich an dieser Stelle in richtung englischsprachige Blogs verweisen. Allen voran The Vagenda, aber auch Feministing, Jezebel oder Nerve tragen Tag für Tag so viel Reflektierteres zu dieser Debatte bei, als das eben beschriebene „Wer das liest ist doof“.

Denn nein, Frauenzeitschriften sind nicht per se doof und blöd und gemein und scheiße, es gibt da sehr große Unterschiede und Abstufungen, ja, es gibt eine ganze Riege von unglaublich talentierten Autorinnen, die neben Büchern und Artikeln für „echte“ „seriöse“ Tageszeitungen und „echte“ „okaye“ Blogs auch für so „blöde“ Frauenzeitschriften schreiben. Meike Winnemuth anyone? Susanne Kaloff? Kerstin Weng? Äh….ich?

Denn was beim generalisierenden Meta-Rummotzen gern ignoriert wird: die Aussage „Frauenzeitschriften sind voll blöd“ ist eine zutiefst gegenderte. Auch darüber könnte man zumindest eine Bachelorarbeit schreiben, oh, moment, richtig: hab ich ja längst gemacht. Ein Einser, übrigens – und das, obwohl ich mir das Zeug reinziehe, seit ich 15 bin. Und, oh Wunder, mich manchmal trotzdem noch über andere Themen unterhalten kann als frisch lackierte Fingernägel. So, über was wollen wir als nächstes streiten – Männerzeitschriften vielleicht?


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50 Shades of What the Fuck

Sind jetzt dann bitte bald sämtliche gierigen Sommerlöcher gestopft?

Ist „50 Shades of Grey“ das neue Urheberrechtsgesetz? So langsam, scheint es, gibt es wirklich niemanden mehr, der sich dazu noch nicht in irgendeiner Form geäußert hat – und besonders gern scheinen das die zu tun (und da nehme ich auch meinen hochverehrten Vorgesetzten, seines Zeichens Feigenblatt – Chefredakteur Herbert Braun nicht aus), die das Buch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nicht mal gelesen haben.

Und auch mir erscheint es inzwischen fast ein bisschen zu banal und inzwischen hinfällig hier einfach nur eine Kritik des Buches abzuliefern. Denn dass es unterirdisch mies geschrieben ist und die Hauptpersonen ab Seite eins so sehr nerven, dass auch ich beim Lesen mehrfach kurz davor war, wahlweise mein Tablet oder den Kopf gegen die Wand zu schlagen, dürfte ebenso zum Allgemeinplatz geworden sein wie die generelle „Kunst oder Wichsvorlage“-Debatte darüber, was „erotische“ „Literatur“ „darf“, „kann“ oder „muss“. (Oder um´s in den Worten der Grazia zu sagen: Sind Pornos das neue Pilates? (Wenn ja, solltet ihr mal mein Powerhouse sehen. Nicht. ))

Warum ist genau das jetzt nur so irre erfolgreich? Heißt das, dass die Frauen jetzt reihum alle ein bisschen mehr vermöbelt werden wollen? Wenn Analverkehr der Blowjob der Nullerjahre und den Achtzigern ihr Dreier war, stehen dann die Zehnerjahre gänzlich im Zeichen von Zuckerbrot und Peitsche? Arschversohlen gegen die Krise, wir hatten ja nix, aber immerhin Schmerzen dabei? Wenn sich also „die Frauen“ wie so gern überall heraufbeschworen, „ihre Lust“ „zurückerobern“, ist es also das, wie sie´s dann haben wollen?

So wird sich an wirklich jeder Straßenecke ausführlich aufgeregt über das für und wider, ja und nein, von sexueller Befreiung und dem Drang nach Unterwerfung geredet, BDSM als konsequent-moderner Beziehungsform, und einem gesamtgesellschaftlichen Anspruch, es wird gelästert, ob „man das jetzt muss“, seiner Frau ein Tschibo-Hundegeschirr umschnallen weil die anders nicht mehr kann, es wird sich wieder über das Geläster aufgeregt, weil derjenige BDSM wohl einfach nur nicht verstanden hat, und so geht es eigentlich nur noch höchst peripher um das Buch selbst.

Dabei übersehen tragischerweise dann auch die meisten den für jegliche sinnvolle Auseinandersetzung wesentlichen Punkt: mit einer authentischen BDSM-Beziehung hat „50 Shades of Grey“ schätzungsweise genauso viel zu tun wie Kochschokolade mit Tartufo.

Denn der Spaß beim BDSM besteht im Rollenspiel, nicht im konstanten Eindreschen auf immer dieselben Rollen, die dann im Bett nur noch vertieft werden. Denn Hauptfigur Anastasia ist nicht einfach nur „Sub“ – sie ist das fleischgewordene, personifizierte Opferweib.

Mit 21 noch Jungfrau, stolpert sie selbstbewusstseinsfrei von einem Fettnäpfchen ins nächste, um von ihrem „Dom“ künftig permanent ordentlich runtergeputzt zu werden – dieser befiehlt der ganz offenkundig magersüchtigen Ana (bin ich hier eigentlich die einzige, die die Referenz sieht? Und was ist mit Christians überbordend fröhlicher Schwester Mia, die in Frankreich Köchin wird?) nach kurzem hin und her nicht nur, wann sie was zu essen hat, sondern legt auch klare Regeln für Kleidung, Verhütungsmethode und „sauber“ gewaxter Intimzone vor.

Und genau da liegt vielleicht der perverse Reiz der Beziehung, der Grund, warum das als „Mommy Porn“ verschriene Werk genau bei denen so erfolgreich ist: endlich ist da mal einer, der sich kümmert. Der einem das täglich – lästige Einerlei der weiblichen Existenz abnimmt, und endlich mal sagt, was zu tun ist.

Dass er dafür Privatdetektive engagiert, ihr ungefragt durchs halbe Land nachreist, ihr verbietet zu masturbieren und sie mit einer elektronischen Fußfessel namens Macbook und Blackberry zur Dauerkonversation zwingt – drauf geschissen.

Denn Ana ist unser Frauenzeitschriften – Ich: Auslage in Arbeit. Man kann sich mit ihr identifizieren, weil klar, was peinliches ist mir auch schon mal passiert. Und sie lebt die Erfüllung unseres wildesten Pubertätstraums: Oh, der Typ aus der Oberstufe ist echt superkrass – und dann will er auf einmal was von mir!!!!!! Und dann behauptet er zwar, dass es nur um das Eine geht – und plötzlich – liebt er mich doch!!!!

Anas Beziehungsverhalten ist „He´s just not that into you“ rückwärts – sie benimmt sich einfach mal per Telekommunikation wie ein retardiertes Kleinkind, und anstatt nie wieder zurückzurufen, sitzt der Übermann plötzlich besorgt auf ihrer Bettkante. Und das ist die eigentliche Fantasie, die E.L. James hier erfüllt.

Denn der in „50 Shades of Grey“ dargestellte Sex ist weder irre aufregend noch besonders schockierend – höchstens schockierend blöde. Oder wie Petra Joy es formuliert hat: Es ist […] ein extrem rückständiges, antifeministisches Buch. Die Figur des jungen Unternehmers, der als Kind missbraucht wurde und jetzt nur SM-Sex praktizieren will, unterstützt eine höchst konservative These: dass alle Menschen, die mit SM-Sex experimentieren, irgendwie psychisch geschädigt sind. Schockierend daran finde ich nicht den soften SM-Sex, sondern das unreflektierte Wiederkäuen veralteter Rollenklischees.

Gut gebrüllt, Petra! Diverse amerikanische Experten können das übrigens bestätigen und das Klischee von der finster-missbrauchten Prügelsubkultur ebenfalls wissenschaftlich widerlegen.

Ein befreiendes Buch? Nicht so sehr. Wenn Erotik dort anfängt, wo man tatsächlich nicht nur seinen Körper entblößt, sondern auch sein eigenes sexuelles Begehren offenbart, ist bei Pro-Ana (so oder so) nicht mehr viel zu finden. Denn ihre Sexualität ist keine selbstgewählte. Es ist die Sexualität einer verstörten Zwölfjährigen, die alles tun würde, um ihrem in jeder Hinsicht überlegenem Schatzi zu gefallen. Es ist eine selbstverschuldete Unmündigkeit, in die sich Anastasia begibt, und eine Absage an unser verwirrendes lautes Leben, das sie (und alle die sich ein bisschen zu sehr mit ihr identifizieren können) fälschlicherweise als Befreiung abfeiern.

Schon klar: Selbstbestimmung ist kein Zuckerschlecken. Aber wenn das hier unsere sexuelle Revolution sein soll, will ich lieber weiterhin Angst vorm Fliegen haben.


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Um die Wette lieben

Vor ein paar Wochen hat unser bester Freund Internet einen neuen Lackmustest in Sachen (Zwischen-)Menschlichkeit produziert. Wir erinnern uns: Der Typ in Portland, der zu Bruno Mars „Marry You“ diese großartige Hochzeitsantrag-Performance produziert hat, und damit nicht nur das Weib, sondern auch sieben Millionen Klicks und Props vom Schnulzensänger persönlich bekommen hat.

Danach gab es eigentlich nur eine Frage: hast du geweint? Und wenn nicht, was bist du denn für ein Mensch bitte? Und, hey: klar hab ich geweint! Und zwar nicht nur ein bisschen! Richtig dicke fette Krokodilstränen waren das, die laut aufgeplatscht sind auf dem Schreibtisch. Und das, obwohl ich heiraten noch nicht mal für die weltbeste Idee halte. Aber gegen den Anblick von ein paar stinknormalen Menschen, die ihre Liebe unkonventionell zelebrieren, ist eben kein Kraut gewachsen. Vor allem nicht, weil es echt ist. Weil es jeder/jedem von uns passieren könnte, die Alltagsromantik, die uns hinterrücks in einen Kofferraum wirft und uns zeigt, wo der Bartl den Most holt. Es ist dieser potentielle Realitätsbezug, der uns so verdammt anfällig für die kleinen ganz großen Gesten da draußen auf Youtube macht. Und dann kam das hier:

Und ich hab nicht mehr geweint. Weil mich Menschen aufregen, die aus allem eine Scheiß-Competition machen müssen, größer, lauter, spektakulärer. Besser organisiert. Weil zu viele Kameras dabei sind, die die riesengroßen Gefühle einfangen sollen, denen man nur durch eine noch riesengrößere Inszenierung gerecht werden kann. Was lange Hochzeiten vorbehalten war, soll also jetzt schon beim Antrag passieren. Anstatt uns unter der Bettdecke süße Dinge ins Ohr zu flüstern, wollen wir also Klicks dafür, immer mehr Klicks. Und irgendwann haben wir Facebookfotoalben die „Geilste Ehe des Jahrtausends“ heißen. Ich freu mich schon auf das erste Video, auf dem im Baseballstadium auf Großleinwand inklusive Live-Reaktion verkündet wird: Honey, ich will die Scheidung. Das könnte uns doch allen noch mal so richtig zu Herzen gehen.

Am 25. Juni 2012 von Theresa Lachner · Kategorien : Gedanken


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Verbotene Ehen

Mit seinem Bekenntnis zur Homo-Ehe hat es Präsident Obama auch in die hiesigen Medien geschafft. Die Berichte darüber erwähnen die hitzigen Debatten in den USA und vermerken, dass die Homo-Ehe in der großen Mehrheit der US-Bundesstaaten verboten ist. Beim aufgeklärten Zuschauer kommt an: Ach, dieses rückständige moralkonservative Land mit seinen religiösen Eiferern.

Beim USA-Bashing bin ich immer gern dabei, aber es gibt für uns keinen Grund zum Hochmut. Das „Lebenspartnerschaftsgesetz„, das die Verbindung gleich­geschlechtlicher Partner regelt, gilt auch in Deutschland erst seit gut zehn Jahren. Seine Verabschiedung wurde damals von wütenden Auseinandersetzungen begleitet. Die Familie als moralischer Kern des Gemeinwesens stand auf dem Spiel, der Untergang des Abendlandes drohte. Und schließlich: Die sogenannte Homo-Ehe ist nicht gleichwertig mit einer echten Ehe. Sie untersteht nicht dem besonderen Schutz des Grundgesetzes und muss auf viele der finanziellen Privilegien der Ehe verzichten.

Homo-Ehe (C) Blackcat/Wikimedia (Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported) Beim besten Willen verstehe ich die Gegner solcher Verbindungen nicht. Ist für sie die Ehe ausschließlich eine Gemeinschaft zur Produktion und Aufzucht von Kindern? Aber dann müssten kinderlose Ehen anders behandelt werden und das Eheverbot auch für Frauen ab Mitte vierzig gelten. Im übrigen haben auch manche Homosexuellen Kinder oder versuchen, welche zu bekommen.

An die Grenzen seiner ehelichen Toleranz ist der der deutsche Gesetzgeber erst vor einem Monat gestoßen. Es ging um den ziemlich ungewöhnlichen Fall von Bruder und Schwester, die getrennt voneinander aufwuchsen, sich verliebten und vier Kinder in die Welt setzten. Eine Straftat, befanden die Richter und schickten den Mann ins Gefängnis, und der europäische Gerichtshof für Menschenrechte nickte dazu. Um das heilige Ideal der Familie zu schützen, wurde diese zerstört. Wohlgemerkt: Beim Inzestverbot geht es nicht um die Wahrung der sexuellen Selbstbestimmung, sondern um ein Sex- und Eheverbot zwischen Geschwistern. Grund dafür ist offensichtlich die Angst vor erbkrankem Nachwuchs – nur traut sich der Gesetzgeber das nicht auszusprechen, weil er dann eine Büchse der Pandora aufmachen müsste, in der unter Beischlafverboten von erbkranken Menschen und Behinderten als Bodensatz die Zwangssterilisationen im Dritten Reich durchschimmern würden.

Ohne jede Romantik betrachtet machen zwei Dinge die Ehe aus: Die Partner räumen sich gegenseitig viele Rechte ein und genießen steuerliche Vergünstigungen. Als kinderlose Doppelverdiener haben wir einige Jahre lang von den finanziellen Privilegien der Ehe profitiert. Unsinnig sind sie trotzdem. Am liebsten wäre mir, der Staat würde sich nicht nur aus den Schlafzimmern, sondern auch aus den Beziehungen heraushalten und seine familienpolitischen Segnungen auf diejenigen verteilen, die allein, zu zweit oder meinetwegen als zehnköpfige Sex-Kommune Kinder großziehen (das denke ich nicht erst, seit ich Vater bin).


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Kater/innenStimmung

Ich hatte viel vor mit euch vergangenen Donnerstag. Mein Text zum Weltfrauentag war schon zu 80% fertig und zu 90 % super – durchrecherchiert und gespickt mit unnützem Wissen, Zitaten von Caitlin Moran bis Stéphane Hessel, wütend aber versöhnlich, mit dem Ohr fürs Detail, mit der Totalen im Blick.
Ich war also bester Dinge, und Facebook hat mich gefreut wie schon länger nicht mehr – es war alles sehr viel rotziger als sonst, so superfein, dass ich sogar an Hey Mädels! DAS ist für euch!!!!-Bildern von kahlbrüstigen Fleischereifachangestellten und den allüberall DEN Feminismus und DIE Frau repräsentierenwollenden Pinktönen weniger Anstoß genommen habe als vielleicht nötig.

Nach ein paar Stunden ploppte in meinem Newsfeed die Frage auf, die ich mir selber irgendwann stellen musste: Warum machen wir das eigentlich nicht öfter? Wieso gibt es hier nicht auch an anderen Tagen so viele so genannte Frauenthemen? Mit derselben Inbrunst. Das wär doch mal ein Vorsatz, oder?
Ja J, das wärs. Warum verbringen wir alle nicht mehr Zeit damit, etwas zu feiern, worauf wir stolz sein können, anstatt uns zu vergleichen und niederzumachen? Warum braucht es einen Tag, an dem Themen aufs Parkett gebracht werden, mit denen wir uns auch an ca. 364,25 anderen Tagen pro Jahr rumschlagen müssen, ohne dass es irgendjemanden groß interessiert – wahrscheinlich, weil grad Fußball läuft, oder so?

Auf einmal bin ich mir schäbig vorgekommen. Wie der Typ, der nicht mehr mit seiner Freundin schläft und ihr zum Jahrestag Supermarktpralinen mitbringt. Ich wollte nicht euer Tankstellenblumenstrauß sein, das Trostpflaster für eine Beziehung die schon länger mehr oder weniger scheiße läuft, ohne dass jemand es ansprechen oder irgendwas dagegen tun würde.
Wie in jeder Beziehung, in der man Dinge niederschweigen muss um irgendwie noch ein bisschen froh sein zu können, tut es umso mehr weh, sobald sie dann doch mal jemand anspricht – wie in der arte-Doku „Die Herrschaft der Männer“, die ich mir also zur Feier des Weltfrauentags folgerichtig reingezogen hab.

Viel „Spaß“ damit – ich hab danach ein ziemlich volles Glas Sauvignon Blanc in der Badewanne geext. Denn Caitlin Moran hat leider recht:

These days, sexism is a bit like Meryl Streep, in a new film: sometimes you don’t recognise it straightaway. You can be up to 20 minutes in, enjoying all the dinosaurs and the spacefights and the homesick Confederate soldiers, before you go, ‚Oh my God – under the wig! That’s Meryl.‘

Nur weil etwas weniger sichtbar gemacht wird, heißt es nicht, dass es nicht da ist. Und so zucken wir zusammen, wenn wir diesem Sexismus in freier Wildbahn begegnen – sei es in verfahrenen Beziehungen oder in öffentlichen Debatten.

Auf den ersten Blick betrifft Pro-Quote nur einen kleinen Ausschnitt der Bevölkerung, dem auch ich zufällig angehöre: Frauen, die Medien machen. Die etwas reißen wollen in diesem aufregenden Job, sich der Wahrheitssuche verpflichten und gehört werden wollen. Wir sind voller Idealismus, gut ausgebildet, haben schon zwei, drei Themen ganz gut auf den Punkt gebracht – und wir sind angekotzt. Von 360 deutschen Tages- und Wochenzeitungen sind gerade mal zwei Prozent aller Chefredakteure weiblich, und das darf nicht so bleiben. Denn was wir täglich an Medieninhalten ausgewählt, aufbereitet und schlussendlich vorgesetzt bekommen, bestimmt in 98% der Fälle, richtig: ein Mann. Und so braucht es dann so etwas wie einen achten März, bis die Themen, die eben auch noch wichtig wären, plötzlich relevant genug sind. Ansonsten dürfen wir sie uns in fremdsprachigen Medien und „Special Interest“-Blogs gezielt zusammensammeln – und so prägen sie unser Weltbild nur, wenn wir uns von ihnen prägen lassen wollen.

Und genau deswegen ist diese Debatte so wichtig: sie zeigt, wo eben doch nicht alle so cool und aufgeklärt und gleichberechtigt sind, wie sie sich gern geben. Jan Fleischhauer hat Recht mit seinem Protest gegen den Streichelzoo-Journalismus:

Man kann die Quote moralisch aufladen und zu einer Frage der Gerechtigkeit machen, doch am Ende geht es um Macht. Es spricht für die nach oben drängenden Frauen, dass sie das so offen sagen. In jedem Fall beweisen sie mit ihrem Vorstoß deutlich mehr Schneid als die Männer, die auf den Posten sitzen, um die es jetzt geht. Ich kann die Frauen verstehen, die denken, dass es Zeit für einen Wechsel ist. Sie müssen sich ja nur die geduckten Solidaritätsadressen ihrer Chefs durchlesen, die sonst jede Woche verkünden, wie das Land zu retten sei, und nun ganz eilfertig den Stand ihrer Bemühungen rapportieren. Man wünscht sich fast, einer der Kerle an der Spitze hätte den Mumm zu sagen, warum er die ganze Quotendiskussion für Unsinn hält, das wäre wenigstens eine Position, über die man diskutieren könnte.

Gesagt, getan – Nicht Brüste, sondern Können fordert Alexander Görlach, von Beruf Chef beim European. Puh. Um mal bei Ihrer Rhetorik zu bleiben, Herr Görlach: ist Ihnen da irgendwie ungut der Pimmel auf der Tastatur ausgerutscht? Ich hoffe es für Sie. Ansonsten fällt mir nämlich keine einzig plausible Erklärung dafür ein, dass Sie, von Beruf immerhin Chef, Ihre komplette Argumentation auf einem einigermaßen schwachsinnigen Logikfehler aufbauen.

Es geht nämlich in den Medien darum, die besten Journalisten zu bekommen, nicht die weiblichsten, nicht die ostdeutschsten, nicht die muslimischsten. Es geht nicht um Mitleid, sondern um Qualifikation. „Eigentlich gab es ja zwei Männer, die besser waren als Sie, aber wir nehmen Sie, weil sie eine Frau sind.“ Nun bin ich vielleicht nicht der intimste Kenner der weiblichen Psyche, aber wenn ich eine Frau wäre – ich bin übrigens mindestens genauso gerne ein Mann wie ich Chefredakteur von The European bin –, wäre das die krasseste Abwertung, die ich mir vorstellen könnte. Nicht Brüste, sondern Können. Darum soll es gehen.

Haben Sie sich schon mal auf einen Job beworben, Herr Görlach, oder wurde einer wie Sie bereits als Chef geboren? Wahrscheinlich zweiteres, denn sonst wäre Ihnen unter Umständen unter der einen oder anderen Stellenausschreibung mal eine Phrase wie diese begegnet:

Bei gleicher Qualifikation werden Bewerber mit [beliebige Randgruppe hier einfügen] bevorzugt behandelt.

Da steht nicht „Brüste vor!“ oder „Behinderte an die Macht!“, Herr Görlach. Sondern lediglich, dass, wenn zwei genau gleichviel können, derjenige bevorzugt wird, der es anderswo vielleicht nicht würde. Weil er vielleicht Ausländer ist. Körperbehindert. Ostdeutscher. Oder schlimmer noch: eine Frau.
Da könnte ja jeder kommen, denkt sich auch ein besonders gewitzter Kollege aus der Schweiz. Und wer will dann als nächstes Chef werden? Haustiere? Kinder?

In wenigstens einem Punkt sind wir uns einig, Herr Görlach: auch ich finde es beschissen, dass es so etwas wie diese Initiative überhaupt geben muss. Dass es Mechanismen gibt, die verhindern, dass sich ganz von allein ein realistisches Abbild unserer Gesellschaft auf die Medienlandschaft überträgt.

Denn wir, no offense liebe körperlich eingeschränkten ostdeutschen Migranten, sind keine Randgruppe. Wir sind die Hälfte der Weltbevölkerung.

Wir, das sind die, die euch zur Welt gebracht haben. Die euch im Arm halten, wenn besagte Welt heut wieder ein Arschloch war. Wir, das sind die, die es euch besorgen, bis ihr den eigenen Namen im Personalausweis nachschlagen müsst. Wir, das sind die, die eure Kinder zur Welt bringen. Nebenberuflich. Wir sind die, die all das gebacken kriegen und oft genug lächeln dabei. Weil wir es lieben, all diese Dinge zu tun. Genausosehr, wie wir es lieben, Chef zu sein. Alles was wir dafür wollen, ist das, was uns ohnehin längst zusteht: Gerechtigkeit.


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Schönen… na ihr wisst schon.

Sorry Zynismus, ich habe heute leider kein Foto für dich. Obwohl es mit dir wahrscheinlich einfacher wäre – heute und an jedem Tag. Sich trennen heißt, das Brot wegschmeißen, nur weil man es zusammen gekauft hat, um dann Seine Amazonsuchanfragen per Mail empfohlen zu bekommen. Im Club plötzlich Rotz und Wasser zu heulen, weil Herr Blake dann eben doch recht behält.. Es bedeutet, den Kontakt abzubrechen und auf Facebook zu blockieren – um sich dann auszuloggen, um schauen zu können, ob sich sein Profilbild geändert hat.

Sich trennen heißt, tausend präzis platzierte Fußtritte in die Magengrube hinzunehmen – und irgendwann erstaunt festzustellen, dass es tatsächlich irgendwie besser wird, genau so, wie alle gesagt haben. Weil man lernt, den Tritten auszuweichen – und sich von ihnen nicht ganz so niederwerfen lässt.

Was dich nicht umbringt, macht dich härter, so Chefredakteurs/Rambos weise Worte zur Gesamtsituation, aber will man das überhaupt, härter werden?

Klar – wenn sich die ganze ohnehin merkwürdige Welt schlagartig in einen pimmelrosa Alptraum aus Herzchen, Pralinen, Tankstellenblumensträußen und Polyesternegligés verwandelt, ist das schon im Normalzustand unter 1,9 Promille nur relativ schwer zu ertragen.

Und trotzdem: die Antwort ist nein. Im Schnickschnackschnuck der großen Emotionen wird die Liebe immer der Brunnen aus Papier sein. Weil es der Liebe scheißegal sein kann, ob wir sie mögen, hassen, oder in pimmelrosa Polyester packen.

We hate the rain when it fills up our shoes
But how we love when it washes our cars
We love to love when it fills up the room
But when it leaves oh we’re cursing the stars

Die Liebe vertschüsst sich halt manchmal für ein paar Tage, aber wenn sie wiederkommt, wärs klüger, ihr einen Stuhl hinzustellen. Weil sie tatsächlich überall ist, auch ohne Pseudofeiertag für Floristen und Polyesternegligéfabrikanten. Und weil es Schwachsinn wär, seine Augen vor Schönheit zu verschließen.

Heute und an jedem Tag. Esst Vanilleeis mit heißen Himbeeren in der Badewanne. Macht eurem Papa ein Mixtape. Lest die Vagina Monologe. Reibt euch an an einem H&M-Plakat. Zeigt euren weltbesten Freunden, wie viel schöner euer Leben mit ihnen ist. Küsst eine Katholikin. Zwinkert einem Opi zu. Sagt: „Du hättest alles von mir haben können“, auch, wenn es längst zu spät dafür ist. Nehmt Komplimente an. Erzählt eurem Bankberater einen versauten Saufwitz. Schlaft mit jemandem, nur weil ihr´s könnt. Macht euch frei, habt keine Angst vor Schmerzen die sich ohnehin nicht vermeiden lassen. Greift nach der Schönheit.

Liebt wild und gefährlich – uns bleibt sowieso keine andere Wahl.

Am 14. Februar 2012 von Theresa Lachner · Kategorien : Gedanken


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Mund abwischen, weiter machen

Kinder, was für eine Woche. Letzten Sonntag lag meine innere Göttin mit Gurkenscheiben auf den Augen und Gin Tonic in der Hand in einer dunklen Ecke und hat sorry seems to be the hardest word gelallt. Ich war an dem Punkt wo ich dachte, jetzt kann mich nichts mehr umhauen – und dann habt ihr mich umgehauen.

Danke für eure Klicks, eure Likes, eure aufmunternden Kommentare. Danke für virtuelles Schulterklopfen, für Liebeserklärungen und für Interviewanfragen. Danke für ich hatte Tränen in den Augen, danke für Du bist die schönste Dummheit, die ich nie begangen habe. Danke für Einladungen zum Trinken, in eure Städte, euer Herz. Wenn es eins gibt was mich jedes einzelne Mal wieder fassungslos macht, ist es Freundlichkeit von (völlig) Fremden. Und das ist gut zu wissen: dass ich nie aufhören werde, mich in kleine Gesten ein bisschen zu verlieben – und dass das, was ich bereit bin zu geben, irgendwo ankommt. Ich hab keine Lust, meine Gefühle in ein Kellerabteil zu sperren, ihnen alle zwei Wochen ne Tiefkühlpizza hinzuwerfen und sie zu zwingen, mit ihren Gefühlsgeschwistern dreiäugige Babys zu machen.

Ehrlich zu sein ist auch einfach so viel witziger – und wer von euch Rackern hat meinen Post von Dienstag dem Bildblog empfohlen? Meld dich, ich geb dir ein Bier aus. Ja, auch ein großes. So wurde das, was ich da mit noch mindestens 6 von 13 Prosecco-Umdrehungen im Blut in der Stunde vorm Pizzafrühstück so rausschneuze, am nächsten Tag einer der sechs lesenswertesten Artikel des Tages, womit sich die potentielle Leserschaft mal ganz spontan verdreitausendfacht hat.

Ja, hätt ich gewusst, dass ich Mittwochfrüh zwei Zeilen unter seiner Eminenz, dem durchlauchten Herrn Lobo zitiert werd, hätt ich mir Dienstag zumindest mal die Haare gemacht – oder auch Mutterns wertvolle Literaturtips mal ernster genommen.

Fad wird es jedenfalls erst mal nicht – But everybody knows/ That a broken heart is blind. Schön wieder ein bisschen blinzeln zu können. Und dann euch zu sehen dabei.

Bild via art fucks me

Am 28. Januar 2012 von Theresa Lachner · Kategorien : Gedanken


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Darum ist das so. Like, really?

Vielleicht liegt´s an mir. Vielleicht hab ich die vergangenen Monate einfach ein paar Mal zu oft gehört, was an mir schlecht ist und lieber anders werden sollte. Vielleicht ist es auch diese übertriebene Häufung von grandios generalisierenden Heulsusenartikeln, mit denen wir momentan überschwemmt werden.

Am Anfang schuf Nina HPauer die Schmerzensmänner. Die tragen Bärte und spielen Gitarre und wissen ob der ganzen starken Weiblichkeit nicht mehr aus noch ein.

Er weiß nicht mehr, wann es Zeit ist zu kommen. Statt fordernd zu flirten, gibt er sich als einfühlsamer Freund. Schüchtern in einer Baumwollstrickjacke hinter einer Hornbrille versteckt, steht er in dunklen Großstadtbars und hält sich an einem Bier fest. Als Gefährte ist er vielleicht ein bisschen grüblerisch, aber man kann gut mit ihm reden. Er achtet auf sich, ist höflich, lieb, immer gepflegt und gewaschen, benutzt Parfums und Cremes, macht Diäten und hört wunderbar melancholische Mädchenmusik. Nur wenn der entscheidende move gefragt ist, er sich herüberbeugen und die junge Frau endlich küssen sollte, fängt sein Kopfkino an. Vielleicht möchte die junge Frau gar nicht geküsst werden? Vielleicht würde sie sonst selber den ersten Schritt tun? Vielleicht sollte man die Beziehung lieber doch nicht auf die gefährliche Ebene der Erotik ziehen, sondern platonisch belassen?

Sorry, Frau HPauer. Das ist grob verallgemeinernder Schwachsinn, der weder mit Strickjacken noch mit Iron&Wine was zu tun hat. Die Generation Hornbrillenjungs wurde von starken, aufgeklärten Frauen aufgezogen und definitiv lang genug gestillt. Es sind nicht die Gene, es ist nicht die Erbsünde. Wer sich hinter so was verstecken muss, soll bitte gleich zuhause bleiben. „Ja, nein, vielleicht“-Spielchen lässt man entweder irgendwann hinter sich oder spielt mit, weil man sie dann halt doch irgendwie geil findet oder akut auch nichts besseres zu tun hat. Ansonsten wär Umdenken angesagt. Das Rückgrat zur erogenen Zone erklären. Und die Heulsuse alleine im Regen stehen lassen. Der macht sich dann nass und hört Bon Iver und gut is.

Was dann kam, war fast noch besser: Lieber nicht, schreibt Christoph Scheuermann und weiß zum Glück auch, wer schuld ist. Die Weiber, denn die wissen ja bekanntlich auch nie, was se wollen, sagen nein und meinen doch ja:

Ein idealer Mann sähe für die beiden Frauen so aus: selbstbewusst, lässig, ironisch und, wieder dieses Wort, ein Macker. Allerdings kein Arschloch. Verständnisvoll, achtsam, unzynisch, lustig und größer als sie selbst, ab 1,80 Meter aufwärts. Einen kreativen, ab und an rotzigen Sympathen, hart und gleichzeitig weich, eine Kreuzung aus Johnny Depp und Rocky Balboa. Aber mehr wie Johnny Depp. Und das ist die erste gute Nachricht: Die jungen Frauen wissen auch nicht, was sie wollen.

Öh, naja. Nein. Doch. Ein Macker ist tendenziell ein relativ unsicherer Trottel. Einer, der Posen braucht, um sich profilieren zu können. Wie wärs denn mit einem, der weiß, was er kann, und deswegen die Arschkrampennummer nicht nötig hat? Weil es immer dieselben Mechanismen sind, weil die so irre leicht zu durchschauen sind und dann so schlagartig so dermaßen unsexy werden? Danke, Herr Scheuermann. Dass der Johnny wohl doch nicht die ganz heiße Nummer ist, steht ja grad in jedem bunten Fachmagazin, und Rockys Gesicht will ich auch nicht im Mondschein begegnen.

Auch wenn es, so der Autor, eh toll ist, dass Frauen jetzt selber schön arbeiten können – Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit gab es in den westlichen Metropolen derart viele schlaue, gebildete, zielstrebige, selbstbewusste Frauen Ende zwanzig, Anfang dreißig. Niemand, der halbwegs bei Verstand ist, würde das jemals rückgängig machen wollen – ja danke, ach echt? Voll super! – kann er es dann schlussendlich leider doch nicht so richtig schnafte finden.

Denn da kommt sie ums Eck, tadadaddaaaaaa: DIE OPTIMIER-FRAU!

Die Optimier-Frau will alles und jeden optimieren, wie ein außer Kontrolle geratener Ingenieur. Sie verlässt auch zunächst nicht ihren in sich gekehrten, melancholischen Lebensgefährten (was schlauer wäre), weil sie die Hoffnung nicht aufgibt, auch ihn eines Tages zu verbessern. Sie ist hyperwach. Sie lebt ihren Ehrgeiz im Beruf aus, wobei sie darauf achtgibt, davon innerlich nicht aufgefressen zu werden. Sie weiß, dass ihr nur ein paar Jahre bleiben, wenn sie Kinder will. Sie hat nicht viel Zeit. Sie will ihren auf Kleinstadtgröße aufgeblähten Bekanntenkreis nicht vernachlässigen und trotzdem eine fleißige Chefin und Mitarbeiterin sein. Vor allem ist sie Tag und Nacht damit befasst, nicht kompliziert zu wirken, das ist das Tragische an ihr.

Ja sorry, aber: OIDA. Nicht genug damit, dass wir 20% weniger verdienen sollen und danke sagen dafür, nicht genug damit, dass uns eingeredet wird, ohne gesteigerte Gebärfreudigkeit seien wir keine richtige Frau – jetzt sollen wir uns auch noch dafür schämen, dass wir trotz aller Widrigkeiten, und davon gibt es genug, unser Leben besser gebacken kriegen als ihr? Ja, ich werd immer JA sagen, und ALLES, die Lieblingswörter der Optimier-Frau. Und NEIN, ich seh kein bisschen ein, was daran schlecht sein soll.

Sie will beschützt werden, obwohl ein Blinder sieht, dass sie keinen Schutz benötigt. Sie will nicht länger als schwächliches Geschöpf betrachtet werden, was richtig und verständlich ist, beklagt aber gleichzeitig den Niedergang des Gentleman. Sie übersieht dabei, dass der klassische Gentleman seine Hilfsbereitschaft nur entfalten kann, wenn es jemanden gibt, der seiner Hilfe bedarf. Während ihres angestrengten Strebens, stark zu sein und bloß nicht aufs Weibliche reduziert zu werden, ist die Optimier-Frau übers Ziel hinausgeschossen. Bei der einen oder anderen gewinnt man den Eindruck, sie will gar keine Frau mehr sein, sondern Indiana Jones mit einem iPhone.

Moment mal: Die Tür aufgehalten zu bekommen, das freut mich auch, obwohl ich sie selber öffnen könnte. Kleine Gesten, die Höflichkeit, Empathie und gutes Benehmen bedeuten, haben nichts mit Hilfsbedürftigkeit zu tun, sondern mit zwischenmenschlichem Umgang. Bin ich unemanzipiert, wenn mir jemand in den Mantel hilft? Und müssen wir diese Debatte WIRKLICH IMMER NOCH führen? Wär es nicht viel sinnvoller, über gläserne Decken zu philosophieren, über Elternteilzeit und Slutwalks? Es ist kein Zeichen von Schwäche, sich über kleine Gesten zu freuen. Und keines von Schwäche, sie selbst zu geben. Ein Mann ist keine Pussy, wenn er dir Wertschätzung zeigt. Vielleicht ist er einfach ein guter Typ.

Wenn man Liebe als ein von Sekunde zu Sekunde umschlagendes Spiel aus Nähe und Sich-Entfernen begreift, aus wechselseitiger Dominanz und Unterwerfung, ist die Lage seit einigen Jahren schwieriger geworden. Denn Dominanz beherrscht die Optimier-Frau perfekt, weil sie gelernt hat, die Herausforderungen des Lebens als Aufgaben zu begreifen, die sie durch geschicktes Terminieren lösen kann. Man muss sie dafür bewundern, es geht nicht anders. Es ist aber gut möglich, dass sie beim Jonglieren ihrer vielen Rollen und Aufgaben vergessen hat, was es bedeutet, Geliebte zu sein. Warum sonst würde sie so häufig betonen, dass sie jederzeit bereit sei, in die Arme ihres Lovers zu sinken? Sie wolle sich fallen lassen, sagt sie, hat aber verlernt, wie das funktioniert. Diese Erfahrung kann jeder Mann bestätigen, der in den vergangenen Jahren einen mit Alphamädchen gefüllten Tangokurs belegt hat. Man spürt das Ringen um die Führungsrolle meistens am Tag danach, am Muskelkater in den Armen.

Ja. Nein. Nein. Ich weigere mich, den Terminus „Unterwerfung“ zu übernehmen. Jemand, der sich gehen lassen kann, ist äußerst stark. „Hingabe“ klingt wesentlich besser. Und diese Hingabe, Herr Scheuermann, ist keine Einbahnstraße. Wo bleibt der Mann, der sich hingeben kann? Der sich dreckig nehmen lässt und es geil findet? Und dann den Spieß umdreht und dem Weib den Arsch versohlt, und danach lachen sich beide kaputt? Weil es ein Spiel ist. Und kein Ringen um die Führungsrolle.

Christian Schachinger findet für alles eine total plausible Erklärung: Die Jungen leiden. Die Midlife-Crisis wurde vorverlegt.

Das führt neben einem erhöhten Aufkommen von Wollwesten und zärtlichen Schnurrbärtchen allerdings auch zu überzogener Hypochondrie und Wehleidigkeit. Dies schlägt sich auch in der Popkultur nieder. So viel schlaffe Musik voller verletzlicher Querflöten, einsamer Saxophone und plüschiger Keyboards gab es noch nie.

Was habt ihr eigentlich alle mit euren Strickjacken? Wir haben Januar, verdammt! Vielleicht wär die Lösung auch wesentlich einfacher, Obacht, jetzt kommt der Scheißspruch, auf den wir alle gewartet haben: Liebe Schmerzensmänner, Optimierfrauen und junge Leidende: Vielleicht braucht ihr es einfach mal wieder ordentlich besorgt. Soll ja entspannen.


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How to be alone, Pt.2

Liebste Leserschaft,

meine Abstinenz hier im Blog hat einen ebenso einfachen wie deprimierenden Grund: ich fühle mich gerade weder in der Lage noch in der Position dazu, hier Sexpertinnenweisheiten rauszuhauen. Denn auch, wenn das hier kein Blog ist, in dem ich mein Frühstück poste, und darüber, wie mein Nagellack zur Kaffeetasse passt, steckt doch immer und überall ein Stück von mir mit drin. Wer mich kennt, und hier mitliest, erkennt zwischen den Zeilen meine Stimmung, egal wie lange wir nicht gesprochen haben. Geht es mir gut? Bin ich noch angeschickert von letzter Nacht, fröhlich, mitgerissen, inspiriert? Hat Trottel 328 nicht zurückgerufen, obwohl er beim Kaffee noch Liebes(ge)schwüre gesäuselt hat, kommen daher die vielen Kraftausdrücke, für die´s von der Chefetage die gelbe Karte gibt? Springt mein Herz, oder hatte ich einen miesen Tag?
Selbst wenn es nur ein „Hier, ein lustiges Video“-Entry ist: es ist immer ein Stück von mir selbst drin in diesem Blog – mal weniger, mal wieder sehr viel mehr. Das kann man mutig oder problematisch finden – ich jedenfalls habe die Illusion aufgegeben, dass man über Anziehung schreiben kann, über Sex, über Liebe, über Beziehungen, und die eigene Persönlichkeit und eigene Erfahrungen dabei komplett außen vor zu lassen.

Ich sehe es an dem, was ich zurückbekomme, wenn ich viel von mir gebe – an Kommentaren, lachenden Freunden, die sagen, „genau sooo isses!“ oder „da steht nicht nur dein Name drunter, du bist in jeder Zeile.“ Auch wenn es Selbstentblößung ist, die einen angreifbar macht, ist es vermutlich der einzig mögliche Weg, sich diesem Thema zu nähern.

Und deswegen sag ichs jetzt halt einfach: Ich hab die schlimmste Trennung meines Lebens hinter mir. But then again – ist nicht jede die schlimmste? Nein, die hier haut besonders rein, und lässt mich ratlos zurück. Ich stelle fest, dass es keine tiefen Gräben waren, die uns getrennt haben, keine Frage von Venus oder Mars, oder anderen Planeten, die hätten sich ja zumindest mal in der Erdumlaufbahn freundlich zugenickt. Es waren verschiedene Sonnensysteme.

Ich, die Frontreporterin der großen und niederen Gefühle, die sich jederzeit für das Echte, das Wahre, das Einzige in die Bresche werfen würde, die Flüge bucht um nochmal nen Kaffee zu trinken und dabei in Stundenhotels landet, die für das Glück immer alles tun würde, was irgendwie menschenmöglich ist, kann Ihnen grad keinen von Liebe, Toleranz, Akzeptanz und aufeinander zugehen erzählen – höchstens davon, wie es ist, irgendwann an den Punkt zu kommen, an dem es Zeit wird, seine verbleibenden fünf Cent Selbstachtung zusammenzukratzen und schreiend davonzurennen. Die drei zerrupften Schäfchen, die noch auf der schon eher kahlen Persönlichkeitswiese grasen, ins Trockene zu bringen.
Ich kann darüber schreiben, wie es ist, im Supermarkt zu weinen, weil die Flasche Wein noch im Sonderangebot ist, die man nicht mehr zusammen trinken wird, und darüber, wie es ist, konsequent zwischen Fassungslosigkeit, Erleichterung und bodenloser Enttäuschung zu schwanken. Vielleicht hat das dann für einige hier nicht mehr Gehalt als eine Viertelstunde AstroTV. Aber wahrscheinlich ist es ehrlicher, als vorzutäuschen, von etwas Ahnung zu haben, was man noch nie weniger verstanden hat.

How to be alone, Pt.1

Am 23. Januar 2012 von Theresa Lachner · Kategorien : Gedanken